Scherzerklärung (§ 118 BGB) – Kündigung unter Augenzwinkern am Biertisch
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Mieter M erzählt bei einem gemütlichen Umtrunk mit Vermieter V von seinem Goldfisch Goldy. Daraufhin erwidert V, dass Haustiere im Büro doch nicht abgemacht waren und kündigt M daher aus Scherz unter Augenzwinkern die Büroräume. M begibt sich niedergeschlagen auf Suche nach einem neuen Büro.
Einordnung des Falls
Scherzerklärung (§ 118 BGB) – Kündigung unter Augenzwinkern am Biertisch
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. V hat eine Kündigungserklärung abgegeben.
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Ja, in der Tat!
2. Weil V sich nur einen Scherz erlaubte, ist die Erklärung gemäß § 118 BGB nichtig.
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Ja!
3. Für die Nichtigkeit der Willenserklärung gemäß § 118 BGB ist jedoch erforderlich, dass M den Scherz tatsächlich als solchen erkennt.
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Nein, das ist nicht der Fall!
4. M kann Schadensersatz für die bei der Bürosuche entstandenen Kosten verlangen (§ 122 Abs. 1 BGB).
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Nein, das trifft nicht zu!
Fundstellen
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DonQuiKong
27.2.2020, 08:28:19
Seit wann ist Humor eine objektiv bewertbare Sache? Er muss das erkennen? Dann sollte das im Sachverhalt stehen.
Christian Leupold-Wendling
27.2.2020, 09:25:52
Das ist eine gesetzgeberische Wertung in den §§ 118, 122. Warum sollte das im Sachverhalt stehen?
Monsieur La Peng
28.2.2020, 11:00:33
Also, wenn jemand eine Willenserklärung mit einem „Augenzwinkern“ abgibt, finde ich nicht, dass es objektiv nicht erkennbar ist, dass V hier keine ernstgemeinte Erklärung abgibt. Es ist meiner Meinung nach ausreichend erkennbar, dass die WE äußerlich kein Willen auf Herbeiführung der Rechtsfolge Kündigung erkennbar macht
Marilena
28.2.2020, 18:02:13
Das kann man so sehen. Aber manche Leute zB zwinkern dann mit den Augen, wenn sie aufgeregt/nervös sind. Die Gleichung „Augenzwinkern = Scherz“ ist nicht zwingend, finde ich.
Hanna
2.3.2020, 09:49:29
Es wäre praktisch, wenn man zu den Lösungen zurück blättern könnte. Ich glaube ich habe einen Widerspruch entdeckt. Am Anfang steht es, dass V alle Voraussetzungen, Handlungswille etc., der WE erfüllt hätte. Zugleich steht es ein Paar fragen später, dass er erkennbar keine WE abgegeben hat. Zwinkern ist ja nur für das Vorliegen eines SE-Anspruchs beachtlich. Irre ich mich da?
Christian Leupold-Wendling
24.6.2020, 08:47:25
Hi Hanna, Danke für die Frage! Die Möglichkeit, dass man den Fall wiederholen kann bzw. zurück an den Anfang eines Unterkapitels springt, haben wir mittlerweile geschaffen. Das Feature geht online mit dem nächsten Update, voraussichtlich noch diese Woche. Du kannst dann oben neben dem Fortschrittsbalken auf das Menü mit den drei Punkten klicken, dort gibt es ein Kontextmenü. Wir sind nicht sicher, welchen Fall Du meinst. Hier ist es so, dass V zunächst eine wirksame Willenserklärung abgegeben hat. Der Mangel der Ernstlichkeit muss bei der Beurteilung außer Betracht bleiben (ansonsten hätte § 118 BGB keinen Anwendungsbereich mehr). Wenn man dann in einem zweiten Schritt die Voraussetzungen des § 118 BGB prüft, kommt man zum Ergebnis, dass V die subjektive Erwartung hatte, dass M die Kündi
Rene Leon
23.6.2020, 23:16:41
Mit 118 habe ich meine Probleme. Was hindert eine Person daran im Rechtsverkehr eine Menge Scherzerklärungen zu verteilen, um sich anschließend mit 118 aus der Affäre zu ziehen? Man könnte doch jede Willenserklärung als Scherzerklärung abtun, wenn diese einem nicht mehr Vorteilhaft erscheint.
ehemalige:r Nutzer:in
24.6.2020, 08:40:39
Halle Rene, die Person würde sich bei jeder Scherzerklärung nach 122 BGB (ggf.) schadensersatzpflichtig machen
Christian Leupold-Wendling
24.6.2020, 08:41:51
Hi Rene, Danke für die Frage! Es gibt zwei Gründe, die einen im Ergebnis davon abhalten sollten: 1. Er Erklärende trägt die Darlegungs- / Beweislast: Wenn jemand ihn an seiner Willenserklärung bzw. einem darauf basierenden Vertrag festhalten möchte, müsste der Erklärende in einem etwaigen Rechtsstreit die Voraussetzungen des § 118 BGB beweisen (d.h. seine subjektive Erwartung, der Erklärungsgegner würde die mangelnde Ernstlichkeit erkennen). Das Risiko, dass dies nicht gelingt, läge dann beim Erklärenden. 2. Selbst wenn der Erklärende damit erfolgreich ist, kann der Erklärungsgegner unter den Voraussetzungen des § 122 BGB den Vertrauensschaden verlangen. Lieben Gruß, - Christian
Elias Von der Brelie
21.6.2023, 22:53:04
Also so wie ich das verstanden habe ist die person die das Versucht die einzige Person welche theoretisch deshalb Schäden hat. Also soll sie es doch tun :'). Klar. Praktisch lassen sich manche Schäden vielleicht schwer ersetzen, aber begehrenswert ist das jedenfalls auch Praktisch nicht.
Vincent
3.9.2021, 15:29:32
Warum wird der Vertrag hier nach §§ 133, 157 analog ausgelegt und nicht direkt?
Lukas_Mengestu
8.11.2021, 13:13:41
Danke für die Nachfrage Vincent. Die analoge Anwendung bezieht sich hier auf die Kündigung, als einseitige Willenserklärung. Da § 157 BGB unmittelbar nur die Auslegung von Verträgen (also mindestens zweiseitigen Rechtsgeschäften) regelt, ist im Hinblick auf die Kündigung eine analoge Anwendung vorzunehmen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Alexander14
18.2.2024, 13:19:10
Zunächst heißt es, eine WE läge aus der Sicht eines objektiven Dritten vor, da dieser nicht habe erkennen können, dass die Kündigung als Schwerz gemeint war. Das bedeutet für mich, der objektive Dritte muss trotz des Augenzwinkerns nicht von einem Scherz ausgehen. Bei der dritten Frage wird die SE-Pflicht dann aber verneint, weil der M den Mangel der Ernstlichkeit hätte erkennen müssen. Das verstehe ich nicht; warum muss der objektive Empfänger den Mangel der Ernstlichkeit nicht erkennen, der M dann aber schon?
Waltrop
27.4.2024, 23:27:05
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