+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
M mietet von V eine Wohnung für monatlich €500. Im Winter fällt die Zentralheizung aufgrund eines Defekts aus. M bittet V um Reparatur. M kennt ihr Minderungsrecht, zahlt aber weiter die volle Miete, um das Verhältnis zu V nicht zu belasten. Als die Heizung zwei Monate später immer noch defekt ist, zahlt M nur noch eine um angemessene 20% geminderte Miete von €400 und verlangt Rückzahlung für die vergangenen zwei Monate.
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Einordnung des Falls
Minderung / Rückforderung der Miete
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Die Miete ist aufgrund des Defekts gemindert.
Ja!
Der Mieter ist insoweit von seiner Mietzahlungspflicht befreit, als die vermietete Sache einen Mangel aufweist, der die Tauglichkeit zu dem vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt oder mindert (§ 536 Abs. 1 BGB, Minderung). Die Miete ist dann schon kraft Gesetzes gemindert (kein Gestaltungsrecht). Auf ein Vertretenmüssen des Vermieters kommt es nicht an. Durch den Heizungsdefekt ist die Gebrauchstauglichkeit der Wohnung zumindest im Winter erheblich gemindert. Daraus folgt automatisch (ipso iure) eine Minderung der geschuldeten Miete um angemessene 20%.
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2. Der Mieter kann, wenn er trotz Kenntnis der Minderung zunächst die volle Miete zahlt, den überschießenden Teil stets noch zurückfordern.
Nein, das ist nicht der Fall!
Bei Zahlungen nach Eintritt des Mangels kann der Mieter einen Rückforderungsanspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB haben, denn in Höhe der Minderung fehlt es an einem Rechtsgrund für die Zahlung. Die Leistung kann jedoch nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende wusste, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war (§ 814 Alt. 1 BGB; Kenntnis der Nichtschuld). BGH: Der Kondiktionsausschluss des § 814 Alt. 1 BGB greife erst ein, wenn der Leistende nicht nur die Tatumstände kenne, aus denen sich ergibt, dass er nicht verpflichtet ist, sondern auch wisse, dass er nach der Rechtslage nichts schuldet. Der Leistende müsse also aus diesen Tatsachen nach der maßgeblichen Parallelwertung der Laiensphäre auch eine im Ergebnis zutreffende rechtliche Schlussfolgerung gezogen haben (RdNr. 17). Dies sei etwa dann nicht der Fall, wenn der Mieter dachte, die Minderung erfordere eine Zustimmung des Vermieters.
3. M kann die zu viel gezahlte Miete der letzten zwei Monate zurückfordern.
Nein, das trifft nicht zu!
M kannte ihr Minderungsrecht und wusste, dass sie infolge des Defekts nicht die volle Miete schuldet. Indem sie dennoch die volle Summe zahlte, hat sie in Kenntnis der Nichtschuld geleistet, sodass eine Rückforderung ausgeschlossen ist (§ 814 Alt. 1 BGB). Um dies zu vermeiden, insbesondere auch bei Unsicherheit über die Höhe der Minderung, sollte die Miete in diesen Fällen lediglich unter dem Vorbehalt nachträglicher Rückforderung gezahlt werden. Dann steht der Rückforderung § 814 Alt. 1 BGB nicht entgegen.
4. M kann sich für die Zukunft nicht mehr auf die Minderung berufen, weil sie darauf durch die bisherige vorbehaltlose Zahlung verzichtet hat.
Nein!
Der Mieter verliert sein Minderungsrecht nur, wenn er (1) den Mangel bei Vertragsschluss kennt (§ 536b S. 1 BGB), (2) die Mietsache in Kenntnis des Mangels vorbehaltlos annimmt (§ 536b S. 3 BGB) oder (3) seine Anzeigepflicht schuldhaft verletzt, sodass der Vermieter nicht Abhilfe schaffen konnte (§ 536c Abs. 2 BGB). Wenn der Mieter einen Mangel erst nachträglich erkennt und ihn auch anzeigt, die Mietzahlung aber zunächst nicht mindert, wird – anders als nach früherem Mietrecht – § 536b BGB nicht analog angewendet. Ein Verlust des Minderungsrechts für die Zukunft durch vorbehaltlose Mietzahlung ist nur nach den allgemeinen Grundsätzen der Verwirkung möglich (§ 242 BGB). M hat ihr Minderungsrecht nicht durch die vorbehaltlose Zahlung in der Vergangenheit verloren; sie muss für die Zukunft bis zur Mangelbeseitigung nur eine um 20% geminderte Miete zahlen.