+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Studentin S kauft bei Händler D einen Unterarmtrainer des Herstellers H, der laut Herstellerangabe mit bis zu 50 kg Last verwendet werden kann. Als S eine 10 kg Hantelscheibe daran befestigt und trainiert, reißt das Seil ab und die Scheibe kracht ihr auf den Fuß. Ursache ist die Verwendung falschen Materials, wobei nicht mehr festgestellt werden kann, wie es bei H zu diesem Fehler kam.
Einordnung des Falls
Konstruktionspflichtverletzung
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Die Haftung nach dem ProdHaftG ist verschuldensabhängig.
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Nein!
Das Produkthaftungsgesetz ordnet eine verschuldensunabhängige Haftung des Herstellers für Produktschäden an (Gefährdungshaftung). Der Anspruch aus § 1 Abs. 1 ProdHaftG setzt voraus (1) eine Personen- oder Sachbeschädigung (§ 1 Abs. 1 ProdHaftG), die durch einen (2) Produktfehler (§§ 2, 3 ProdHaftG) (3) zurechenbar verursacht wurde. Er richtet sich gegen den (4) Hersteller (§ 4 ProdHaftG) und darf (5) nicht ausgeschlossen sein (§ 1 Abs. 2, 3 ProdHaftG).
2. S hat einen Personenschaden im Sinne von § 1 Abs. 1 ProdHaftG erlitten.
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Genau, so ist das!
§ 1 Abs. 1 ProdHaftG verlangt einen Personen- oder Sachschaden.
S wurde an ihrem Körper verletzt.
Für Sachbeschädigungen gelten zwei wichtige Haftungseinschränkungen (§ 1 Abs. 1 S. 2 ProdHaftG): (1) Es muss eine andere Sache als das fehlerhafte Produkt beschädigt worden sein (kein Ersatz für Weiterfresserschäden) und (2) diese andere Sache muss ihrer Art nach gewöhnlich für den privaten Ge- oder Verbrauch bestimmt und hierzu von dem Geschädigten hauptsächlich verwendet worden sein.
3. Die Körperverletzung der S wurde zurechenbar durch einen Produktfehler verursacht.
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Ja, in der Tat!
Die Verletzung muss durch den "Fehler eines Produkts" eintreten (§ 1 Abs. 1 ProdHaftG). Produkt ist jede bewegliche Sache, auch wenn sie den Teil einer anderen beweglichen oder unbeweglichen Sache bildet, sowie Elektrizität (legaldefiniert in § 2 ProdHaftG). Es hat einen Fehler, wenn es – im Zeitpunkt des Inverkehrbringens – nicht die Sicherheit bietet, die unter Berücksichtigung aller Umstände berechtigterweise erwartet werden kann (legaldefiniert in § 3 ProdHaftG). Erfasst sind damit Konstruktions-, Fabrikations- und Instruktionsfehler.
Der Konstruktionsfehler des Unterarmtrainers hat die Verletzung der S zurechenbar verursacht.
4. H ist Hersteller im Sinne des § 4 ProdHaftG.
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Ja!
Hersteller ist, wer das Endprodukt, einen Grundstoff oder ein Teilprodukt hergestellt hat (legaldefiniert in § 4 Abs. 1 S. 1 ProdHaftG). Dem tatsächlichen Hersteller gleichgestellt sind der Quasi-Hersteller (§ 4 Abs. 1 S. 2 ProdHaftG) sowie der Importeur (§ 4 Abs. 2 ProdHaftG). Lässt sich der Hersteller nicht feststellen, so kann ersatzweise auf jeden Lieferanten des Produkts zurückgegriffen werden, es sei denn, dass dieser innerhalb eines Monats den Hersteller oder seinen Vorlieferanten benennt (§ 4 Abs. 3 ProdHaftG).
H hat den Unterarmtrainer hergestellt.
5. H muss der S nur den Minderwert des mangelhaften Produkts ersetzen.
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Nein, das ist nicht der Fall!
Dem Geschädigten ist grundsätzlich der gesamte Schaden zu ersetzen (§§ 249ff. BGB), der auf der Rechtsgutverletzung durch das fehlerhafte Produkt beruht. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um einen Personen- oder einen Sachschaden handelt. Für Personenschäden enthalten die §§ 7ff. ProdHaftG jedoch Einzelregelungen, insbesondere gilt für sie eine Höchstgrenze von €85 Mio. pro fehlerhaftem Produkt (§ 10 ProdHaftG). Bei Sachschäden muss der Geschädigte einen Schaden von €500 selbst tragen (§ 11 ProdHaftG).
S kann auch Schadensersatz für die Fußverletzung verlangen.