Strafrecht
Strafrecht Allgemeiner Teil
Versuch und Rücktritt
Abergläubischer Versuch / irrealer Versuch
Abergläubischer Versuch / irrealer Versuch
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T möchte den O tot sehen. Um diesen zu töten, malt T Schlangen auf den Boden und beginnt, Calu, den Gott des Todes, zu beschwören. Währenddessen stört ihn seine Freundin und er muss das Ritual abbrechen.
Diesen Fall lösen 76,4 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Abergläubischer Versuch / irrealer Versuch
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Der Versuch eines Totschlags (§ 212 Abs. 1 StGB) ist strafbar.
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. T hat nach herrschender Meinung „Tatentschluss“ hinsichtlich des Tatbestandserfolges.
Nein, das trifft nicht zu!
3. Eine Mindermeinung verneint den Tatentschluss hinsichtlich der objektiven Zurechnung.
Ja!
4. Eine weitere Mindermeinung bejaht den Tatentschluss hinsichtlich aller Merkmale.
Genau, so ist das!
5. T hat „unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt“.
Ja, in der Tat!
6. T handelte rechtswidrig und schuldhaft.
Ja!
7. Der Versuch ist grob unverständig (§ 23 Abs. 3 StGB).
Genau, so ist das!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Fahrradfischlein
2.3.2021, 14:37:23
Wenn Tatentschluss nach hM verneint wird ist doch aus deren Sicht eine weitere Prüfung entbehrlich.
Vulpes
3.3.2021, 15:35:15
Hallo Fahrradfischlein✌️ Das stimmt zwar, aber hätte man aufgehört zu prüfen, wäre die Anwendbarkeit des § 23 Abs. 3 StGB unter den Tisch gefallen. Ausserdem hätte man verpasst, dass nach einer Ansicht T tatsächlich eine rechtswidrige schuldhafte Tat begangen hat. Das ist ja schon interessant, da gem. § 23 Abs. 3 StGB die Strafe entfallen kann aber nicht muss.
Eigentum verpflichtet 🏔️
3.3.2021, 20:14:42
Hallo ihr beiden. Folgt man den ersten beiden Ansichten könnte man die übrigen Merkmale höchstens noch in einem Hilfsgutachten prüfen, was im Strafrecht aber eher abenteuerlich wäre. In der Klausur wird regelmäßig nur eine Diskussion der 3 Theorien auf Ebene des Tatentschlusses verlangt werden. Wir haben den Fall dennoch nach der Mindermeinung gelöst, um zu zeigen, dass auch dieser Weg vertretbar ist. In einer Hausarbeit könnten diese Fragen, "im Rahmen der 18 Punkte Lösung" nämlich durchaus eine Rolle spielen. LG für das Jurafuchs-Team Eigentum verpflichtet
ehemalige:r Nutzer:in
4.3.2021, 23:01:44
@Adrian nach dieser Ansicht wäre § 23 Abs. 3 StGB zumindest von den meisten Vertretern dann zwingend anzuwenden. Und zwar auch mit der Folge, dass keine Strafe erfolgt
antoniasophie
28.11.2021, 12:30:38
Aber in einer Klausur würdet ihr von einer weiteren Prüfung abraten und dann bereits beim Tatentschluss aussteigen, oder?
Sassun
7.11.2024, 09:50:41
Ja, in einer Originalexamensklausur von 2022 wurde in der amtlichen Lösung bereits im Rahmen von 2. Versuchsstrafbarkeit die Thematik angesprochen und mit der h.M. die Strafbarkeit bei abergläubischem Versuch verneint.
RealOmnimodo 🇺🇦
20.4.2023, 13:07:36
Handelt es sich bei einem „grob unverständige Versuch“ nicht um einen Unterfall eines „untauglichen“ (und damit strafbaren) Versuchs? Bei dem vorliegenden Fall handelt es sich doch eigentlich um die Fallgruppe „abergläubischer oder
irrealer Versuch“. Die zuletzt vorgestellte MM geht von der Anw. der Grds. über den grob unverständigen Versuch mit der Maßgabe des zwingenden Absehens von der Strafe. Ein reiner „grob unverständige Versuch“ ist es jedoch nicht, richtig?
Elias Von der Brelie
31.5.2023, 12:40:02
Ich fand den Fall jedenfalls sehr amüsant :')
L.Goldstyn
22.7.2024, 16:54:44
Ich habe eine Frage zu Frage 5. (T hat „unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt“ – Die Aussage stimmt.) Die Lösung sagt, dass es stark darauf ankomme, wie T die unterschiedlichen Schritte bewertet und auch, wie lange einzelne Beschwörungshandlungen andauern würden. Daher könne zwar bereits das Malen der erforderlichen Symbole
unmittelbares Ansetzensein. Da jedoch Sachverhaltsangaben fehlen und auch dann das gesamte Ritual aufgrund seiner Realitätsferne nur teilweise nachvollziehbar sein wird, sei in dubio pro reo erst an die Beschwörungshandlung anzuknüpfen. Wäre nicht vielmehr in dubio pro reo an den Abschluss der Beschwörungshandlung anzuknüpfen, zu der es hier aufgrund der Unterbrechung durch die Freundin nicht mehr kam? Die Überlegung dahinter ist, dass in dubio pro reo bei jeder „Beschwörungsphrase“ noch die nächste „Phrase“ des A als notwendiger Zwischenschritt anzusehen ist, mithin erst bei der letzten abschließenden „Beschwörungsphrase“ kein Zwischenschritt mehr notwendig ist. Der Fall ist natürlich sehr schräg, die Bewertung daher schwierig.