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Jurafuchs

Kurierfahrerin K möchte bei V einen kleinen Transporter zum Preis von €10.000 kaufen. Da K nicht ausreichend liquide ist, bittet sie die B, sich für die Verbindlichkeit zu verbürgen. B und V vereinbaren mündlich die Übernahme der Bürgschaft seitens der B für die Kaufpreiszahlung in Höhe von €10.000. K wird zahlungsunfähig. V möchte B in Anspruch nehmen. B zahlt.

Einordnung des Falls

Schriftform (§ 126 BGB) § 766 BGB 1

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ein Rechtsgeschäft, das der gesetzlich vorgeschriebenen Form ermangelt, ist nichtig (§ 125 S. 1 BGB).

Ja!

Die Rechtsfolge der Nichteinhaltung des gesetzlichen Formerfordernisses ist grundsätzlich im allgemeinen Teil des BGB normiert (§ 125 S. 1 BGB). Es handelt sich dabei um eine Einwendung, die von Amts wegen zu berücksichtigen ist. Dies hat zur Folge, dass die Rechtsfolge der Nichtigkeit der Disposition der Parteien entzogen ist. Daneben bestehen noch Spezialregelungen, die abweichende Rechtsfolgen anordnen. Beispielsweise im Mietrecht (§ 550 S. 1 BGB) oder beim Verbraucherdarlehensvertrag (§ 494 Abs. 3 BGB).

2. B hat mündlich eine wirksame Willenserklärung gerichtet auf den Abschluss eines Bürgschaftsvertrages abgegeben.

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Bürgschaftserklärung ist schriftlich zu erteilen (§ 766 S. 1 BGB). Die genauen Anforderungen bestimmen sich nach § 126 BGB. Erforderlich ist eine Ausstellung und eigenhändige Unterzeichnung der Bürgschaftserklärung. Alternativ kann eine Unterzeichnung durch notariell beglaubigtes Handzeichen erfolgen. Die Unterschrift muss unter der Bürgschaftserklärung erfolgen und damit den Abschluss des Urkundentextes darstellen. Die mündliche Bürgschaftserklärung entspricht nicht den Anforderungen der Schriftform (§ 126 BGB, § 766 S. 1 BGB).

3. Die Willenserklärung des Gläubigers bedarf der Schriftform (§ 766 S.1 BGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Die Formvorschrift erfordert allein die schriftliche Erteilung der Bürgschaftserklärung (§ 766 S. 1 BGB). Die Willenserklärung des Gläubigers ist formfrei möglich. Die Willenserklärung der V konnte mündlich abgegeben werden.

4. Die Zahlung der B führt dazu, dass der Formverstoß unbeachtlich wird (§ 766 S. 3 BGB).

Ja!

Eine Heilung des Formmangels mit ex-nunc Wirkung erfolgt, wenn der Bürge die Hauptverbindlichkeit erfüllt (§ 766 S. 3 BGB). Durch die Erfüllung der Hauptschuld entfällt die Warnfunktion und damit das Bedürfnis nach der Schriftform. Die Schriftform soll den Bürgen vor übereilten Entscheidungen wahren. Infolge der Erfüllung schmälert der Bürge sein Vermögen und er nimmt den konkreten Umfang der Haftung wahr. Er ist nicht mehr schutzwürdig. Die Heilung tritt unabhängig von dem Irrtum des Bürgen ein, zu der Leistung verpflichtet zu sein. Durch die Zahlung in Höhe von €10.000 wird der B das Ausmaß der Haftung deutlich. Sie ist nicht mehr schutzbedürftig.

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SI

silasowicz

15.8.2023, 09:30:45

Welche Auswirkung hat die Unbeachtlichkeit der Formmängel denn auf die Wirksamkeit der nichtigen Willenserklärungen? Bleiben diese nichtig oder werden sie auch ex nunc wirksam und sind sie dann ggf. auch noch anfechtbar etc.?

Persönliche geistige Erschöpfung

Persönliche geistige Erschöpfung

15.11.2023, 11:57:45

So wie ich das verstanden habe bezieht sich die Nichtigkeit auf das ganze Rechtsgeschäft, also den Gesamttatbestand (Wortlaut des § 125). Die Willenserklärungen wären dann an sich noch wirksam. Das ist systematisch verwirrend, weil sich § 125 ja im Titel 2. Willenserklärungen befindet. Eine Anfechtung von Willenserklärungen im Rahmen nichtiger Rechtsgeschäfte ist möglich (vgl. BeckOGK/Beurskens, 1.11.2023, BGB § 142 Rn. 5). Also um die Fragen zu beantworten: 1. Die WE sind an sich nicht nichtig geworden. 2. Sie sind anfechtbar.

ENU

ehemalige:r Nutzer:in

13.3.2024, 16:40:54

Liebes Jurafuchs-Team oder User, ich habe eine Frage zu der Aufgabe: "B hat mündlich eine wirksame Willenserklärung gerichtet auf den Abschluss eines Bürgschaftsvertrages abgegeben"; als korrekte Antwort wird "Stimmt nicht" angegeben. § 125 S. 1 BGB redet ja von einem "Rechtsgeschäft". Hier wird aber schon an die Willenserklärung per se angeknüpft. Meine Frage ist also: sorgt ein Formerfordernis als solches schon dazu dass eine etwaige Willenserklärung nicht wirksam werden kann oder muss man eigentlich erst an das darauf folgende Rechtsgeschäft anknüpfen? Anders: muss für ein Vorliegen eines Rechtsgeschäfts (welches dann freilich nach § 125 S. 1 BGB nichtig sein kann) eine erstmal wirksame Willenserklärung abgebenen worden sein oder entsteht das Rechtsgeschäft schon durch eine unwirksam abgebene Willenserklärung? Es kann auch gut sein, dass ich einfach einen Denkfehler gerade habe. Ohnehin denke ich, dass diese Unterscheidung keinen wirklichen inhaltlichen Unterschied in einer Prüfung machen würde. Ich frage nur weil ich selbst verwirrt bin :D Viele Grüße

Gruttmann

Gruttmann

13.3.2024, 20:09:25

Lieber DelusionaID, ich habe viel recherchiert, weil es mich auch interessierte und ich ein Ergebnis wollte:). Ein Rechtsgeschäft beinhaltet immer mindestens eine Willenserklärung. Erstmal müsste also eine VOLLSTÄNDIGE Willenserklärung vorliegen, also eine Erklärung etwas rechtlich erhebliches zu erreichen. Diese Willenserklärung ist, als von Anfang an nicht wirksam zu sehen. Das Rechtsgeschäft entsteht sozusagen durch eine vollständig abgegebene Willenserklärung, die dann aber direkt unwirksam ist. Also im Grunde kann man sagen, dass das Rechtsgeschäft durch eine unwirksame Willenserklärung entsteht. Diese unwirksame Willenserklärung kann aber unter Umständen wieder wirksam werden, vgl. § 311b I S.2 BGB. Liebe Grüße, Gruttmann.


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