Zivilrecht
BGB Allgemeiner Teil
Formfreiheit und Grenzen
§ 126 BGB, schriftliche Urkunde, elektronische Unterschrift genügt nicht
§ 126 BGB, schriftliche Urkunde, elektronische Unterschrift genügt nicht
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Zur Finanzierung eines Fernsehers nahm Verbraucher V einen Kredit bei der Bank B in Höhe von €5.000 auf. Der vereinbarte Zins liegt bei 3 %. V unterzeichnete den vollständig sichtbaren Darlehensvertrag auf einem iPad bei der Bank B.
Diesen Fall lösen 69,1 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
§ 126 BGB, schriftliche Urkunde, elektronische Unterschrift genügt nicht
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Der Darlehensvertrag bedarf der Schriftform.
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Der Darlehensvertrag in elektronischer Form stellt eine schriftliche Urkunde dar.
Nein, das ist nicht der Fall!
3. Die handgeschriebene elektronische Unterschrift des V auf dem iPad erfüllt die Anforderungen an § 126 Abs. 1 BGB.
Nein, das trifft nicht zu!
4. Die Schriftform ist vorliegend jedoch durch die elektronische Form ersetzt worden.
Nein!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Melanie 🐝
5.4.2021, 22:13:43
Warum machen das dann trotzdem so viele? zb im Ikea oder o2
Eichhörnchen I
9.4.2021, 14:54:24
Grundsätzlich können Verträge formfrei geschlossen werden. Darlehensverträge bedürfen aufgrund höherer Risiken ausnahmsweise der Schriftform (Paragraf 492 Abs. 1 BGB). Kaufverträge (Ikea) oder Dienstverträge (Mobilfunkvertrag) sind regelmäßig weniger risikobehaftet, grundsätzlich formfrei und somit auch schnell auf einen iPad abschließbar 😊
felixrubi
30.11.2022, 08:59:53
Ich habe letztens bei der Bank auch auf einem Signatur Pad unterschrieben. Das ist mittlerweile üblich und habe ich auch schon bei Darlehen getan, mein Personalausweis wurde zusätzlich noch kopiert, damit es legitimiert ist.
Lukas_Mengestu
30.11.2022, 14:37:19
Hallo felixrubi, vielen Dank für Deinen Hinweis. In der Tat werden Signaturpads mittlerweile in vielen Bereichen eingesetzt. Nach weiterhin geltender Rechtslage können sie aber nicht ohne weiteres die Schriftform ersetzen. Beim „Unterschreiben“ auf einem elektronischen Schreibtablett wird der Schriftzug der aufgezeichneten Unterschrift oftmals nur als elektronisches Bild gespeichert. Dieses Bild kann prinzipiell nachträglich von dem Erklärungstext, auf die sich die Unterschrift bei ihrer Erstellung bezogen hat, getrennt und unter beliebige andere Erklärungen kopiert werden. Dabei handelt es sich dann nur um eine "einfache" elektronische Signatur und keine fälschungssichere "qualifizierte" elektronische Signatur, sodass die Voraussetzungen der elektronische Form nach § 126a BGB nicht erfüllt sind (vgl. OLG München, Schlussurt. v. 4. 6. 2012 − 19 U 771/12 = NJW 2012, 3584 = https://openjur.de/u/498795.html; Schmitz, Signaturpad – Ersatz für Unterschrift?, NVwZ 2013, 410). Anders ist dies nur, wenn zusammen mit der digitalen Unterschrift zugleich eine qualifizierte elektronische Signatur hinterlegt wird, zB bei einer Fernsignatur mit dem Personalausweis (vgl. "On-the-Fly" Signatur mit der Online-Ausweisfunktion: https://www.personalausweisportal.de/Webs/PA/DE/wirtschaft/eIDAS-konforme-fernsignatur/eidas-konforme-fernsignatur-node.html). Die Rechtsfolgen sind aber regelmäßig nicht gravierend. "Normale" Verträge können grundsätzlich formfrei geschlossen werden, sodass es nicht der strengen Form der §§ 126, 126a BGB bedarf. Und selbst beim Verbraucherdarlehensvertrag ist dieser bei fehlender Schriftform nicht gänzlich unwirksam. Vielmehr kann hier durch Auszahlung des Darlehens ein Mangel der Schriftform geheilt werden (§ 494 Abs. 2 BGB). Das hat dann den schönen Nebeneffekt, dass sich uU der Zinssatz des Darlehens verringert ;-) Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team.
felixrubi
30.11.2022, 14:57:09
Danke. 👍🏼
Paulah
15.9.2023, 09:14:45
Vielen Dank für die tolle Erklärung! Gerade bei Banken wäre ich im Leben nicht darauf gekommen, dass die nicht alles 100 %ig wasserdicht machen.
Reus04
30.3.2023, 20:58:57
Warum stellt die Unterschrift auf dem iPad keine qualifiziert elektronische Signatur dar?
Lukas_Mengestu
4.4.2023, 15:52:12
Hallo Reus04, schau Dir hierzu gerne einmal den parallelen Thread an :-) Solltest Du danach noch Fragen haben, dann melde Dich gerne. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team