§ 126 BGB, schriftliche Urkunde, elektronische Unterschrift genügt nicht


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Zur Finanzierung eines Fernsehers nahm Verbraucher V einen Kredit bei der Bank B in Höhe von €5.000 auf. Der vereinbarte Zins liegt bei 3 %. V unterzeichnete den vollständig sichtbaren Darlehensvertrag auf einem iPad bei der Bank B.

Einordnung des Falls

§ 126 BGB, schriftliche Urkunde, elektronische Unterschrift genügt nicht

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Darlehensvertrag bedarf der Schriftform.

Ja!

Im besonderen Schuldrecht ist eine Schriftform für den Verbraucherdarlehensvertrag vorgesehen (§ 492 Abs. 1 BGB). Ein Verbraucherdarlehensvertrag definiert sich als entgeltlicher Darlehensvertrag zwischen dem Verbraucher als Darlehensnehmer und dem Unternehmer als Darlehensgeber (§ 491 Abs. 2 S. 1 BGB). Der Begriff des Verbrauchers und des Unternehmers richtet sich nach dem allgemeinen Teil des BGB (§ 13 BGB, § 14 BGB). Gegenstand des Vertrages zwischen V und B ist die Zurverfügungstellung eines Geldbetrages in Höhe von €5.000 gegen den vereinbarten Zinssatz (§ 488 Abs. 1 BGB). V als Darlehensnehmer ist Verbraucher (§ 13 BGB). Die Bank B als Darlehensgeber ist Unternehmer (§ 14 BGB). Die Entgeltlichkeit des Darlehens folgt aus dem vereinbarten Zins.

2. Der Darlehensvertrag in elektronischer Form stellt eine schriftliche Urkunde dar.

Nein, das ist nicht der Fall!

Die abgegebene Erklärung muss in einer schriftlichen Urkunde abgebildet werden. Erforderlich ist, dass die Schriftzeichen auf einem geeigneten Schreibmaterial dauerhaft verkörpert sind. Die Anfertigung der Urkunde kann mittels Handschrift, Schreibmaschine oder Computer erfolgen. Ein elektronisches Dokument erfüllt diese Voraussetzungen der Urkunde nicht. Dies folgt aus dem Umkehrschluss der Spezialregelungen (§ 126 Abs. 3 BGB, § 126a BGB). Es fehlt an der Verkörperung. Ein elektronisches Dokument ist allein elektronisch gespeichert und nicht körperlich existent. Der Darlehensvertrag ist auf dem iPad allein elektronisch gespeichert und nicht körperlich fixiert.

3. Die handgeschriebene elektronische Unterschrift des V auf dem iPad erfüllt die Anforderungen an § 126 Abs. 1 BGB.

Nein, das trifft nicht zu!

Ein elektronisches Dokument erfüllt mangels Verkörperung nicht die Voraussetzungen einer schriftlichen Urkunde (Umkehrschluss § 126 Abs. 3 BGB, § 126a BGB). Aufgrund dessen ist eine handschriftliche Unterschrift auf einem elektronischen Unterschriftenpad nicht geeignet, den Anforderungen an die Schriftform gerecht zu werden. Eine handschriftliche Unterschrift auf einer schriftlichen Urkunde liegt hier nicht vor.

4. Die Schriftform ist vorliegend jedoch durch die elektronische Form ersetzt worden.

Nein!

Das Gesetz sieht eine Ersetzungsmöglichkeit der Schriftform vor (§ 126 Abs. 3 BGB). Soweit das Gesetz keine andere Regelung trifft, kann die Schriftform durch eine elektronische Form (§ 126 a BGB) ersetzt werden. Die elektronische Schriftform setzt voraus, dass der Aussteller seinen Namen hinzufügt und das elektronische Dokument mittels qualifiziert elektronischer Signatur versehen wird (§ 126a BGB). Die Unterschrift auf dem iPad stellt keine qualifiziert elektronische Signatur dar.

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Melanie 🐝

Melanie 🐝

5.4.2021, 22:13:43

Warum machen das dann trotzdem so viele? zb im Ikea oder o2

Eichhörnchen I

Eichhörnchen I

9.4.2021, 14:54:24

Grundsätzlich können Verträge formfrei geschlossen werden. Darlehensverträge bedürfen aufgrund höherer Risiken ausnahmsweise der Schriftform (Paragraf 492 Abs. 1 BGB). Kaufverträge (Ikea) oder Dienstverträge (Mobilfunkvertrag) sind regelmäßig weniger risikobehaftet, grundsätzlich formfrei und somit auch schnell auf einen iPad abschließbar 😊

felixrubi

felixrubi

30.11.2022, 08:59:53

Ich habe letztens bei der Bank auch auf einem Signatur Pad unterschrieben. Das ist mittlerweile üblich und habe ich auch schon bei Darlehen getan, mein Personalausweis wurde zusätzlich noch kopiert, damit es legitimiert ist.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

30.11.2022, 14:37:19

Hallo felixrubi, vielen Dank für Deinen Hinweis. In der Tat werden Signaturpads mittlerweile in vielen Bereichen eingesetzt. Nach weiterhin geltender Rechtslage können sie aber nicht ohne weiteres die Schriftform ersetzen. Beim „Unterschreiben“ auf einem elektronischen Schreibtablett wird der Schriftzug der aufgezeichneten Unterschrift oftmals nur als elektronisches Bild gespeichert. Dieses Bild kann prinzipiell nachträglich von dem Erklärungstext, auf die sich die Unterschrift bei ihrer Erstellung bezogen hat, getrennt und unter beliebige andere Erklärungen kopiert werden. Dabei handelt es sich dann nur um eine "einfache" elektronische Signatur und keine fälschungssichere "qualifizierte" elektronische Signatur, sodass die Voraussetzungen der elektronische Form nach § 126a BGB nicht erfüllt sind (vgl. OLG München, Schlussurt. v. 4. 6. 2012 − 19 U 771/12 = NJW 2012, 3584 = https://openjur.de/u/498795.html; Schmitz, Signaturpad – Ersatz für Unterschrift?, NVwZ 2013, 410). Anders ist dies nur, wenn zusammen mit der digitalen Unterschrift zugleich eine qualifizierte elektronische Signatur hinterlegt wird, zB bei einer Fernsignatur mit dem Personalausweis (vgl. "On-the-Fly" Signatur mit der Online-Ausweisfunktion: https://www.personalausweisportal.de/Webs/PA/DE/wirtschaft/eIDAS-konforme-fernsignatur/eidas-konforme-fernsignatur-node.html). Die Rechtsfolgen sind aber regelmäßig nicht gravierend. "Normale" Verträge können grundsätzlich formfrei geschlossen werden, sodass es nicht der strengen Form der §§ 126, 126a BGB bedarf. Und selbst beim Verbraucherdarlehensvertrag ist dieser bei fehlender Schriftform nicht gänzlich unwirksam. Vielmehr kann hier durch Auszahlung des Darlehens ein Mangel der Schriftform geheilt werden (§ 494 Abs. 2 BGB). Das hat dann den schönen Nebeneffekt, dass sich uU der Zinssatz des Darlehens verringert ;-) Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team.

felixrubi

felixrubi

30.11.2022, 14:57:09

Danke. 👍🏼

Paulah

Paulah

15.9.2023, 09:14:45

Vielen Dank für die tolle Erklärung! Gerade bei Banken wäre ich im Leben nicht darauf gekommen, dass die nicht alles 100 %ig wasserdicht machen.

REUS04

Reus04

30.3.2023, 20:58:57

Warum stellt die Unterschrift auf dem iPad keine qualifiziert elektronische Signatur dar?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

4.4.2023, 15:52:12

Hallo Reus04, schau Dir hierzu gerne einmal den parallelen Thread an :-) Solltest Du danach noch Fragen haben, dann melde Dich gerne. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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