Klimaprotest: beschmierte Kunst

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klimaprotest

Um für mehr Klimaschutz zu werben, bewirft Aktivistin das Gemälde „Getreideschober“ von Monet im Museum Barberini in Berlin mit Kartoffelbrei. Da das Bild durch eine Glaswand geschützt ist, kann der Brei - wie von A geplant - einfach abgewischt werden.

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Einordnung des Falls

Klimaprotest: beschmierte Kunst

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Durch das Bewerfen des Bildes mit Kartoffelbrei hat A dieses zerstört (§ 303 Abs. 1 StGB).

Nein!

Der objektive Tatbestand der Sachbeschädigung nach § 303 Abs. 1 StGB setzt voraus, dass eine fremde Sache beschädigt oder zerstört wird. Eine Sache ist zerstört, wenn sie auf Grund der Einwirkung in ihrer Existenz vernichtet oder so wesentlich beschädigt ist, dass sie ihre bestimmungsgemäße Brauchbarkeit völlig verloren hat. Das Bild stand im Alleineigentum des Museums und war A fremd. Aufgrund der Glaswand kam das Bild mit dem Kartoffelbrei nicht in Kontakt und wurde insoweit weder vernichtet, noch hat es seine Brauchbarkeit verloren.
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2. Durch das Bewerfen des Bildes mit Kartoffelbrei hat A dieses beschädigt (§ 303 Abs. 1 StGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Die h. M. versteht unter Beschädigen jede Einwirkung auf eine Sache, durch die ihre stoffliche Unversehrtheit nicht unerheblich verletzt (Substanzverletzung) oder ihre bestimmungsgemäße Brauchbarkeit nicht unerheblich beeinträchtigt wird (Brauchbarkeitsminderung).Der Kartoffelbrei konnte ohne weiteres von der Glasscheibe abgewischt werden. Somit liegt allenfalls eine unerhebliche Brauchbarkeitsminderung vor und damit bereits objektiv keine Sachbeschädigung vor.Mangels Tatentschluss scheidet auch die versuchte Sachbeschädigung aus (§§ 303 Abs. 1, Abs. 3, 22, 23 Abs. 1 StGB).Vorsicht vor Abwandlungen! Bei einer vergleichbaren Aktion in London war zwar das Bild durch Glas geschützt. Die eingesetzte Tomatensuppe hatte jedoch den Rahmen des Bildes beschädigt!

3. Durch das Bewerfen des Bildes mit Kartoffelbrei hat A dessen Erscheinungsbild nicht nur unerheblich und nicht nur vorübergehend verändert (§ 303 Abs. 2 StGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Die unbefugte Veränderung des Erscheinungsbilds liegt vor, wenn ohne Zustimmung des Eigentümers der gegenständliche Sache ein von dem bisherigen abweichender Zustand der äußeren Erscheinungsform herbeigeführt wird. Als unerheblich sind dabei Zustandsveränderungen einzustufen, die sich ohne nennenswerten Zeit-, Arbeits- und Kostenaufwand beseitigen lassen. Eine bloß vorübergehende Veränderung liegt vor, wenn sie binnen kurzer Zeit von selbst wieder vergeht (zB durch Regen) oder mit minimalem Aufwand (zB durch bloßes Abwischen) beseitigt werden kann.Durch den Kartoffelbrei wird das Erscheinungsbild des Gemäldes verändert. Allerdings lässt er sich einfach abwischen, sodass lediglich eine unerhebliche und bloß vorübergehende Veränderung des Erscheinungsbildes vorliegt.

4. Durch das Bewerfen des Bildes mit Kartoffelbrei hat A sich aber der gemeinschädlichen Sachbeschädigung (§ 304 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht.

Nein!

Nach § 304 Abs. 1 StGB macht sich strafbar, wer Gegenstände der Kunst, die in öffentlichen Sammlungen aufbewahrt werden oder öffentlich ausgestellt sind, beschädigt oder zerstört.Da durch die Protestaktion Monets Gemälde weder zerstört noch beschädigt wurde, hat A auch nicht den Tatbestand der gemeinschädlichen Sachbeschädigung verwirklicht.Gegenüber der einfachen Sachbeschädigung würde die gemeinschädliche Sachbeschädigung als spezielleres Delikt auf Konkurrenzebene vorgehen.

5. A hat das Museum allein zum Zweck betreten, Monets Gemälde zu beschmieren, wobei sie den Kartoffelbrei versteckt hielt. Hat sie das Museum damit „gegen den Willen“ des Museumsbetreiber betreten und sich des Hausfriedensbruch nach § 123 Abs. 1 StGB strafbar gemacht?

Nein, das ist nicht der Fall!

Gegen den Willen erfordert eine tatsächliche Willensbildung des Berechtigten dahingehend, dem Betreten des Raums durch den Täter nicht zuzustimmen. Ein Einverständnis des Berechtigten schließt dann die Tatbestandsmäßigkeit des Verhaltens aus. Dies gilt nach h.M. auch für das durch Täuschung (über Motiv oder Absichten) erschlichene oder das dem Täter unbekannte Einverständnis. § 123 Abs. 1 StGB stellt auf den tatsächlich geäußerten Willen ab, der gegebenenfalls von dem Willen abweichen kann, den der Hausrechtsinhaber gebildet hätte, wenn er alle Umstände gekannt hätte (hypothetischer Wille).Das Museum war für den Publikumsverkehr geöffnet (ggfs. gegen Erwerb eines Tickets). Sofern As Absichten somit äußerlich nicht erkennbar waren, fehlt es an einem „widerrechtlichen“ Eindringen.Soweit A nach der Aufforderung der Museumsleitung das Museum verlässt (unbefugtes Verweilen ist auch strafbar!), bleibt sie straffrei. Sie muss dann lediglich zivilrechtliche Konsequenzen fürchten (zB Kosten der Reinigung).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

JUS

justlaw

3.7.2023, 09:30:47

Das Museum Barberini ist in Potsdam 😄

AR

Artimes

4.4.2024, 08:38:01

Es wird hier Spezialität von § 304 StGB zu § 303 StGB angenommen. Aber § 304 StGB setzt doch im Gegensatz zu § 303 StGB keine Fremdheit voraus. Wie lässt sich dies mit Spezialität vereinbaren?

TI

Tinki

26.9.2024, 23:06:51

s.o.:)


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