+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

B mietet in der Absicht ein Auto an, dieses über den Hehler H ins Ausland zu verkaufen. A, ein Freund des B, übermittelt dafür, wie zuvor zugesagt, die zur Herstellung falscher Fahrzeugpapiere erforderlichen Daten von B an H. Dafür bekommt er von B einen Lohn ausgezahlt.

Einordnung des Falls

Beihilfe zum Betrug durch Absatzhilfe

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. B hat bei der Anmietung des Autos über Tatsachen getäuscht und dadurch einen Irrtum bei dem Mietwagenverleiher hervorgerufen.

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Ja, in der Tat!

Eine Strafbarkeit wegen Betrugs gem. § 263 Abs. 1 StGB setzt zunächst voraus, dass der Täter durch Vorspiegelung falscher Tatsachen einen Irrtum erregt. Ein Irrtum ist dieFehlvorstellung über Tatsachen, welche kausal auf eine ausdrückliche oder konkludente, auf die Irreführung des anderen gerichtete intellektuelle Einwirkung des Täters zurückzuführen ist (Täuschung). Tatsachen sind dem Beweis zugängliche Ereignisse oder Zustände der Gegenwart oder Vergangenheit. Sie können auch innere Zustände betreffen, die auf Zukünftiges bezogen sind, wie z. B. Absichten, Motive, Überzeugungen, Kenntnisse oder Vorstellungen. B hat unter Vorspiegelung seiner tatsächlich nicht bestehenden Bereitschaft zur späteren Rückgabe ein Auto angemietet und damit beim Mietwagenverleher eine entsprechende Fehlvorstellung gezielt hervorgerufen.

2. Durch die Übergabe des Autos hat der Verleiher über sein Vermögen verfügt, sodass es zu einer Vermögensschädigung gekommen ist (§ 263 Abs. 1 StGB).

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Ja!

Eine Vermögensverfügung i.S.d. § 263 Abs. 1 StGB ist jedes rechtliche oder tatsächliche Handeln, Dulden oder Unterlassen, das unmittelbar zu einer Vermögensminderung führt. Dabei muss die Verfügung kausal auf dem Irrtum beruhen und der Verfügende um den vermögensrelevanten Charakter seines Verhaltens wissen (Verfügungsbewusstsein). Ein Vermögensschaden ist ein negativer Saldo zwischen dem Wert des Vermögens vor und nach der irrtumsbedingten Vermögensverfügung. Geschützt vom Vermögensbegriff ist unumstritten auch der Besitz an einer Sache. Durch die irrige Annahme einer Rückgabebereitschaft des B ging der Verleiher den Mietvertrag ein und duldete die Mitnahme des Autos. Dadurch hat er zumindest den unmittelbaren Eigenbesitz, also die faktische Herrschaftsgewalt an dem Auto, bewusst aufgegeben, ohne dafür kompensiert worden zu sein.Zudem besteht die Gefahr des Eigentumsverlusts durch gutgläubigen Erwerb Dritter (§§ 929, 932 BGB).

3. Für die Erfüllung des subjektiven Tatbestandes genügt es, wenn B vorsätzlich handelte (§ 263 Abs. 1 StGB).

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Nein, das ist nicht der Fall!

Auf subjektiver Ebene ist Vorsatz bezüglich aller objektiven Tatbestandsmerkmale erforderlich. Vorsatz ist das Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung. Darüber hinaus erfordert § 263 Abs. 1 StGB aber noch die Absicht rechtswidriger Bereicherung. Dem Betrüger muss es also gerade auf die eigennützige Bereicherung i.S.d. dolus directus ersten Grades ankommen. Rechtswidrig ist die Zueignung dann, wenn der Täter keinen fälligen und einredefreien Anspruch auf die Leistung hat. B kam es auf die Bereicherung in Form der Besitzgewinnung gerade an, um das Auto weiterveräußern zu können. Der Mietvertrag räumt lediglich eine temporäre Berechtigung ein, sodass der dauerhafte Besitz auch rechtswidrig ist. Ferner handelte B vorsätzlich bzgl. aller objektiven Tatbestandsmerkmale sowie rechtswidrig und schuldhaft. Somit hat er sich des Betruges strafbar gemacht (§ 263 Abs. 1 StGB).

4. A hat sich wegen Beihilfe zum Betrug gem. § 263 Abs. 1 i.V.m. § 27 Abs. 1 StGB strafbar gemacht, indem er die Daten, die H zur Herstellung der falschen Fahrzeugdokumente benötigte, von B an diesen übermittelte.

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Nein, das trifft nicht zu!

Beihilfe im Sinne von § 27 StGB kann nur geleistet werden, solange das Haupttatgeschehen noch nicht vollständig abgeschlossen ist. Nach Beendigung der Haupttat kommt eine strafbare Beihilfe nicht mehr in Betracht. Ein Betrug ist beendet, wenn der Vermögensvorteil beim Täter endgültig eingetreten ist. Maßgeblich ist hierbei die Erlangung des (letzten) vom Tatplan umfassten Vermögensvorteils. BGH: Die Betrugstat war hier auf die Erlangung des Besitzes, nämlich die den Berechtigten ausschließende faktische Herrschaftsgewalt, an dem Mietwagen gerichtet. Diesen Vermögensvorteil hatte B bereits in dem Zeitpunkt erlangt, in dem das Fahrzeug durch das Mietwagenunternehmen herausgegeben worden und dieser damit davongefahren war. Die danach erfolgten Maßnahmen zur Verschleierung der Identität des Fahrzeugs dienten nur noch dazu, die Rückerlangung des Besitzes durch den Berechtigten zu erschweren.

5. A hat sich allerdings wegen Beihilfe zum Betrug strafbar gemacht, indem er im Vorhinein zugesagt hat, bei der für den Absatz ins Ausland erforderlichen Manipulation des Autos mitzuwirken.

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Ja!

Hilfeleisten an einer vorsätzlichen und rechtswidrigen Haupttat i.S.d. § 27 Abs. 1 StGB meint jeden Tatbeitrag, der die Haupttat ermöglicht, erleichtert oder verstärkt. Darunter fallen sowohl physische Unterstützungshandlungen, die sich auf das äußere Tatgeschehen beziehen (sog. Tathilfe), als auch psychische Beihilfehandlungen, die die Begehung der Tat erleichtern oder den Tatentschluss bestärken. A sagte zu, bei der Manipulation des Fahrzeugs durch Übermittlung der relevanten Informationen Hilfe zu leisten und sicherte so für B die gewünschte Verwertbarkeit des Autos und damit das mit dem Betrug verfolgte Fernziel. Darüber hinaus handelte A auch mit Vorsatz sowohl bzgl. der Haupttat des Betruges durch B als auch seiner Beihilfehandlung (sog. doppelter Gehilfenvorsatz) sowie rechtswidrig und schuldhaft.

6. Kann der Teilnehmer an einem Betrug zugleich auch Täter einer nachfolgenden Hehlerei bezogen auf die betrügerisch erlangte Sache sein?

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Genau, so ist das!

Hehler ist, wer eine Sache, die ein anderer gestohlen oder sonst durch eine gegen fremdes Vermögen gerichtete rechtswidrige Tat erlangt hat, ankauft oder sonst sich oder einem Dritten verschafft, sie absetzt oder absetzen hilft, um sich oder einen Dritten zu bereichern (§ 259 StGB). Dabei kann nach h.M. und stRspr. des BGH grundsätzlich auch der Teilnehmer an der Vortat Täter einer Hehlerei sein.Argumente: (1) Für den Teilnehmer der Vortat ist eben diese eine fremde Tat, sodass auch aus seiner Sicht ein anderer die Sache deliktisch erworben hat. (2) Andernfalls würden die strafwürdigsten Fälle von z.B. gewerbsmäßigen Hehlern, die durch eine vorherige Zusage der Abnahme der Beute Beihilfe zum Diebstahl leisten, aus dem Anwendungsbereich des § 259 StGB herausgenommen. (3) Darüber hinaus fehlt es an einem ausdrücklichen Ausschluss, der, sofern er denn vom Gesetzgeber gewollt wäre, so angeordnet würde (vgl. nur § 257 Abs. 3 StGB).

7. Eine Strafbarkeit des A wegen Hehlereis scheidet aber aus, da er für die Teilnahme an der Vortat einen pauschalen Gehilfenlohn erhalten hat (§ 259 Abs. 1 StGB).

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Nein, das trifft nicht zu!

Eine Ablehnung der Strafbarkeit des Teilnehmers der Vortat wegen Hehlerei kommt nach dem BGH lediglich dann in Betracht, wenn der Betroffene unmittelbar am wirtschaftlichen Erfolg der Vortat teilhaben will, etwa im Sinne eines prozentualen „Anrechts“ auf die Beute. A ist Gehilfe des vorangegangenen, durch B begangenen Betruges. Er erstrebte durch die Datenübermittlung allerdings lediglich einen ihm von B zugesagten Gehilfenlohn.

8. A hat durch die Datenübermittlung bei dem Absatz des Autos geholfen und sich insofern wegen Hehlerei gem. § 259 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.

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Ja!

Absatzhilfe ist die Unterstützung des Vortäters beim Absatz der bemakelten Sache, wobei der Absatzhelfer „im Lager“ des Vortäters stehen muss. BGH: A unterstützte durch die Datenübermittlung an H den Absatz des betrügerisch erlangten Fahrzeugs und stand hierbei „im Lager“ nicht der jeweiligen Erwerber, sondern des B als Teilnehmer (Gehilfe) der Vortat. Er handelte außerdem auch vorsätzlich und mit der Absicht rechtswidriger Bereicherung sowie rechtswidrig und schuldhaft.

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