Zivilrecht
Examensrelevante Rechtsprechung ZR
Entscheidungen von 2017
Silberfische in geringem Umfang begründen keinen Sachmangel
Silberfische in geringem Umfang begründen keinen Sachmangel
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
V verkauft K eine Eigentumswohnung unter Ausschluss der Gewährleistung. Die Wohnung ist 19 Jahre alt und seit Errichtung nicht saniert worden. Bei Übergabe leben dort sechs Silberfischchen, was V weiß. Zwei Monate später sind es Hunderte. K wird sie nicht mehr los.
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Einordnung des Falls
Silberfische in geringem Umfang begründen keinen Sachmangel
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Auch wenn die Kaufsache der vertraglich vorausgesetzten Verwendung (§ 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB) entspricht, kann sich K darauf stützen, dass die Wohnung sich nicht zur gewöhnlichen Verwendung eignet (§ 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB).
Nein, das ist nicht der Fall!
Jurastudium und Referendariat.
2. Die von V verkaufte Wohnung weist einen Sachmangel auf, da sie sich nicht für die vom Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet (§ 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB).
Nein, das trifft nicht zu!
3. K kann Rückzahlung des Kaufpreises aus c.i.c. verlangen (§§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2, 249 BGB).
Nein!
4. Trotz Ausschluss der Gewährleistung kann K vom Kaufvertrag zurücktreten (§§ 437 Nr. 2, 323, 346 Abs. 1 BGB), wenn V einen Sachmangel arglistig verschwiegen hat.
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
- tsch
3.10.2021, 18:03:56
Hallo:) Wäre es nicht möglich unter den Mangel nach 434 I 2 Nr 1 die 6 Silberfischchen als Anlage/Ursache bereits bei GÜ für die spätere Unbewohnbarkeit zu sehen? Oder war die Wohnung trotz dessen auch später bewohnbar? Liebe Grüße!
Lukas_Mengestu
4.10.2021, 13:31:10
Hallo tschali, daran könnte man durchaus denken. In den Sinn kommen dabei vor allem die Konstellationen des sog.
Weiterfresserschadens, also der Situation in der ein anfänglicher kleiner Schaden zur weiteren Beschädigung des Kaufgegenstandes führt. Hier ist aber zu berücksichtigen, dass die anfängliche Population gerade keinen Mangel darstellt. Das Gericht hat zudem maßgeblich darauf abgestellt, dass die weitere Vermehrung der Tierchen maßgeblich durch Umwelteinflüsse begünstigt wurde, die von der Klägerin selbst gesetzt wurden (u.a. nicht ausreichende Belüftung, eingebrachte Feuchtigkeit, erhöhte Außentemperatur). Insofern lag die große Population weniger an den ursprünglich vorhandenen Tierchen, als vielmehr an den von der Klägerin geschaffenen Umweltbedingungen. Auch dies spricht dafür, die ursprünglich vorhandenen Tierchen nicht als angelegter Mangel einzuordnen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Blackpanther
21.3.2022, 11:26:45
Wie wäre die Entscheidung, dass das Vorliegen der vertraglich vorausgesetzten Verwendung (§ 434 II 1 Nr. 2 nF) einen Mangel an der gewöhnlichen Beschaffenheit (§ 434 III 1 Nr. 1 nF) ausschließt nach der Kaufrechtsreform zu beurteilen? M.E. kann die objektive Mangelfreiheit einen subjektiven Mangel jetzt nicht mehr ausschließen (vgl. § 434 I nF). Einzige Ausnahme: § 434 III 1 nF: "soweit nichts anderes *vereinbart*", was mE nur die
Beschaffenheitsvereinbarungund nicht die vorausgesetzte Verwendung betrifft.
Blackpanther
21.3.2022, 11:37:52
Beispiel: V verkauft Künstler K ein
fahruntüchtiges Auto, dass K für eine Skulptur benötigt. K hat keine Kenntnis von der
fahruntüchtigkeitund es liegt keine
Beschaffenheitsvereinbarungvor. Das Vorhaben des K war V bekannt, weshalb ihn wohl keine Aufklärungspflicht trifft. Später verlangt K Schadenersatz, weil er das Auto nun doch fahren möchte. Liegt ein Mangel vor?
Lukas_Mengestu
23.3.2022, 14:29:42
Hallo Blackpanther, nach Ansicht von Weidenkaff geht auch nach der Novellierung die subjektiv vorausgesetzte Verwendung vor (Weidenkaff, in: Grüneberg, BGB, 81. 2022, § 434 RdNr. 25). Unter Verweis auf den Wortlaut lässt sich nun aber sehr gut argumentieren, dass lediglich eine explizite
BeschaffenheitsvereinbarungVorrang vor den objektiven Anforderungen hat. Dafür sprechen letztlich auch die besonderen Voraussetzungen, die für den Verbrauchsgüterkauf hinsichtlich negativer
Beschaffenheitsvereinbarungen festgelegt wurden (§ 476 Abs. 1 S. 2 BGB). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
MarieCW
30.11.2022, 12:28:45
Es ist meiner Kenntnis nach nicht richtig, dass eine nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung den Rückgriff auf den Auffangtatbestand (gewöhnliche Verwendung) grundsätzlich ausschließt (so scheint es in der Erklärung einer Frage aber zu sein). Hier muss differenziert werden. Es kommt auf die jeweilige Verwendung an. Es kann eine bestimmte Verwendung vorausgesetzt werden - die dann auch vorliegt. Aufgrund einer ANDEREN, nicht gewöhnlichen Verwendung kann die Sache dann trotzdem mangelhaft sein. Bsp: Die Parteien setzen voraus, dass ein Stift sich auch dazu eignet, als Laserpointer verwendbar zu sein. Jetzt schreibt der Stift aber nicht und eignet sich deswegen nicht für die gewöhnliche Verwendung ,schreiben‘. So pauschal kann man das also meiner Meinung nach nicht behaupten.
MarieCW
30.11.2022, 12:30:52
Aufgrund der konkreten nach dem Vertrag vorausgesetzten Verwendung kann die Sache dann nicht mehr wegen einer fehlenden gewöhnlichen Verwendung mangelhaft sein. Nur zur Klarstellung :-)
Lukas_Mengestu
9.12.2022, 10:56:16
Hallo Marie, vielen Dank für die Nachfrage. Hier muss man etwas differenzieren. Wenn im Vertrag wirksam „nur“ eine bestimmte Verwendung vereinbart wird, dann ist es durchaus unschädlich, wenn der Gegenstand sich dann nicht für die gewöhnliche Verwendung eignet (vgl. Weidenkaff, in: Grüneberg, BGB, 81.A. 2022, § 434 RdNr. 25; Staudinger/Annemarie Matusche-Beckmann (2013) BGB § 434, Rn. 82 f.). Beispiel: A verkauft über Ebay ein Bastlerfahrrad, das als Ersatzteillager dienen und nicht mehr zum Fahren dienen soll. Dass das Fahrrad sich nicht für die gewöhnliche Verwendung (Fortbewegungsmittel) eignet, ist hier unerheblich und begründet keinen Mangel. Der von Dir gebildete Fall liegt dabei etwas anders, da eben nicht vereinbart war, dass sich der Stift „nur“ als Laserpointer verwenden lässt, sondern er „auch“ diese Funktion haben soll. Deshalb kann man in Deinem Beispiel in der Tat auf den Auffangtatbestand des § 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB zurückgreifen, wenn bezüglich der normalen Verwendung keine Absprache erfolgt ist. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team