Schadensersatz, §§ 989,990 I BGB - Bösgläubigkeit bei Besitzerwerb


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Autofreak A kauft von Gebrauchtwagenhändler G einen Porsche. G akzeptiert nur Barzahlung und händigt dem A den Kfz-Brief nicht aus. Kurz darauf baut A damit fahrlässig einen Unfall, durch den der Motor beschädigt wird. Dabei stellt sich heraus, dass das Auto B gestohlen wurde.

Einordnung des Falls

Schadensersatz, §§ 989,990 I BGB - Bösgläubigkeit bei Besitzerwerb

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. B könnte gegen A einen Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 989, 990 BGB haben.

Ja!

Die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch aus §§ 989, 990 BGB sind (1) das Vorliegen einer Vindikationslage, (2) Verschlechterung, Untergang oder sonstige Unmöglichkeit der Herausgabe, (3) Bösgläubigkeit des A, (4) ein Verschulden des A und (5) ein Schaden bei B.

2. Zum Zeitpunkt des Unfalls liegt keine Vindikationslage vor.

Nein, das ist nicht der Fall!

Eine Vindikationslage liegt vor, wenn ein Herausgabeanspruch besteht (§ 985 BGB). Dieser setzt voraus, dass (1) der Anspruchsteller Eigentümer und (2) der Anspruchsgegner Besitzer (3) ohne Recht zum Besitz (§ 986 BGB) ist. A und G haben sich zwar über den Eigentumswechsel an dem Porsche geeinigt und diesen auch übergeben (§ 929 S. 1 BGB). Da dieser der B jedoch zuvor abhandengekommen ist, ist ein Eigentumserwerb durch A ausgeschlossen (§ 935 Abs. 1 BGB). A war Besitzer. Ein dingliches Besitzrecht vermittelt der Kaufvertrag nicht, zudem besteht mangels Vertragsverhältnisses kein relatives Besitzrecht gegenüber B.

3. Eine Verschlechterung, der Untergang oder die sonstige Unmöglichkeit der Herausgabe der Sache ist eingetreten.

Ja, in der Tat!

Der Motorschaden am Porsche stellt eine Verschlechterung der Sache dar.

4. War A gutgläubig?

Nein!

Nach § 990 Abs. 1 S. 1 BGB haftet der Besitzer, wenn er im Zeitpunkt des Besitzerwerbs nicht in gutem Glauben war. Nicht in gutem Glauben ist er, wenn ihm bekannt oder in Folge grober Fahrlässigkeit unbekannt war, dass ihm das Besitzrecht nicht zusteht (vgl. § 932 Abs. 2 BGB). A hatte zwar keine positive Kenntnis davon, dass der Porsche nicht dem G gehört und er dementsprechend auch kein Besitzrecht erwerben konnte. Allerdings hatte er eine Nachforschungspflicht aufgrund der Umstände, dass G nur Barzahlung akzeptiert und den Kfz-Brief nicht ausgehändigt hat. Er handelte daher grob fahrlässig und war somit bösgläubig.

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SAUFE

Saufen_Fetzt

2.7.2023, 16:08:13

Am besten im SV nochmal klarstellen, dass A bezahlt hat und den Brief trotzdem nicht bekommen hat. Für mich hat sich das so dargestellt (lebensnah), dass A vor Ort (dir ihn überraschend) erfährt, dass er bar zahlen muss (was beim Gebrauchtwagenkauf leider Standard ist) und dann der G ihm das Auto schon mal mitgibt, ihm die Papiere aber erst geben will, wenn voll in Cash bezahlt.

AN

An

4.12.2023, 17:00:42

Ging mir genauso wie dir @[Saufen_Fetzt](393)

Paulah

Paulah

10.8.2023, 12:13:04

Ich verstehe nicht, warum die Aussage, dass keine

Vindikationslage

vorliegt, falsch ist. A ist nicht Eigentümer

Paulah

Paulah

10.8.2023, 12:18:52

Arrgh! Ich habe die Buchstaben mal wieder durcheinander gebracht! Es geht ja um B

Blan

Blan

1.9.2023, 11:41:20

Ich finde es ziemlich schwer so pauschal zu unterstellen, dass lediglich aufgrund von Barzahlung die Gutgläubigkeit ausgeschlossen wird. Meiner Meinung nach fehlen noch weitere zutreffende Gegebenheiten, um das auch tatsächlich annehmen zu können (z.B. Kauf nachts im abgelegenem Gewerbegebiet , viel zu geringer Kaufpreis …usw.). Es gibt schließlich auch Rechtsprechung dazu, dass das allein als Indiz nicht ausreicht s. BGH (Urteil vom 18. September 2020 – V ZR 8/19).

Blan

Blan

1.9.2023, 11:50:34

Vor allem handelt es sich bei der Barzahlung schließlich auch um ein erlaubtes Zahlungsmittel. Da braucht es doch mehr als das, damit die Gutgläubigkeit erschüttert wird.

LAY

Lay

1.9.2023, 15:28:28

Es geht hier ja vor allem auch darum, dass der Käufer den Kfz-Brief nicht erhalten hat. Dieser Umstand in Kombination mit Barzahlung ist schon ziemlich verdächtig, da hätte der Käufer noch weitere Nachforschungen anstellen müssen

LELEE

Leo Lee

2.9.2023, 12:21:34

Hallo Blan und Lay, In der Tat ist es “zu weit gegriffen”, allein aufgrund der Barzahlung eine grobe Fahrlässigkeit i.S.d. § 932 II BGB anzunehmen. Wie jedoch Lay zutreffend angemerkt hat, ist hier der Fokus der fehlende KfZ-Brief (beachte, dass dieser mittlerweile Zulassungsbescheinigung Teil II heißt). Denn wenn ein KfZ-Brief (wo die Eigentumsverhältnisse eingetragen sind) fehlt, dann begründet dies beim Autoverkauf eine grobe Fahrlässigkeit, außer wenn er täuschend echt gefälscht wurde. Vorliegend hätte also der Käufer merken können, dass etwas nicht stimmt, da ein KfZ-Brief nicht übergeben wurde. Dies dann i.V.m. mit der Barzahlung eines sehr teuren Autos begründet die grobe Fahrlässigkeit. Hierzu kann ich die Lektüre von MüKo-BGB 9. Auflage, Oechsler § 932 Rn. 55 ff. sehr empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

STE

StellaChiara

26.2.2024, 13:39:28

der gute Glaube bei 932 ii bgb muss sich doch auf das eigentum beziehen und nicht auf das Besitzrecht, oder?

DO

Domenic

1.3.2024, 18:39:47

Es wird nur die Formel herangezogen, § 932 darf nicht zitiert werden in der Klausur. Das ist hier etwas unglücklich geworden, aber didaktisch sinnvoll.

BL

Blotgrim

7.7.2024, 10:51:54

Zudem geht es bei den §§ 987 ff. um das Besitzrecht. Man will ja zum Beispiel den Besitzer schützen der sich aufgrund eines nichtigen Mietvertrages für den berechtigten Besitzer hält. Diesem wird klar sein dass er nicht Eigentümer ist, er wird aber davon ausgehen, dass er zum Besitz berechtigt ist und dieses Vertrauen soll durch die §§ 987 ff. geschützt werden, weshalb es auf die Gutgläubigkeit bezüglich des Besitzrechts ankommt


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