Zivilrecht

Sachenrecht

Vindikation & Eigentümer-Besitzer-Verhältnis

Fremdbesitzerexzess, § 991 Abs. 2 BGB - Dreipersonenverhältnis

Fremdbesitzerexzess, § 991 Abs. 2 BGB - Dreipersonenverhältnis

19. Januar 2025

31 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Ein Bild auf dem ein Krokodil Welpen verspeist, weil ein Zoowärter vergessen hat illustriert ein Fallbeispiel zum Fremdbesitzerexzess, § 991 Abs. 2 BGB - Dreipersonenverhältnis
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Klassisches Klausurproblem

Tierhändler T leiht dem unerkannt geisteskranken G 10 Welpen. In einem klaren Moment gibt G diese bei der Zoowärterin Z gegen Entgelt in Verwahrung. Sie platziert die Welpen in einem Raum neben den Krokodilen und lässt aus Unachtsamkeit die Tür offen. Die Krokodile freuen sich über den Snack.

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Einordnung des Falls

Fremdbesitzerexzess, § 991 Abs. 2 BGB - Dreipersonenverhältnis

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Zum Zeitpunkt als die Krokodile die Welpen verspeisten, bestand eine Vindikationslage zwischen T und Z.

Genau, so ist das!

Dazu musste ein Vindikationsanspruch vorliegen. Dieser setzt voraus, dass (1) der Anspruchsteller Eigentümer und (2) der Anspruchsgegner Besitzer (3) ohne Recht zum Besitz (§ 986 BGB) ist. T war Eigentümer der Welpen. Z hatte die tatsächliche Sachherrschaft über die Welpen, mithin den Besitz an ihnen. Mangels Vertragsverhältnisses bestand kein direktes Besitzrecht gegenüber T. Es kommt allenfalls ein abgeleitetes Besitzrecht in Betracht. Da der Leihvertrag jedoch aufgrund der Geschäftsunfähigkeit des G nichtig ist, besteht kein berechtigter Besitz, von dem Z ihr Besitzrecht ableiten könnte. Eine Vindikationslage bestand also.
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2. T hat gegen Z einen Schadensersatzanspruch aus §§ 989, 990 Abs. 1 BGB.

Nein, das trifft nicht zu!

Die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch aus §§ 989, 990 BGB sind (1) das Vorliegen einer Vindikationslage, (2) Verschlechterung, Untergang oder sonstige Unmöglichkeit der Herausgabe, (3) Bösgläubigkeit, (4) Verschulden des Anspruchsgegners und (5) ein Schaden beim Anspruchssteller. Die Vindikationslage und der Untergang der Sache liegen vor. Allerdings wusste Z nichts von der fehlenden Berechtigung des G und musste dies auch nicht wissen. Daher war sie bezüglich ihres Besitzrechts gutgläubig. Ein Anspruch nach §§ 989, 990 Abs. 1 BGB scheidet deshalb aus.

3. Sofern der Besitzer gutgläubig ist, scheiden Schadensersatzansprüche nach dem EBV immer aus.

Nein!

Grundsätzlich soll der redliche und unverklagte Besitzer durch das EBV geschützt werden und nicht haften. Eine Ausnahme statuiert allerdings § 991 Abs. 2 BGB. Demnach haftet der gutgläubige Besitzer dem Eigentümer gegenüber, soweit er auch dem mittelbaren Besitzer gegenüber haften würde.

4. Hat T gegen Z einen Anspruch auf Schadensersatz aus § 991 Abs. 2 BGB?

Genau, so ist das!

Die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch aus §§ 991 Abs. 2, 989 BGB sind (1) das Vorliegen einer Vindikationslage, (2) die Redlichkeit des Besitzers, (3) das Vorliegen eines Besitzmittlungsverhältnisses und (4) die Verantwortlichkeit gegenüber dem mittelbaren Besitzer. Die Vindikationslage besteht. Z war gutgläubig und ein Besitzmittlungsverhältnis liegt durch die Verwahrung vor. Z würde dem G aus dem Verwahrungsvertrag (§ 688 BGB) wegen Unmöglichkeit der Rückgabe der Welpen (§§ 695, 275 BGB) nach §§ 280 Abs. 1 und 3, 283 BGB auf Schadensersatz haften. Somit kann auch T in gleichem Maße nach §§ 989, 991 Abs. 2 BGB von Z Schadensersatz verlangen. Hier muss also inzident der vertragliche Anspruch von G gegen Z geprüft werden.Denk daran: Wenn ein grundsätzlich geschäftsunfähiger Volljähriger vorübergehend bei Sinnen und voll geschäftsfähig ist (sog. lucidum intervallum), sind Willenserklärungen, die er in solchen Momenten abgibt – wie hier auf Abschluss des Verwahrungsvertrag –, rechtswirksam.

5. Z haftet auch aus Deliktsrecht nach den §§ 823 ff. BGB.

Nein, das trifft nicht zu!

Durch § 993 Abs. 1 Hs. 2 BGB sind über das EBV hinausgehende Schadensersatzansprüche grundsätzlich ausgeschlossen. Eine Ausnahme hiervon stellt nach h.M. § jurafuchs.de/schema/jqy024d/sittenwidrige-schaedigung-%C2%A7-826-bgb" class="underline">826 BGB dar, da der vorsätzlich und sittenwidrig handelnde Schädiger keinen Schutz verdiene. Eine vorsätzliche Schädigung liegt jedoch nicht vor.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Jurakatze1987

Jurakatze1987

23.4.2022, 23:29:45

Schauderhafte Geschichte. Bitte nicht mehr so etwas schreiben 😫.

EH

Ehrenmanntheorie

24.4.2022, 11:59:39

§ 993 I BGB ist doch dem Wortlaut nach nur anwendbar, wenn die Vss. Der §§ 987 -

992 BGB

nicht vorliegen. Wenn nun ein Fall von §

991 II BGB

vorliegt, wieso gilt dann der Ausschluss des Schadensersatzes nach § 993 I Hs. 2 BGB?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

25.4.2022, 12:47:11

Hallo

Ehrenmanntheorie

, die Regelungen des EBV enthalten grds. abschließende Sonderregelung sowohl der Ansprüche des Eigentümers gegen den unberechtigten Besitzer (vgl. § 993 Abs. 1 Hs. 2 BGB - "im Übrigen"), als auch des Besitzers gegen den Eigentümer (vgl.

§ 996 BGB

- "nur insoweit"). Konkurrenzrechtlich sperren die Regelungen des EBV also im Grundsatz den Rückgriff auf das Deliktsrecht. § 993 Abs. 1 BGB besagt insoweit nur, dass letztlich keine Schadensersatzhaftung des redlichen, unverklagten Besitzers besteht, wenn die Voraussetzungen der §§ 987 ff. BGB vorliegen. Aber auch wenn deren Voraussetzungen vorliegen, so ändert dies nichts daran, dass darüber hinausgehende Ansprüche ausgeschlossen bleiben. Beste Grüße, Lukas - für das

Jurafuchs

-Team

BE

Bioshock Energy

14.8.2023, 12:36:00

Hallo, Warum ist ein verwahrungsvertrag zw. G und Z zustande gekommen? Geschäftsunfähige können doch keine Verträge schließen, außer es handelt sich um Geschäfte des alltäglichen Lebens. Wenn der Leihvertrag zwischen T und G unwirksam ist wieso sollte dann der Verwahrungsvertrag zwischen G und Z wirksam sein? Das könnte doch nur der Fall sein, wenn man der Meinung ist der lucidum intervallum berechtigt zur Abgabe von wirksamen Willenserklärungen. Dies lässt sich meines Wissens nach aber nicht in der Praxis bestätigen. Zumindest diskutiert werden müsste der lucidum intervallum in der Falllösung. Liebe Grüße

EVA

evanici

16.9.2023, 13:43:17

Vielleicht sollte er einfach nicht als

unerkannt Geisteskrank

er beschrieben werden, sondern als jemand i.S.d. § 105 II F. 2...

AN

An

4.12.2023, 17:38:59

Die Frage habe ich mir auch gestellt @[Bioshock Energy](207759) Wieso meinst Du @[evanici](214760) , dass es einen Unterschied macht, wenn statt einem

unerkannt Geisteskrank

en eine Person nach § 105 II F. 2 handeln würde? Dann wäre der Verwahrungsvertrag doch auch nichtig ("Nichtig ist auch eine Willenserklärung, die im Zustand der Bewusstlosigkeit oder vorübergehender Störung der Geistestätigkeit abgegeben wird.") und kein Verwahrungsvertrag zu Stande gekommen oder?

CR7

CR7

21.1.2024, 11:19:03

Der Verwahrungsvertrag wurde *in einem klaren Moment* geschlossen. Dann besteht ein Handlungswille und ein Erklärungsbewusstsein. Es handelt sich um einen sog. "lichten Moment". Somit ist die Willenserklärung dann wirksam und ein Vertrag zustande gekommen!

Wendelin Neubert

Wendelin Neubert

18.6.2024, 09:40:50

Hallo @[Bioshock Energy](207759), @[evanici](214760) und @[An](25211), danke für Eure Fragen: @[CR7](145419) hat die Antwort geliefert. Die Erklärung findet sich auch im Vertiefungshinweis zur vierten Frage der Aufgabe. Beste Grüße - Wendelin für das

Jurafuchs

-Team

EVA

evanici

16.9.2023, 13:49:31

Das heißt, die

Leihe

stellt ein BMV dar, obwohl der Leihvertrag wegen der Geschäftsunfähigkeit des G unwirksam ist. Das ist also der Fall eines "vermeintlichen" BMVs, das ausreichend ist?

MAX06

max06

16.12.2023, 20:39:36

Das BMV muss nicht tatsächlich wie eine WE wirksam sein, sondern ist eher ein tatsächliches Verhältnis mit einem natürlichen Willen

HannaHaas

HannaHaas

3.10.2023, 13:55:59

Wieso würde Z dem G aus dem Verwahrungsvertrag nach §§ 280 I, III,283 BGB auf Schadensersatz haften und nicht aus §§ 280 I, 241 II BGB haften? Ich verstehe es nicht..und würde mich echt über jede Hilfe freuen... Danke!:)

Nora Mommsen

Nora Mommsen

3.10.2023, 15:10:55

Hallo Rebecca Haas, danke für deine Frage. Ein Anspruch nach §§ 280 I, 241 II BGB entsteht bei Verletzung einer vertraglichen

Nebenpflicht

. Beim Verwahrungsvertrag ist aber die Aufbewahrung der Sache in ordnungsgemäßer Weise, also schadensfrei eine Hauptpflicht des Vertrages. Daher richtet sich der Schadensersatz nach §§ 280 I, III, 283 BGB. Beste Grüße, Nora - für das

Jurafuchs

-Team

HannaHaas

HannaHaas

3.10.2023, 15:53:51

Oh ja stimmt! Vielen Dank Nora! :)

Rechthaber

Rechthaber

10.6.2024, 16:08:24

Könnt ihr vllt noch auf eine etwaige haftungspriviligierung eingehen. ich gehe mal davon aus, dass hier eine entgeltliche Verwahrung angenommen wird wegen § 689 BGB, ansonsten würde es mit der Falllösung nicht übereinstimmen oder ?

Wendelin Neubert

Wendelin Neubert

18.6.2024, 09:36:53

Danke für Deine Nachfrage @[Rechthaber](162337). Genau, es lässt sich nach den Umständen des Falles eine entgeltliche Verwahrung wegen § 689 BGB annehmen, weil die Unterbringung von 10 Welpen bei einer Zoowärterin im Zoo (siehe Illustration) nach den Umständen nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Der Klarheit halber haben wir den Sachverhalt aber nun noch dahingehend ergänzt, dass die Verwahrung gegen Entgelt erfolgt ist. Dies hat zur Folge, dass die Haftungsprivilegierung des §

690 BGB

nicht eingreift. Folglich haftet der

Schuld

ner hier wie gewöhnlich für

Vorsatz

und Fahrlässigkeit. Hoffe das hilft! Beste Grüße - Wendelin für das

Jurafuchs

-Team

MAG

Magie99Capona

22.6.2024, 22:36:38

es wird in der Subsumtion bei der letzten frage nur darauf abgestellt das sie nicht vorsätzlich handelt aber könnte man nicht schon sagen das sie grob fahrlässig handelt? und wenn ich das richtig im kopf habe reicht das doch für 823 aus oder?

FL

Flohm

25.6.2024, 12:30:47

§823 ist aufgrund der

Sperrwirkung des EBV

gesperrt (jedenfalls grds., gibt aber Ausnahmen) gem. §993 I a.E. §

826

ist nicht gesperrt, weil der vorsätzliche Handelnde als nicht schutzwürdig angesehen wird. Grobe Fahrlässigkeit reicht für §

826

nicht aus. Hoffe ich konnte helfen. :)

TO

TomBombadil

2.10.2024, 21:57:02

Ich glaube ich stehe gerade auf dem Schlauch ... Mag mir vielleicht noch einmal jemand erläutern, warum eine Vindikationslage zwischen T und Z vorliegt? Ist die Z nicht nur Besitzdienerin, weil sie für den G die Welpen verwahrt, und damit gerade keine Besitzerin?

BE

Bioshock Energy

9.10.2024, 11:04:07

Haftet Z dann doppelt (einmal gegenüber T und einmal gegenüber G) oder wird der eigentlich bestehende Anspruch des G gegen Z direkt auf T per Legalzession gem. §

991 II

übertragen?

Michael Preiherr

Michael Preiherr

15.1.2025, 00:58:32

Das ist eine Art Fiktion, du prüfst einen hypothetischen Anspruch, der dann in gleicher Höhe besteht

paulmachtexamen

paulmachtexamen

8.12.2024, 13:16:09

Haftete denn auch der

unerkannt geisteskrank

e G aus EBV?

lotti.brnd

lotti.brnd

18.1.2025, 11:26:52

Vielen Dank für den anschaulichen Fall und die Zeichnung🥰

MAG

Magnum

28.1.2025, 10:44:32

Wie würde denn der Fall verlaufen, sofern auch das Besitzmittlungsverhältnis zwischen G und Z unwirksam wäre? Würde sich dann der Haftungsmaßstab nach dem des vorgestellten Besitzmittlungsverhältnisses richten?

PK

P K

29.1.2025, 21:52:22

Halte ich für überzeugend, wenn man § 991 Abs. 2 BGB dahin versteht, dass er verhindern soll, dass der Besitzer besser stünde als er stünde, wenn seine Vorstellung vom Bestehen des Besitzrechts (ansonsten ohnehin bösgläubig) zuträfe. Ist aber streitig (BeckOK-BGB, § 991 Rn. 19).


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