Zivilrecht

Sachenrecht

Vindikation & Eigentümer-Besitzer-Verhältnis

Schadensersatz, §§ 989,990 I BGB - Nachträgliche Bösgläubigkeit

Schadensersatz, §§ 989,990 I BGB - Nachträgliche Bösgläubigkeit

19. Mai 2025

13 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K kauft von V am 10.03.2021 einen pinken Porsche. Nach einigen Wochen erfährt er, dass seiner Nachbarin N am 08.03.2021 genau ein solcher Porsche gestohlen wurde. Dennoch nutzt er das Auto weiterhin und baut kurz darauf einen Unfall. Der Porsche gehört tatsächlich N.

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Einordnung des Falls

Schadensersatz, §§ 989,990 I BGB - Nachträgliche Bösgläubigkeit

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. N könnte gegen K einen Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 989, 990 BGB haben.

Genau, so ist das!

Die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch aus §§ 989, 990 BGB sind (1) das Vorliegen einer Vindikationslage, (2) Verschlechterung, Untergang oder sonstige Unmöglichkeit der Herausgabe, (3) Bösgläubigkeit, (4) Verschulden des Anspruchsgegners und (5) ein Schaden beim Anspruchssteller.
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2. Zum Zeitpunkt des Unfalls liegt keine Vindikationslage vor.

Nein, das trifft nicht zu!

Eine Vindikationslage liegt vor, wenn ein Herausgabeanspruch besteht (§ 985 BGB). Dieser setzt voraus, dass (1) der Anspruchsteller Eigentümer und (2) der Anspruchsgegner Besitzer (3) ohne Recht zum Besitz (§ 986 BGB) ist. K und V haben sich zwar über den Eigentumswechsel an dem Porsche geeinigt und diesen auch übergeben (§ 929 S. 1 BGB). Da dieser der N jedoch zuvor abhandengekommen ist, ist ein Eigentumserwerb durch K ausgeschlossen (§ 935 Abs. 1 BGB). K war Besitzer. Ein dingliches Besitzrecht vermittelt der Kaufvertrag nicht. zudem besteht mangels Vertragsverhältnisses kein relatives Besitzrecht gegenüber N.

3. War K beim Erwerb des Wagens bösgläubig?

Nein!

Die Bösgläubigkeit nach § 990 Abs. 1 S. 1 BGB setzt zumindest grobe Fahrlässigkeit voraus (vgl. § 932 Abs. 2 BGB). Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die erforderliche Sorgfalt in besonders hohem Maße verletzt ist. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass K durch besondere Verdachtsmomente zum Zeitpunkt des Erwerbs eine Nachforschungspflicht hatte. Insbesondere wusste er zu diesem Zeitpunkt noch nicht von dem Diebstahl bei N. Er war daher beim Kauf des Porsches in gutem Glauben.

4. N kann von K Schadensersatz aus §§ 989,990 BGB verlangen, weil K durch die spätere Kenntnis von dem Diebstahl bösgläubig wurde.

Nein, das ist nicht der Fall!

Anders als bei der Bösgläubigkeit beim Besitzerwerb (§ 990 Abs. 1 S. 1 BGB) kommt eine nachträglichen Bösgläubigkeit nur bei positiver Kenntnis des Mangels am Besitzrecht in Betracht (§ 990 Abs. 1 S. 2 BGB). Zwar boten sich dem K nachträglich dadurch Verdachtsmomente, dass er von dem Diebstahl bei N erfuhr. Das Ignorieren dieser Umstände stellt allerdings lediglich eine (grob) fahrlässige Handlung dar. Er hatte keine positive Kenntnis davon, dass der Porsche tatsächlich der N gehört und somit auch nicht von dem Mangel seines Besitzrechts.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

BL

Blotgrim

20.11.2022, 10:33:06

Das "grob" in Klammern ist etwas verwirrend, da es ja durchaus einen Unterschied macht, ob ich fahrlässig oder grob fahrlässig handel. Bei grober Fahrlässigkeit würde hier ja

Bösgläubig

keit vorliegen, es braucht nicht zwingend eine positive Kenntnis Lg

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

22.11.2022, 14:51:55

Hallo Blotgrim, hier musst Du etwas aufpassen. Liegt bei Erwerb des Besitzes grobe Fahrlässigkeit vor, so ist der Erwerber in der Tat

bösgläubig

(§ 990 Abs. 1 S. 1 BGB). Anders ist dies, wenn die

grob fahrlässige Unkenntnis

erst später eintritt. Hier kommt es nur dann zu einer Haftung, wenn der Besitzer positive Kenntnis erlangt (§ 990 Abs. 1 S. 2 BGB). Hier ist dann also die Unterscheidung zwischen "normaler" und "grober" Fahrlässigkeit egal. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Dogu

Dogu

10.12.2023, 19:42:16

Auch Autos von Porsche sind Massenprodukte. Nur weil meinem Nachbarn ein ähnliches Auto gestohlen wurde, führt das noch nicht zur Annahme grober Fahrlässigkeit. Es ist nicht ersichtlich, dass es sich um ein seltenes Modell, eine sehr seltene Lackierung, Sonderausstattung o.Ä. handelt.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

13.12.2023, 20:47:36

Danke für den Hinweis, Dogu. Wir haben den Sachverhalt hier ein wenig ergänzt, um es noch etwas deutlicher zu machen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

AM

amélie

8.1.2024, 15:45:23

Ich verstehe nicht, wieso eine

Vindikationslage

besteht. Es ist ja lediglich geschrieben, dass N auch einen solchen Wagen fährt, aber damit ist nicht gesagt, dass der Wagen vom K der von der N ist, oder? Wäre da dann nicht zu viel reininterpretiert worden?

MAH

Marvin Hort

30.1.2024, 18:26:19

Hallo amélie, aus dem Sachverhalt ergibt sich am Ende noch, dass der Wagen tatsächlich der N gehört. Aufgrund dessen, dass N der Wagen

abhandenkommen

ist (vgl. § 935 Abs. 1 BGB), ist sie weiterhin Eigentümerin geblieben. K ist hier im Besitz der Sache, hat aber kein Recht zum Besitz. Deshalb besteht die

Vindikationslage

.

Artur Schönhals

Artur Schönhals

2.2.2024, 09:49:53

Hallo, tatsächlich wäre es in diesem Fall angebracht zusagen, dass dem K beim Kauf ein Fahrzeugschein II gezeigt wurde, um die

Vindikationslage

eindeutig auszuschließen, jedoch werden hier auch keine Argumente dagegen gebracht. Es geht hier im Wesentlichen um 990 1 S. 2 und darum, dass das schädigende Ereignis erst eingetreten ist, als der K von seiner ,,potentiellen“ Nicht-Eigentümerstellung erfahren hat.

Vincent

Vincent

5.12.2024, 14:26:53

Hier ist die richtige Antwort "Nein". Diese muss aber quasi geraten werden, da nicht ersichtlich ist, ob die Zulassungsbescheinigung übergeben wurde. Eine nicht Übergabe dieser schließt die Gutgläubigkeit ja regelmäßig aus. Durch die Angaben im SV - später stellt sich heraus, dass das auto geklaut war - ist auch eher davon auszugehen, dass diese nicht übergeben wurde, da ein Auto wohl selten mitsamt Zulassungsbescheinigung geklaut wird. Eine Ergänzung, dass die Bescheinigung übergebe wurde würde die Aufgabe eindeutiger gestalten.

BEN

benjaminmeister

28.2.2025, 22:28:32

Ich stimme dir hier voll und ganz zu. Die Zulassungsbescheinigung dürfte bei einem geklauten Auto hier eher nicht übergeben worden sein und deshalb die

Bösgläubig

keit vorliegen. Außerdem könnte man dann auch diskutieren, ob sich die fehlende Eigentümerstellung des Veräußerers durch das Fehlen der Zulassungsbescheinigung und dass der Nachbarin auch ein pinker Porsche geklaut wurde, soweit aufdrängt, dass man doch schon die positive Kenntnis bzgl. des fehlenden

Besitzrecht

es bejahen muss. Am besten tauscht man das Auto im vorliegenden Fall einfach durch eine andere bewegliche Sache aus…


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