Vorbehaltseigentum als „ein die Veräußerung hinderndes Recht“


+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Lernplan ZR Zwangsvollstreckungsrecht (100%)

D verkauft S ein Fahrrad. Sie vereinbaren Ratenzahlung. Bis zur Zahlung der letzten Rate soll D Eigentümer bleiben. G hat gegen S eine titulierte Forderung. Er lässt diese vollstrecken, bevor S die letzte Rate an D gezahlt hat. Der Gerichtsvollzieher pfändet bei S das Fahrrad. D will dagegen vorgehen.

Einordnung des Falls

Vorbehaltseigentum als „ein die Veräußerung hinderndes Recht“

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) ist zulässig, wenn sie statthaft ist, beim zuständigen Gericht erhoben wird und D ein Rechtsschutzbedürfnis hat.

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Genau, so ist das!

Die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) lauten: (1) Statthaftigkeit, (2) Zuständigkeit des Gerichts, (3) Rechtsschutzbedürfnis. Die Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) ist statthaft, wenn der Kläger als Dritter ein die Veräußerung hinderndes Recht (Interventionsrecht) geltend macht (§ 771 Abs. 1 ZPO). Ein Interventionsrecht liegt vor, wenn der Vollstreckungsschuldner aufgrund dieses Rechts den Gegenstand nicht veräußern dürfte, eine hypothetische Veräußerung durch den Vollstreckungsschuldner also rechtswidrig in den Rechtskreis des Dritten eingreifen würde. Ein solches Interventionsrecht könnte für D wegen der Übereignung unter Eigentumsvorbehalt bestehen.

2. Eigentümer des Fahrrads ist S.

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Nein, das trifft nicht zu!

Ein Eigentumsvorbehalt (§ 449 Abs. 1 BGB) liegt vor, wenn die Parteien vereinbaren, dass das Eigentum erst mit vollständiger Zahlung des Kaufpreises auf den Käufer übergehen soll. Der Eigentumsübergang (§ 929 S. 1 BGB) steht also unter der aufschiebenden Bedingung (§ 158 Abs. 1 BGB) der vollständigen Kaufpreiszahlung. D und S haben beim Kauf des Fahrrads einen solchen Eigentumsvorbehalt vereinbart (§ 449 Abs. 1 BGB). S hat noch nicht den vollständigen Kaufpreis an D gezahlt, sodass die Bedingung noch nicht eingetreten ist. Demnach ist D weiterhin Eigentümer des Fahrrads.

3. Das Vorbehaltseigentum stellt ein Interventionsrecht (§ 771 Abs. 1 ZPO) dar.

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Ja!

Das Vorbehaltseigentum ist rechtlich vollwertiges Eigentum. Es gibt wegen des Typenzwangs im Sachenrecht kein „Eigentum zweiter Klasse“. Dementsprechend kann D dem G sein Eigentum an dem Fahrrad als Interventionsrecht (§ 771 Abs. 1 ZPO) entgegenhalten und muss sich nicht auf die Klage auf vorzugsweise Befriedigung (§ 805 ZPO) verweisen lassen. G ist jedoch nicht schutzlos: Er kann auch das Anwartschaftsrecht des S an dem Fahrrad pfänden und den Restpreis an D zahlen (§ 267 Abs. 1 S. 1 BGB).

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