Anwartschaftsrecht als „ein die Veräußerung hinderndes Recht“


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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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D kauft von S eine Luxusuhr. Sie vereinbaren Ratenzahlung und einen Eigentumsvorbehalt. Weil S einen Tresor hat, bleibt die Uhr erst einmal bei ihm. Vor Zahlung der letzten Rate lässt G einen titulierten Anspruch gegen S vollstrecken. Der Gerichtsvollzieher pfändet die Uhr. D will dagegen vorgehen.

Einordnung des Falls

Anwartschaftsrecht als „ein die Veräußerung hinderndes Recht“

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) ist zulässig, wenn sie statthaft ist, beim zuständigen Gericht erhoben wird und D ein Rechtsschutzbedürfnis hat.

Ja, in der Tat!

Die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) lauten: (1) Statthaftigkeit, (2) Zuständigkeit des Gerichts, (3) Rechtsschutzbedürfnis. Die Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) ist statthaft, wenn der Kläger als Dritter ein die Veräußerung hinderndes Recht (Interventionsrecht) geltend macht (§ 771 Abs. 1 ZPO). Ein Interventionsrecht liegt vor, wenn der Vollstreckungsschuldner aufgrund dieses Rechts den Gegenstand nicht veräußern dürfte, eine hypothetische Veräußerung durch den Vollstreckungsschuldner also rechtswidrig in den Rechtskreis des Dritten eingreifen würde. Möglicherweise hat D ein Anwartschaftsrecht an der Uhr, welches ein Interventionsrecht darstellen könnte.

2. D ist Eigentümer der Uhr.

Nein!

Ein Eigentumsvorbehalt (§ 449 Abs. 1 BGB) liegt vor, wenn die Parteien vereinbaren, dass das Eigentum erst mit vollständiger Zahlung des Kaufpreises auf den Käufer übergehen soll. Der Eigentumsübergang (§ 929 S. 1 BGB) steht also unter der aufschiebenden Bedingung (§ 158 Abs. 1 BGB) der vollständigen Kaufpreiszahlung. D und S haben beim Kauf der Luxusuhr einen solchen Eigentumsvorbehalt vereinbart (§ 449 BGB). D hat noch nicht den vollständigen Kaufpreis gezahlt, sodass die Bedingung noch nicht eingetreten ist. S ist weiterhin Eigentümer der Uhr.

3. D hat ein Anwartschaftsrecht an der Luxusuhr.

Genau, so ist das!

Das Gesetz kennt das Anwartschaftsrecht nicht. Es ist jedoch allgemein anerkannt. Ein Anwartschaftsrecht entsteht, wenn von dem mehraktigen Erwerbstatbestand eines Rechts schon so viele Erfordernisse erfüllt sind, dass eine gesicherte Erwerbsposition des Erwerbers entsteht, die der Veräußerer nicht mehr durch einseitige Erklärung vernichten kann. S kann nicht mehr verhindern, dass D Eigentümer wird. Es hängt allein von der Restzahlung des D ab. D hat daher ein Anwartschaftsrecht an der Luxusuhr.

4. Das Anwartschaftsrecht des D ist ein Interventionsrecht (§ 771 Abs. 1 ZPO).

Ja, in der Tat!

Das Anwartschaftsrecht stellt ein „wesensgleiches Minus zum Volleigentum“ dar. Es ist eine gesicherte Rechtsposition des Käufers, die der Verkäufer nicht mehr einseitig beseitigen kann. Daher ist das Anwartschaftsrecht als Interventionsrecht (§ 771 Abs. 1 ZPO) anerkannt. D kann G daher aufgrund des Anwartschaftsrechts an der Uhr mit der Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) die Pfändung (und Verwertung) der Luxusuhr verbieten lassen.

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Eren Jäger

Eren Jäger

5.7.2022, 20:00:59

Wäre der Maßstab „wesensgleiches Minus zum Vollrecht (hier: Volleigentum)“ nicht dogmatisch besser mit Blick auf weitere AWR?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

23.7.2022, 16:25:09

Hallo Annie Leonhardt, die Erklärung bezieht sich auf unseren konkreten Fall. Da sich dieser um das Anwartschaftsrecht am Eigentum dreht ist die Erklärung auch entsprechend darauf ausgelegt. Zudem ist nicht jede Anwartschaft ein von § 771 ZPO erfasstes Recht. Da der Besitz kein Recht ist und bei unbeweglichen Sachen schon nach der bisher h.M. und bei beweglichen Sachen nach der zunehmenden Meinung kein die

Veräußerung hinderndes Recht

ist, ist es eine Anwartschaft darauf ebenso wenig. Rein schuldrechtliche Rechte und Ansprüche auf

Übereignung

oder ähnliches sind ebenfalls kein Recht im Sinne des § 771 ZPO. An welche Anwartschaften hattest du gedacht? Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

RECH

Rechthaber

18.7.2024, 08:04:57

Hier hätte ich noch eine Abgrenzung zwischen 929 S. 1 BGB und 930 BGB gewünscht, da je nach

Übereignung

statbestand das Anwartschaftsrecht zu verneinen oder zu bejahen ist. Wenn man 929 S. 1 BGB wählt, dann entsteht mangels Übergabe noch kein Anwartschaftsrecht, weil der Veräußerer den Eigentumserwerb durch die fehlende Übergabe noch verhindern kann.


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