Strafrecht

BT 1: Totschlag, Mord, Körperverletzung u.a.

Schwere Körperverletzung, § 226 StGB

Nr. 2: Wichtiges Glied - individuelle Verhältnisse: Vorschäden

Nr. 2: Wichtiges Glied - individuelle Verhältnisse: Vorschäden

16. April 2025

7 Kommentare

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

Die Reiterinnen T und O zanken sich darum, wer welches Schulpferd in der Reitstunde reiten darf. T schlägt mit einer Mistgabel so auf O ein, dass der rechte Ringfinger der O endgültig versteift. Bei einem früheren Reitunfall hatte O schon den rechten Zeige- und Mittelfinger verloren.

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Einordnung des Falls

Nr. 2: Wichtiges Glied - individuelle Verhältnisse: Vorschäden

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Ringfinger der O ist ein "Glied des Körpers" (§ 226 Abs. 1 Nr. 2 StGB).

Genau, so ist das!

Der Begriff des Gliedes ist umstritten. (1) Die engste Ansicht zählt dazu nur äußerliche Körperteile, die eine in sich abgeschlossene Existenz mit besonderer Funktion im Gesamtorganismus haben und mit dem Körper durch ein Gelenk verbunden sind (z.B. Arme, Hände, Finger(-glieder), Beine, Knie, Füße, Zehen). (2) Nach einer mittleren Ansicht, die von einer Verbindung durch Gelenke absieht, sind auch Nase, Ohr(-muschel) und äußere Genitalien erfasst. (3) Die weiteste Auffassung bezieht sogar auch innere Organe wie die Niere mit ein. Dies lehnt die Rspr. und h.L. ab. Der Ringfinger ist nach allen Ansichten ein "Glied des Körpers".
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2. Der rechte Ringfinger der O ist nach Ansicht des BGH und h.L. ein "wichtiges Glied des Körpers" (§ 226 Abs. 1 Nr. 2 StGB).

Ja, in der Tat!

Die Wichtigkeit des Gliedes bestimmt sich nach seiner generellen Bedeutung für den Gesamtorganismus. Wesentliche Körperfunktionen müssen beeinträchtigt sein. Ob darüber hinausgehend individuelle Verhältnisse des Opfers zu berücksichtigen sind, ist umstritten. Der BGH differenziert: Individuelle soziale Bezüge (z.B. Beruf) sind nicht zu berücksichtigen, die individuelle körperliche Verfassung (z.B. Rechts-/Linkshändigkeit, Vorschäden) dagegen schon. Geschützt sind die körperlichen Mindestfähigkeiten. Da der O bereits zwei Finger fehlen und ihr allein der Ringfinger als Greifmöglichkeit blieb, stellt dieser im Rahmen der individuellen körperlichen Verfassung auch ein wichtiges Glied dar.

3. O hat den Ringfinger "verloren" (§ 226 Abs. 1 Nr. 2 Var. 1 StGB).

Nein!

Verlust meint die völlige, möglicherweise erst durch ärztlich indizierte Amputation geschehene Abtrennung des Gliedes vom Körper. Os Ringfinger wurde von ihrem Körper nicht physisch losgetrennt.

4. O kann ihren Ringfinger "dauernd nicht mehr gebrauchen" (§ 226 Abs. 1 Nr. 2 Var. 2 StGB).

Genau, so ist das!

Ein Glied ist nicht mehr gebrauchsfähig, wenn so viele Funktionen des Glieds ausgefallen sind, dass es nicht mehr bestimmungsgemäß eingesetzt werden kann. Gebrauchsunfähigkeit setzt keinen völligen Funktionsverlust des Glieds voraus. Es kommt im Einzelfall auf eine wertende Gesamtbetrachtung an. Dauernd meint die endgültige oder chronische Aufhebung der Gebrauchsfähigkeit für einen unbestimmt langwierigen Zeitraum. Da Os Ringfinger versteift und nicht mehr bewegungsfähig ist, kann sie ihn auch nicht mehr bestimmungsgemäß einsetzen (z.B. Greifen). Auch muss O unabsehbar lange mit dieser Gebrauchsunfähigkeit leben.
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