Nachtragsanklage
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Dealer D wird angeklagt, seinen Kunden K bei einem missglückten Drogendeal getötet zu haben. Dem P wird vorgeworfen, D bei der Beseitigung der Leiche geholfen zu haben. Nach zehn Verhandlungstagen kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass P selbst den K getötet hat.
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Einordnung des Falls
Nachtragsanklage
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Gegenstand des Urteils ist alles, was in Tateinheit zueinander steht.
Nein, das trifft nicht zu!
Jurastudium und Referendariat.
2. Das Gericht darf den P ohne Weiteres stattdessen wegen Mordes verurteilen.
Nein!
3. Die Staatsanwaltschaft könnte grundsätzlich nachträglich wegen Mordes anklagen.
Genau, so ist das!
4. P müsste der Nachtragsanklage zustimmen.
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Tigerwitsch
5.4.2021, 12:33:38
Was passiert, wenn der Angeklagte nicht zustimmt? Ist dann eine
Nachtragsanklageüberhaupt nicht möglich? (andernfalls könnte der Angeklagte doch stets widersprechen und sich vor einer
Nachtragsanklage„schützen“)
Speetzchen
5.4.2021, 13:37:12
dann kann aber ein neues Strafverfahren gegen den Angeklagen beginnen.
Victoria Schneiders
5.4.2021, 15:57:29
.
jurafuchsles
9.1.2023, 10:33:13
Ist dann die Tat im prozessualen Sinne nicht verbraucht iSd Art. 103 III GG?
calu_sch
6.3.2024, 18:34:15
ich kriege irgendwie die Abgrenzung zu den Fällen, in denen ein richterlicher Hinweis nach § 265 StOo ausreicht, nicht hin. Kann mir da jemand auf die Sprünge helfen?
Dogu
4.4.2024, 11:57:45
Ich auch nicht. Vielleicht hat es etwas damit zu tun, dass hier dem P ursprünglich gar keine Mitwirkung an der Tötung des Opfers vorgeworfen wurde? Es ging ja nur um den Lebenssachverhalt nach dem Tod. Ich frage mich auch, wie es wäre, wenn P fahrlässige Tötung in der Anklage vorgeworfen wurde und sich in der Hauptverhandlung ein Mordverdacht ergibt. Das wäre ja ein einheitlicher Lebenssachverhalt.
Tobias Schulte
28.10.2024, 11:19:50
§ 265 Abs. 1 StPO bezieht sich auf eine Verurteilung auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetztes während § 266 StPO eine andere(neue)
prozessuale Tatvoraussetzt und nicht lediglich eine andere rechtliche Wertung. Bei Änderungen der Sachlage i.S.d. § 265 Abs. 2 Nr. 3 StPO dürfte es sich um solche handeln, welche sich Unterhalb der Schwelle zu einer anderen prozessualen Tat befinden.
Natze
9.5.2024, 16:18:21
ich hätte jetzt ein Störgefühl, da dem P erstmal nur eine Beihilfe vorgeworfen worden ist. würde das erste Hauptverfahren nur gegen den D und akzessorisch dazu der P verhandelt werden, hätte ich behauptet der P benötigt eine eigene, selbstständige Hauptverhandlung? oder seine Zustimmung im Wege der Prozessökonomie in Ordnung?