Nachtragsanklage

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Dealer D wird angeklagt, seinen Kunden K bei einem missglückten Drogendeal getötet zu haben. Dem P wird vorgeworfen, D bei der Beseitigung der Leiche geholfen zu haben. Nach zehn Verhandlungstagen kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass P selbst den K getötet hat.

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Einordnung des Falls

Nachtragsanklage

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Gegenstand des Urteils ist alles, was in Tateinheit zueinander steht.

Nein, das trifft nicht zu!

Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete prozessuale Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt (§ 264 Abs. 1 StPO). Eine Tat im prozessualen Sinne ist das gesamte Verhalten des Beschuldigten, soweit es mit dem in der Anklage beschriebenen Sachverhalt nach allgemeiner Lebensauffassung einen einheitlichen, inhaltlich zusammenhängenden Vorgang bildet. Entscheidende Kriterien hierfür sind (1) Tatort, (2) Tatzeit, (3) Tatopfer und (4) Tatbild. Dieser Tatbegriff ist weiter als der materielle Tatbegriff. Faustformel: Bei Tateinheit (§ 52 StGB) liegt regelmäßig auch eine Tat im prozessualen Sinne vor. Bei Tatmehrheit i.S.v. § 53 StGB ist zu prüfen, ob die selbständigen materiellen Taten einen einheitlichen Lebensvorgang bilden.
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2. Das Gericht darf den P ohne Weiteres stattdessen wegen Mordes verurteilen.

Nein!

In der Hauptverhandlung können neue tatsächliche oder rechtliche Aspekte der Tat auftauchen. Das Gericht ist dann in der Beweiswürdigung (§ 261 StPO) und in der rechtlichen Würdigung der prozessualen Tat frei (§ 264 Abs. 2 StPO). Das Gericht darf die neuen Umstände berücksichtigen und die Strafklage umgestalten (§ 264 Abs. 2 StPO). Es ist dabei aber an den prozessualen Tatbegriff gebunden, er legt den Umfang der Aburteilung (Kognition) fest. Den Rahmen der Tat darf das Gericht nicht überschreiten (vgl. § 155 Abs. 1 StPO). Alle anderen Umstände, die nicht zur prozessualen Tat gehören, unterliegen nicht der Kognition. Das Gericht darf hierüber nicht urteilen.

3. Die Staatsanwaltschaft könnte grundsätzlich nachträglich wegen Mordes anklagen.

Genau, so ist das!

Weitere Taten, die zunächst nicht angeklagt waren, kann das Gericht aburteilen, wenn sie im Wege der Nachtragsanklage einbezogen wurden (§ 266 StPO). Nur durch eine Nachtragsanklage wird vermieden, dass der Anklagegrundsatz verletzt wird. Ansonsten würde es für die neue Tat an einer entsprechenden Anklage als Prozessvoraussetzung fehlen. Durch die Nachtragsanklage werden weitere Taten zum Prozessgegenstand hinzugefügt.

4. P müsste der Nachtragsanklage zustimmen.

Ja, in der Tat!

Eine Nachtragsanklage setzt voraus, dass die Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung die Anklage auf weitere Straftaten des Angeklagten erstreckt. Das Gericht darf diese dann durch Beschluss in das Verfahren einbeziehen, wenn (1) das Gericht auch für diese Taten zuständig ist und (2) der Angeklagte zustimmt (§ 266 Abs. 1 StPO). Die Zustimmung des Angeklagten ist für die Nachtragsanklage zwingend erforderlich. Die Verweigerung dieser Zustimmung steht in seinem freien Ermessen und darf auch nicht mit dem Argument der Missbräuchlichkeit übergangen werden.
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