Zubehör und wesentliche Bestandteile eines Grundstücks


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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K möchte ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück von V erwerben. Im Haus ist eine moderne Einbauküche eingebaut.

Einordnung des Falls

Zubehör und wesentliche Bestandteile eines Grundstücks

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Wenn K Eigentum am Grundstück erwirbt, erwirbt er zugleich Eigentum am Einfamilienhaus (§ 94 Abs. 1 BGB).

Ja, in der Tat!

Wesentliche Bestandteile einer Sache, die voneinander nicht getrennt werden können, ohne dass der eine oder andere zerstört oder in seinem Wesen verändert wird, können nicht Gegenstand besonderer Rechte sein (§ 93 BGB). D.h. eine Sache und ihre Bestandteile haben ein einheitliches rechtliches Schicksal. Wesentliche Bestandteile eines Grundstücks sind nach § 94 Abs. 1 BGB alle mit dem Grund und Boden fest verbundene Sachen, insbesondere Gebäude. § 94 BGB enthält eine unwiderlegbare Sondervermutung zur Schaffung klarer Rechtsverhältnisse: Der Erwerbsinteressent soll durch Betrachtung des Grundstücks feststellen können, was zum Grundstück gehört. Das Einfamilienhaus ist als Gebäude fest mit dem Grundstück verbunden. Der Eigentumserwerb am Grundstück nach §§ 873, 925 BGB erstreckt sich auf das Einfamilienhaus. Man spricht auch vom Erwerb eines Hausgrundstücks.

2. Wenn K Eigentum am Gebäude erwirbt, erwirbt er zugleich Eigentum an der Einbauküche (§ 94 Abs 2 BGB).

Nein!

Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Gebäudes gehören nach § 94 Abs. 2 BGB die zur Herstellung des Gebäudes eingefügten Sachen. Zur Herstellung eingefügt sind alle Teile, ohne die das Gebäude nach der (örtlichen) Verkehrsanschauung noch nicht fertiggestellt ist. In der Regel ist ein Haus bereits ohne Küche fertiggestellt. Wenn K Eigentum daran erwerben soll, müssen V und K sie separat übereigenen (§ 929ff. BGB).

3. Wenn V und K keine Vereinbarung zur Küche treffen, ist anzunehmen, dass sich die Veräußerung auch auf die Küche erstrecken soll (§ 926 Abs. 1 BGB).

Genau, so ist das!

Ist ein Gegenstand als Zubehör zu qualifizieren und sind sich die Parteien über den Eigentumsübergang einig, so genügt nach § 926 BGB die Einigung (§ 926 Abs. 1 S. 1 BG). Übergabe und Übergabesurrogate sind dann nicht erforderlich. Zudem enthält § 926 Abs. 1 S. 2 BGB eine Zweifelsregelung: Im Zweifel ist anzunehmen, dass sich die Veräußerung auf das Zubehör erstrecken soll. Zubehör sind bewegliche Sachen, die nicht Bestandteil der Hauptsache sind, und die dem wirtschaftlichen Zweck der Hauptsache zu dienen bestimmt sind und zu ihr in einer dieser Bestimmung entsprechenden räumlichen Verhältnis stehen (§ 97 BGB). Die Hauptsache ist hier das Einfamilienhaus. Die Einbauküche dient dem wirtschaftlichen Zweck des Hauses und steht zu diesem in einem räumlichen Verhältnis. Zu beachten sind jedoch auch regional abweichende Verkehrsauffassungen, die die Zubehöreigenschaft einer Einbauküche ausschließen können. Letztlich ist die Einordnung einer Einbauküche als Zubehör eine Einzelfallfrage. Da hier keine Angaben zur Verkehrsauffassung vorliegen, ist die Zubehöreigenschaft anzunehmen.

4. Die Küche ist nach § 93 BGB wesentlicher Bestandteil des Hauses.

Nein!

Neben § 94 BGB, der eine Sonderregelung für wesentliche Bestandteile eines Grundstücks oder Gebäudes enthält, ist § 93 BGB anwendbar. Nicht selten ist eine Sache zugleich wesentlicher Bestandteil nach § 93 und § 94 BGB. Wesentliche Bestandteile nach § 93 BGB sind Bestandteile, "die voneinander nicht getrennt werden können, ohne dass der eine oder der andere [Teil] zerstört oder in seinem Wesen verändert wird"(Wortlaut des § 93 BGB). Die Küche ließe sich hingegen ausbauen, ohne dass Küche oder Haus zerstört oder in ihrem Wesen verändert würden.

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Isabell

Isabell

9.5.2020, 12:49:21

Bei Standardküchen würde ich das so sehen. Einbauküchen sind ja aber in der Regel auf die jeweilige Küche maßgefertigt. Da tue ich mich schwer pauschal anzunehmen, man könnte jede Einbauküche einfach aus- und woanders einfach wieder einbauen.

Christian Leupold-Wendling

Christian Leupold-Wendling

23.6.2020, 15:56:19

HI Isabell, danke für die Anmerkung! Der BGH hat sich damit recht ausführlich beschäftigt (RdNr. 11-13 der Entscheidung). Eine abweichende Feststellung im Einzelfall ist aber natürlich möglich. „Die Feststellungen im Berufungsurteil genügen - entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung - auch nicht für die Annahme, die Einbauküche sei gemäß § 93 BGB wesentlicher Bestandteil des Grundstücks geworden. Es fehlt an der Voraussetzung, daß die Küchenmöbel nicht vom Hause getrennt werden könnten, ohne in ihrem Wesen verändert zu werden. Diese Voraussetzung liegt nicht vor, wenn der eine oder andere Bestandteil verbundener Sachen nach der Trennung noch in der bisherigen Art, sei es auch in Verbindung mit einer neuen Sache, wirtschaftlich genutzt werden kann […]

Christian Leupold-Wendling

Christian Leupold-Wendling

23.6.2020, 15:57:06

Verhältnismäßig geringfügige Wertminderungen infolge der Trennung schaden nicht […] Anders kann es liegen, wenn der eine oder andere Bestandteil nach der Trennung nur noch Schrottwert hat [… ] Serienmäßig hergestellte Teile einer Einbauküche können nach allgemeiner Erfahrung abgebaut und abtransportiert werden, ohne daß sie mehr als unwesentlich beschädigt werden. Sie können danach in einer anderen Küche in gleicher Funktion wieder eingebaut werden. Dies geschieht sehr häufig in denjenigen Gebieten Deutschlands, in denen Küchen üblicherweise nicht zusammen mit Wohngebäuden überlassen werden. Die durch den Umzug eintretenden Wertverluste und Mehrkosten werden hingenommen, weil der restliche Gebrauchswert als weitaus größer angesehen wird.

Christian Leupold-Wendling

Christian Leupold-Wendling

23.6.2020, 15:57:19

Auch der zurückgelassene Küchenraum wird durch die Entfernung der Möbel nicht wesentlich beschädigt und kann seinen vollen wirtschaftlichen Wert durch Verbindung mit neuen Einrichtungsgegenständen wiedererlangen.“

ALE

Alex

30.7.2020, 08:52:42

Meiner Ansicht nach widerlegt die Fundstelle nicht den Einwand von Isabell. Eine Einbaukücke kann trotzdem individuell angefertigt sein. Das Urteil bezieht sich gerade nur auf "Serienmäßig hergestellte Teile der Küche" dies muss bei einer Einbauküche aber nicht zwingend der Fall sein. Evtl wäre es gut dies im SV zu ergänzen

Isabell

Isabell

5.1.2021, 17:38:48

Danke für die mega ausführliche Antwort. Mein Problem bezieht sich nicht unmittelbar auf die Tatsache, dass das hier angenommen wird, sondern mehr auf die Pauschalität des wie der Annahme.

GEL

gelöscht

10.5.2020, 22:54:42

Meiner Meinung nach ist es irrelevant, ob man die Küche irgendwo anders wieder einbauen kann.

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

30.5.2020, 21:40:52

Das kann Relevanz haben, für die Frage ob ein Wesentlicher Bestandteil iSd 93 BGB vorliegt. Wenn die Küche nicht ausgebaut werden kann, ohne woanders wieder als Küche genutzt zu werden, wäre sie wesentlicher Bestandteil. Da dies bei Einbauküchen aber, anders als etwa bei einer gemauerten Küche, möglich ist, ist sie eben kein wesentlicher Bestandteil des Hauses.

GEL

gelöscht

29.1.2021, 02:25:34

Vielen Dank für die Aufklärung 😁

TAH

Tanja H.

2.4.2022, 15:22:19

Bei 926 handelt es sich lediglich um die Zweifelsregelung, dass das Eigentum auch an dem Zubehör mitübergehen soll, also Auslegungshilfe für die dingliche Erklärung, oder? Im Rahmen des Kaufvertrags wäre dann vmtl 311c heranzuziehen, oder? Lg

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

6.4.2022, 11:02:32

Hallo Tanja, herzlich willkommen im Forum und vielen Dank für den guten Hinweis. In der Tat handelt es sich hierbei nur um eine Zweifelsregelung für die Auflassung (dingliche Einigung), d.h. den Parteien steht es insoweit frei auch etwas abweichendes zu vereinbaren. Für die schuldrechtliche Verpflichtung ist § 311c BGB das entsprechende Pendant. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

BL

Blotgrim

6.2.2023, 18:30:12

Lässt sich auch eine andere Meinung vertreten? Denn wenn ich keine Küche im Haus habe, kann ich dieses ja nicht vollständig nutzen, da ich nicht kochen kann. Und neben der Möglichkeit die Sache zu entfernen, geht es doch auch darum, ob man beide Sachen danach noch gebrauchen kann Lg

Richi

Richi

28.6.2023, 10:41:32

Der Gedanke kam mir auch; bedenke aber, dass wesentlicher Bestandteil hier bedeutet, dass die Sache (Küche) von der Hauptsache so abtrennbar ist, dass keiner der Bestandteile zerstört wird. Anders wäre dies vielleicht bei fest integrierten Küchen, wie sie in der Vergangenheit verbaut wurden, die dann untrennbar mit dem Haus verbunden sind. Hier wäre es eine Überlegung wert, ob die Küche nicht auch wesentlicher Bestandteil ist. Zudem kam mir in den Sinn, dass es ja auch Häuser gibt, die keine Küche haben und auch keine vorsehen, zum Beispiel Ferienwohnungen oder ähnliches. So gesehen ist das Haus ja trotzdem als solches auch ohne Küche nutzbar.

A-MUC

A-MUC

17.8.2023, 17:54:22

Zur Einbauküche als wesentlicher Bestandteil: Wir haben die Frage im Rep (AS Bayern, Fall 8.2) etwas ausführlicher problematisiert. Im Ergebnis sind wir zwar auch dazu gekommen, dass eine standardisierte Einbauküche kein wesentlicher Bestandsteil ist (und in dem vorliegenden Fall damit ein gesetzlicher Eigentumserwerb nach § 946 BGB ausschied). Allerdings sind wir davor einigermaßen ausführlich darauf eingegangen, dass die Frage in Rspr./LIT. umstritten war und dass wohl die Art und Weise der Ausführung maßgeblich sein wird. Der Zeitpunkt der Einfügung sei nicht relevant. Und dass, ausgehend vom gesetzlichen Ausdruck „eingefügt“ entscheidend darauf abzustellen sei, in welcher Weise die Einbauküche mit dem Gebäude verbunden sei. Hier könnte man dann z.B. zwischen einer Sonderanfertigung und einer Standard-Einbauküche unterscheiden.


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