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Arbeitsrecht

Arbeitsgerichtsprozess

Rechtswegszuständigkeit Arbeitsgerichte – „Aut-Aut-Fälle“

Rechtswegszuständigkeit Arbeitsgerichte – „Aut-Aut-Fälle“

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

Schlitzohr Susi (S) vermittelt für die Big Money Bank (B) Kreditverträge auf Provisionsbasis. Vor dem Arbeitsgericht verklagt sie B auf Zahlung von €5.000. B ist der Ansicht, die ordentlichen Gerichte seien zuständig. S habe als selbstständige Handelsvertreterin gearbeitet.

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Einordnung des Falls

Rechtswegszuständigkeit Arbeitsgerichte – „Aut-Aut-Fälle“

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Zulässigkeit von S' Klage setzt zunächst voraus, dass der Streit in die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte fällt (§§ 2 ff. ArbGG).

Ja!

Die ordentlichen Gerichte sind grundsätzlich für alle bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten zuständig (§ 13 GVG). Die Arbeitsgerichte sind insofern nur dann für einen Rechtsstreit zuständig, wenn das Gesetz dies explizit anordnet (§§ 2 ff. ArbGG).Anders als die Amtsgerichte in der ordentlichen Gerichtsbarkeit, sind die Arbeitsgerichte sachlich für alle erstinstanzlichen Streitigkeiten zuständig, die der Arbeitsgerichtsbarkeit zugewiesen sind (§ 8 ArbGG). Aus der Rechtswegszuständigkeit ergibt sich damit stets auch die sachliche Zuständigkeit der Arbeitsgerichte.
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2. Handelt es sich bei einer Handelsvertreterin iSd § 84 Abs. 1 HGB um eine Arbeitnehmerin?

Nein, das ist nicht der Fall!

Handelsvertreter iSv § 84 Abs. 1 HGB sind stets selbstständig tätig. Nach der Legaldefinition in § 84 Abs. 1 S. 2 HGB gehört hierzu gerade der Umstand, dass sie frei ihre Tätigkeit und Arbeitszeit bestimmen können. Im Gegensatz dazu ist das Arbeitsverhältnis durch die persönliche Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers geprägt.Handelsvertreter iSv § 84 Abs. 1 HGB sind insoweit keine abhängig beschäftigten Arbeitnehmer (§ 611a BGB), sondern selbstständige Dienstleister (§ 611 BGB).Handelsvertreter schulden lediglich Vermittlungsbemühungen (§ 86 Abs. 1 HGB) und nicht den Vermittlungserfolg. Deshalb liegt ein Dienst- und kein Werkvertrag vor.

3. Steht S nur dann ein Lohnanspruch zu, wenn sie als abhängig beschäftigte Arbeitnehmerin für B gearbeitet hätte?

Nein, das trifft nicht zu!

Für die Frage des Lohnanspruchs ist die Abgrenzung Arbeitnehmer-Selbstständiger materiell gesehen irrelevant. Der Arbeitnehmer hat einen Lohnanspruch aus § 611a Abs. 2 BGB iVm dem Arbeitsvertrag, der Dienstleister aus § 611 Abs. 1 Hs. 2 BGB iVm dem Dienstvertrag. Diese Fallgruppe, in der der Anspruch entweder auf eine arbeits- oder eine bürgerlich-rechtliche Anspruchsgrundlage gestützt werden kann, wird unter dem Stichwort „aut-aut” (=”entweder-oder”) zusammengefasst.Je nach Einstufung könnte S entweder ein Lohnanspruch aus § 611a Abs. 2 BGB oder aus § 611 Abs. 2 BGB zustehen.

4. Damit ihre Klage vor dem Arbeitsgericht zulässig ist, muss S aber beweisen, dass sie als Arbeitnehmerin gehandelt hat.

Ja!

Die Arbeitsgerichte sind für die Lohnklage nur dann zuständig, wenn sich der Anspruch aus einem Arbeitsverhältnis ergibt (§ 2 Abs. 1 Nr. 3a ArbGG). Ist dies nicht der Fall, muss der Rechtsstreit an die ordentlichen Gerichte (Amtsgericht) verwiesen werden (§ 17a Abs. 2 GVG). Zwar prüft das Arbeitsgericht seine Zuständigkeit von Amts wegen. Dies ändert aber nichts daran, dass im Hinblick auf die zuständigkeitsbegründenden Tatsachen die Klägerin beweisbelastet ist. Denn es handelt sich dabei um für sie günstige Umstände.B bestreitet, dass S als Arbeitnehmerin beschäftigt war. Da S als Klägerin beweisbelastet ist, muss sie nachweisen, dass sie von B als Arbeitnehmerin eingesetzt war.Maßgeblich für die Abgrenzung Arbeitnehmerin-Selbstständige sind nicht die vertraglichen Vereinbarungen, sondern die tatsächlichen Verhältnisse.
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