"Körperfremde" Teile 3
16. April 2025
10 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
In Vorbereitung auf eine schwere Operation werden O mehrere Liter Blut abgenommen. Diese sollen ihm während und nach der OP wieder zugeführt werden. Die mit O verfeindete K vernichtet die Blutkonserven jedoch vor der Operation.
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Einordnung des Falls
"Körperfremde" Teile 3
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Die Blutkonserven fallen nach der zivilrechtlichen Rechtsprechung des BGH unter den Begriff des "Körpers" (§ 823 Abs. 1 BGB).
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Die Blutkonserven sind auch Bestandteil einer "anderen Person" (§ 223 Abs. 1 StGB).
Nein, das ist nicht der Fall!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Jasim
18.6.2023, 10:18:05
Die letzte Aussage ist unklar formuliert. Wenn man davon ausgeht, dass die Blutkonserven sich auf die im Sachverhalt genannten von O beziehen, ist die Aussage als 'stimmt' zu beantworten.
hannabuma
25.11.2024, 16:12:10
Nach der überwiegenden Auffassung sind die Blutkonserven immer eine Sache. Die Antwort richtet sich nach dieser Auffassung, sodass die Blutkonserven kein Bestandteil einer anderen Person sind. Deswegen „Stimmt nicht“.
Peter im Pech
20.6.2024, 17:52:21
Ich denke, dass bei der Aufgabe am Ende plus und minus vertauscht wurden. Differenziert man zwischen Eigenblut für die OP am eigenen Leibe und der Blutspende, so ist das Eigenblut vorübergehend entnommen (= plus, da somit teil des Körpers) und die Blutspende dauerhaft entnommen (= minus, da dauerhaft entnommen und somit nicht mehr Teil des Körpers.
agi
8.10.2024, 17:07:23
Ich glaube am Ende kommt es auf die Argumentation an. Wobei in der Erklärung ja darauf hingewiesen wird, dass die Unterscheidung ob es nun dauerhaft ist oder nicht in der Realität zu großer Rechtsunischerheit führen würde, sodass man nicht darauf abstellen sollte.
hannabuma
25.11.2024, 16:07:16
@[Peter im Pech](213415) Bin auch darüber gestolpert. Ich denke man muss den Text so lesen, dass sich das + und - darauf beziehen, ob eine Sache vorläge oder nicht. Deswegen Eigenblut (Sache (-)) und Blutspende (Sache (+)).
Amelie7
29.10.2024, 17:30:02
Im Zivilrecht sieht man die Blutkonserven also als Körperteil an, im Strafrecht nicht?
Jotus
22.11.2024, 15:36:46
Würde ich auch gerne wissen:)
Leo Lee
1.12.2024, 12:09:51
Hallo Amelie7 und Jotus, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Abgesehen davon, dass dieser Streit im Strafrecht wirklich unglaublich kompliziert ist (zumal es auch keine wirkliche h.M. zu geben scheint), ist es in der tat so, dass die Bewertung sich von der im Zivilrecht abweichen kann, sodass sich auf den ersten Blick widersprüchliche Ergebnisse ergeben. Beachtet allerdings, dass es eigentlich "normal" ist, dass das Zivilrecht "lockerer" und das Strafrecht "strenger" ist. Denn das Strafrecht ist das schärfste Schwert des Staates, weshalb immer eine restriktive Auslegung geboten ist. Und Teil dieser restriktiven Auslegung ist eben, dass man auch im Zweifel etwas enger auslegt, um ein TBM (hier Körperteil) ablehnt. Beim Zivilrecht hingegen geht es "nur" ums
Geldund nicht - krass gesagt - um "Leben und Tod" bzw. Freiheit, weshalb eine "entspanntere" Auslegung eines TBMs nicht ungewöhnlich ist. Insofern ist es mglw. sogar rechtsstaatlich "besser", dass im Zivilrecht ein TBM bejaht wird, während im Strafrecht das - auf den ersten Blick gleiche - abgelehnt wird. Sehr interessant ist im diesem Kontext noch, dass im berühmten OJ Simpson-Fall OJ nach dem Strafrecht freigesprochen, nach dem Zivilrecht aber verurteilt wurde. Grund dafür ist, dass die Beweislast - wie bei uns - im Strafecht höher ist ("beyond a reasonable doubt"), während beim Zivilrecht eine überwiegende (51% - preponderance) Wahrschenilhckeit ausreicht :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
Amelie7
1.12.2024, 12:12:45
@[Leo Lee](213375) vielen Dank für die detaillierte und aufklärungsreiche Antwort :)