"Körperfremde" Teile 3

16. April 2025

10 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

In Vorbereitung auf eine schwere Operation werden O mehrere Liter Blut abgenommen. Diese sollen ihm während und nach der OP wieder zugeführt werden. Die mit O verfeindete K vernichtet die Blutkonserven jedoch vor der Operation.

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Einordnung des Falls

"Körperfremde" Teile 3

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Blutkonserven fallen nach der zivilrechtlichen Rechtsprechung des BGH unter den Begriff des "Körpers" (§ 823 Abs. 1 BGB).

Ja, in der Tat!

Der lebende menschliche Körper ist aufgrund der ihm zustehenden Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) keine Sache. Nach der Rechtsprechung des BGH im Zivilrecht bilden darüber hinaus lediglich vorübergehend entnommene Teile mit dem Körper weiterhin eine funktionale Einheit und stellen insofern ebenfalls keine Sache dar. Das Blut des O ist nur vorübergehend von seinem Körper getrennt, da es ihm während der OP wieder zugeführt werden soll.
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2. Die Blutkonserven sind auch Bestandteil einer "anderen Person" (§ 223 Abs. 1 StGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Der menschliche Körper umfasst Körperteile und Körperflüssigkeiten, solange sie nicht dauerhaft von diesem getrennt sind oder bereits wieder mit einem menschlichen Körper verbunden werden. Wie lediglich vorübergehend abgetrennte Teile strafrechtlich zu bewerten sind, ist höchstrichterlich noch nicht entschieden. Die überwiegende Auffassung behandelt sie indes als "Sache". Gegen eine Subsumtion unter den Begriff "andere Person" spricht schon der Wortlaut. Auch bei einer Einordnung als "Sache" besteht zudem ein hinreichender strafrechtlicher Schutz (§ 303 StGB). Eine Abgrenzung zwischen vorübergehend und dauerhaft abgetrennten Körperteilen würde erhebliche Rechtsunsicherheit bedeuten: Es wäre von dem eher zufälligen Umstand abhängig, ob das entnommene Blut als Eigenblut (dann (-)) oder Blutspende (dann (+ )) Verwendung findet. Durch die Trennung vom Körper hat das Blut Sachqualität erlangt.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Jasim

Jasim

18.6.2023, 10:18:05

Die letzte Aussage ist unklar formuliert. Wenn man davon ausgeht, dass die Blutkonserven sich auf die im Sachverhalt genannten von O beziehen, ist die Aussage als 'stimmt' zu beantworten.

HAN

hannabuma

25.11.2024, 16:12:10

Nach der überwiegenden Auffassung sind die Blutkonserven immer eine Sache. Die Antwort richtet sich nach dieser Auffassung, sodass die Blutkonserven kein Bestandteil einer anderen Person sind. Deswegen „Stimmt nicht“.

Peter im Pech

Peter im Pech

20.6.2024, 17:52:21

Ich denke, dass bei der Aufgabe am Ende plus und minus vertauscht wurden. Differenziert man zwischen Eigenblut für die OP am eigenen Leibe und der Blutspende, so ist das Eigenblut vorübergehend entnommen (= plus, da somit teil des Körpers) und die Blutspende dauerhaft entnommen (= minus, da dauerhaft entnommen und somit nicht mehr Teil des Körpers.

AG

agi

8.10.2024, 17:07:23

Ich glaube am Ende kommt es auf die Argumentation an. Wobei in der Erklärung ja darauf hingewiesen wird, dass die Unterscheidung ob es nun dauerhaft ist oder nicht in der Realität zu großer Rechtsunischerheit führen würde, sodass man nicht darauf abstellen sollte.

HAN

hannabuma

25.11.2024, 16:07:16

@[Peter im Pech](213415) Bin auch darüber gestolpert. Ich denke man muss den Text so lesen, dass sich das + und - darauf beziehen, ob eine Sache vorläge oder nicht. Deswegen Eigenblut (Sache (-)) und Blutspende (Sache (+)).

AME

Amelie7

29.10.2024, 17:30:02

Im Zivilrecht sieht man die Blutkonserven also als Körperteil an, im Strafrecht nicht?

JO

Jotus

22.11.2024, 15:36:46

Würde ich auch gerne wissen:)

LELEE

Leo Lee

1.12.2024, 12:09:51

Hallo Amelie7 und Jotus, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Abgesehen davon, dass dieser Streit im Strafrecht wirklich unglaublich kompliziert ist (zumal es auch keine wirkliche h.M. zu geben scheint), ist es in der tat so, dass die Bewertung sich von der im Zivilrecht abweichen kann, sodass sich auf den ersten Blick widersprüchliche Ergebnisse ergeben. Beachtet allerdings, dass es eigentlich "normal" ist, dass das Zivilrecht "lockerer" und das Strafrecht "strenger" ist. Denn das Strafrecht ist das schärfste Schwert des Staates, weshalb immer eine restriktive Auslegung geboten ist. Und Teil dieser restriktiven Auslegung ist eben, dass man auch im Zweifel etwas enger auslegt, um ein TBM (hier Körperteil) ablehnt. Beim Zivilrecht hingegen geht es "nur" ums

Geld

und nicht - krass gesagt - um "Leben und Tod" bzw. Freiheit, weshalb eine "entspanntere" Auslegung eines TBMs nicht ungewöhnlich ist. Insofern ist es mglw. sogar rechtsstaatlich "besser", dass im Zivilrecht ein TBM bejaht wird, während im Strafrecht das - auf den ersten Blick gleiche - abgelehnt wird. Sehr interessant ist im diesem Kontext noch, dass im berühmten OJ Simpson-Fall OJ nach dem Strafrecht freigesprochen, nach dem Zivilrecht aber verurteilt wurde. Grund dafür ist, dass die Beweislast - wie bei uns - im Strafecht höher ist ("beyond a reasonable doubt"), während beim Zivilrecht eine überwiegende (51% - preponderance) Wahrschenilhckeit ausreicht :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

AME

Amelie7

1.12.2024, 12:12:45

@[Leo Lee](213375) vielen Dank für die detaillierte und aufklärungsreiche Antwort :)


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