Gravierender Substanzverlust / Einbuße von Körperteilen

9. Juli 2025

8 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Nach einer Partie "Mensch ärgere Dich nicht" geraten die Brüder T und O in einen heftigen Streit. In seiner Wut über das verlorene Spiel schlägt T dem O einen Zahn aus.

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Einordnung des Falls

Gravierender Substanzverlust / Einbuße von Körperteilen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T hat eine Körperverletzungshandlung (§ 223 Abs. 1 StGB) vorgenommen, wenn er den O "körperlich misshandelt" oder "an der Gesundheit geschädigt" hat.

Ja, in der Tat!

Der objektive Tatbestand der Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) setzt eine Körperverletzungshandlung voraus. Dazu gehören die körperliche Misshandlung (§ 223 Abs. 1 Var. 1 StGB) und die Gesundheitsschädigung (§ 223 Abs. 1 Var. 2 StGB) einer anderen Person. Es handelt sich um zwei selbstständige Tatmodalitäten, die sich freilich überschneiden können. Daher prüfst Du in der Klausur beide Varianten.
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2. Indem T dem O einen Zahn ausgeschlagen hat, hat er ihn "körperlich misshandelt" (§ 223 Abs. 1 Var. 1 StGB).

Ja!

Eine körperliche Misshandlung ist jede üble und unangemessene Behandlung, durch die das körperliche Wohlbefinden oder die körperliche Unversehrtheit nicht nur unerheblich beeinträchtigt wird. Die körperliche Unversehrtheit ist betroffen, wenn auf die körperliche Integrität des Opfers nachteilig eingewirkt wird. Substanzverletzende Einwirkungen, die zum Verlust von Körperteilen führen, greifen die körperliche Unversehrtheit erheblich an. Mit dem Ausschlagen des Zahns hat T den O so übel und unangemessen behandelt, dass die körperliche Unversehrtheit des O erheblich beeinträchtigt wurde.

3. Indem T dem O einen Zahn ausgeschlagen hat, hat er ihn "an der Gesundheit geschädigt" (§ 223 Abs. 1 Var. 2 StGB).

Genau, so ist das!

Eine Gesundheitsschädigung ist das Hervorrufen oder Steigern eines nicht nur unerheblichen krankhaften (= pathologischen) Zustandes. Krankhaft ist der vom Normalzustand der körperlichen Funktionen nachteilig abweichende Zustand. Gleichgültig ist, auf welche Art und Weise er verursacht wird und ob das Opfer dabei Schmerz empfindet. Beispiele sind Knochenfrakturen, Sehnenrisse und Wunden. Auch bei der infolge des ausgeschlagenen Zahns entstandenen Wunde ist ein pathologischer Zustand anzunehmen. Die Erfüllung beider Alternativen gegenüber demselben Opfer durch dieselbe Handlung (§ 52 Abs. 1 StGB) ändert nichts am Vorliegen nur einer Körperverletzungstat.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

/Q

/qwas

22.1.2024, 09:12:14

Ich hatte mir als Eselsbrücke immer gemerkt, dass eine

Gesundheitsschädigung

vorliegt, wenn eine Heilbehandlung erforderlich ist. Aber das deckt nicht alle Fälle ab, wie hier den Zahn. Nur, falls jemand den gleichen Fehler gemacht hat und der Person das hilft. :)

TUBAT

TubaTheo

10.6.2024, 23:13:00

Falls es jemandem hilft: Ich merke mir immer die Aussage meiner Dozentin: "Eine

körperliche Misshandlung

tut weh und eine

Gesundheitsschädigung

muss heilen"

Celina

Celina

19.2.2025, 09:08:54

Danke :))

OKA

okalinkk

4.6.2025, 16:19:46

Wobei Schmerzen nicht unbedingt nötig sind. Auch das Abschneiden von Haaren kann eine Körperverletzung sein. Insoweit ist die Merkformel etwas ungenau.

TUBAT

TubaTheo

7.6.2025, 11:39:47

@[okalinkk](253888) In diesem Zuge muss man den Begriff "Schmerzen" eher weit auslegen. Für jemanden, der sein Haar täglich pflegt und es jahrelang hat wachsen lassen, damit es eine gewisse Länge erreicht, erleidet sicherlich einen gewissen Herzschmerz, wenn er nun nun mit einer Glatze herumlaufen muss. Das ist natürlich sehr umgangssprachlich und wenig juristisch. Aber das ist ja auch der Sinn hinter Eselsbrücken. Außerdem hat die Eselsbrücke keinen Anspruch, jeden Fall beantworten zu können. Sie soll nur helfen, eine erste Meinung zu bilden. Trotzdem hast du mit deiner Aussage natürlich irgendwo auch Recht!


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