Strafrecht

Strafrecht Allgemeiner Teil

Fahrlässigkeit

Begrenzung der Sorgfaltspflicht durch Vertrauensgrundsatz

Begrenzung der Sorgfaltspflicht durch Vertrauensgrundsatz

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Kraftfahrer K fährt unter Einhaltung einschlägiger Verkehrsregeln auf einer wenigbefahrenen Straße, als plötzlich die unvorsichtige U auf die Straße läuft, während sie auf ihr Smartphone schaut. K kann nicht mehr rechtzeitig bremsen, sodass es zu einer tödlichen Kollision kommt.

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Einordnung des Falls

Begrenzung der Sorgfaltspflicht durch Vertrauensgrundsatz

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Eine Strafbarkeit des K wegen fahrlässiger Tötung der U setzt eine objektive Sorgfaltspflichtverletzung voraus (§ 222 StGB).

Ja, in der Tat!

Nach der Rspr. und hL setzt die Verwirklichung eines Fahrlässigkeitsdelikts zentral voraus, dass der Täter eine objektive Sorgfaltspflicht verletzt. Wann eine Sorgfaltspflichtverletzung vorliegt, ergibt sich allerdings nicht aus der verletzten Strafnorm selbst, sondern muss aus externen Quellen bestimmt werden. Als Quellen in Betracht kommen sog. Sondernormen, Standards und Gepflogenheiten bestimmter Verkehrskreise sowie der allgemeine Sorgfaltsmaßstab des Durchschnittsbürgers.
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2. K durfte darauf vertrauen, dass U nicht unvermittelt und blindlings auf die Straße läuft.

Ja!

Die Sorgfaltspflichten werden durch den sog. Vertrauensgrundsatz begrenzt. Danach darf derjenige, der sich selbst sorgfaltsgemäß verhält, grundsätzlich darauf vertrauen, dass auch andere dies tun. Dieser Grundsatz kommt vor allem im Straßenverkehr zur Anwendung. K beachtet alle einschlägigen Verkehrsregeln, als U blindlings die Straße betritt und dabei dessen Vorfahrtsrecht missachtet. Allein aufgrund dessen, dass U auf ihr Handy guckt, bot sich K noch keine Verkehrslage, die eine besondere Vorsicht seinerseit erforderlich gemacht hätte. K muss nicht so fahren, dass er im Falle einer derartigen Verletzung seines Vorfahrsrechts noch rechzeitig anhalten kann.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Isabell

Isabell

30.10.2021, 14:15:45

Gibt es eine Norm, an der ich diesen Grundsatz festmachen kann?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

31.10.2021, 10:41:57

Hallo Isabell, der Vertrauensgrundsatz ist fest in der ständigen Rechtsprechung des BGH verankert (vgl. BGH NJW 2003, 1929 mwN) und wurde vom Reichsgericht ohne konkrete normative Anknüpfung entwickelt (vgl. RGSt 70, 71,74 - zu finden bei juris). Allerdings könnte man ihn an § 1 Abs. 2 StVO (allgemeine Rücksichtnahmepflicht) verankern. Denn wenn jeder am Verkehr so teilnehmen muss, dass kein anderer geschädigt wird, dann kann der Einzelne umgekehrt grundsätzlich darauf vertrauen, dass auch die übrigen sich (mehr oder weniger) verkehrsgerecht verhalten und keine unvorhersehbaren Verkehrsverstöße begehen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Dave K. 🦊

Dave K. 🦊

5.1.2022, 23:54:12

BGH 1956 „U … schaut auf ihr Smartphone“ 😋

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

6.1.2022, 09:22:29

Hi Dave, um die Fälle etwas lebendiger werden zu lassen, passen wir sie manchmal an die heutige Zeit an - ohne, dass sich hierdurch die rechtliche Lösung ändert :D. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

RAP

Raphaeljura

5.9.2023, 03:19:01

Das mag grundsätzlich so sein. Allerdings muss das doch eingeschränkt sein, wenn sich der Fahrer bspw. neben einem Kindergarten bewegt. Außerdem gilt es wohl auch zu berücksichtigen, die individuelle Umstände und Fähigkeiten der geschädigten Person. Wenn bspw. Kinder sind neben der Fahrbahn gut erkennbar befinden, dann ist es zumindest nicht ausgeschlossen, dass diese sich plötzlich auf die Fahrbahn bewegen und der Fahrer zumindest sich mit dieser Möglichkeit beschäftigen muss.

LELEE

Leo Lee

9.9.2023, 10:15:32

Hallo Raphaeljura, in der Tat gilt der Vertrauensgrundsatz nicht uneingeschränkt. Dieser wird vielmehr beschränkt, soweit besondere Gründe vorliegen (z.B. Unerfahrenheit und Unberechenbarkeit von Kindern in der Schulzone). Hierzu kann ich die Lektüre von Wessels/Beulke/Satzger AT 50. Auflage, Rn. 1120 f. empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

JALUD

Jan Ludwig

18.8.2024, 13:42:25

@[Raphaeljura](207944) dazu gibt es ja aber im Sachverhalt keinerlei Anhaltspunkte. Mann kann sich ja nicht einfach ausdenken, dass bestimmt Kinder am Straßenrand spielen o.Ä., siehe dazu die Aufgaben zuvor zu den spielenden Kindern.


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