Abgrenzung öffentlich-rechtliches und privatrechtliches Handeln: Äußerungen von Hoheitsträgern (Fall 1)


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Bürgermeisterin B geht an einem Sonntag mit ihrer Ehefrau im Wald spazieren. Unterwegs begegnen sie Q. B bezeichnet Q als "durchgeknallten Querdenker".

Einordnung des Falls

Abgrenzung öffentlich-rechtliches und privatrechtliches Handeln: Äußerungen von Hoheitsträgern (Fall 1)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Äußerungen von Hoheitsträgern können öffentlich-rechtliche Realakte sein.

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Genau, so ist das!

Äußerungen von Behörden beziehungsweise Amtsträgern - z.B. Beispiel Appelle, Auskünfte, Erklärungen, Warnungen, Empfehlungen, Werturteile - können öffentlich-rechtliche Realakte sein. Die Schwierigkeit bei Äußerungen von Amtsträgern liegt darin, dass die Person rechtlich in eine Amtsperson und eine Privatperson geteilt werden kann. Es ist teilweise schwer einzuordnen, ob eine Aussage in der Rolle der Amtsperson oder in der Rolle der Privatperson getätigt wurde. Rechtsschutz gegen die Aussagen eines Amtsträgers richtet sich nicht gegen die äußernde Amtsperson, sondern grundsätzlich gegen die zuständige Behörde, der die Äußerung zuzurechnen ist.

2. Öffentlich-rechtliche Äußerungen müssen von privatrechtlichen Äußerungen abgegrenzt werden.

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Ja, in der Tat!

Für den richtigen Klageweg ist es von Bedeutung, ob die Äußerungen öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Natur sind. Gerade, wenn ein Amtsträger eine Äußerung tätigt, ist oftmals nicht klar, wie diese Aussage zu qualifizieren ist. Nach der überwiegend vertretenen Akzessorietätstheorie sind Aussagen dann öffentlich-rechtlicher Natur, wenn sie in einem funktionalen Zusammenhang mit hoheitlicher Aufgabenerfüllung stehen. Das bedeutet, dass sie im Rahmen öffentlich-rechtlicher Aufgabenerfüllung, gestützt auf vorhandene oder vermeintliche öffentlich-rechtliche Befugnisse vorgenommen werden.

3. Bs Äußerungen sind allein deswegen öffentlich-rechtlich, weil sie aktuell amtierende Bürgermeisterin ist.

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Nein!

Auch Amtsträger haben ein Privatleben. Wenn sämtliche Aussagen als öffentlich-rechtliches Handeln eingestuft würden, würde das die Rechte des Amtsträgers aus Art. 2 Abs. 1 GG unverhältnismäßig einschränken. Auf der anderen Seite soll sich der Amtsträger nicht dadurch aus der öffentlich-rechtlichen Verantwortung ziehen können, die Aussage als Privatperson getätigt zu haben. Die Abgrenzung erfolgt danach, ob die Aussage in einem funktionalen Zusammenhang mit der hoheitlichen Tätigkeit des Amtsträgers getätigt wurde. Es geht um die Frage: "Handelt die Person als Privatperson oder in ihrer Rolle als Amtsträger?" Für die öffentlich-rechtliche Qualifizierung von B's Aussage reicht der alleinige Verweis auf ihr Amt nicht aus.

4. B tätigt ihre Äußerungen in Zusammenhang mit ihrer Amtsausführung. Es liegt öffentlich-rechtliches Handeln vor.

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Nein, das ist nicht der Fall!

Für die Beurteilung, ob eine Äußerung im funktionalen Zusammenhang mit einem öffentlich-rechtlichen Amt steht, sind die Umstände des Einzelfalls entscheidend. Wichtig ist dabei ist die konkrete öffentliche Aufgabe und der Kontext, in dem die Aussage getätigt wird. Äußerungen sind privatrechtlicher Natur, wenn sie in einem Lebensbereich fallen, in dem sich die Rechtsbeziehungen der Beteiligten nach zivilrechtlichen Normen richten B befand sich auf einem privaten Sonntagsspaziergang mit ihrer Frau, nicht im Rathaus oder auf einer öffentlichen Veranstaltung, wo sie in ihrer Rolle als Bürgermeisterin auftrat. Sie begegnete Q als gleichgestellte Privatperson.

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