Abgrenzung öffentlich-rechtliches und privatrechtliches Handeln: Äußerungen von Hoheitsträgern (Fall 2)


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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Bürgermeisterin B schreibt in einer Mitteilung, die sie auf der offiziellen Seite der Stadt veröffentlicht: "Warnung vor Verschwörungsspinnern in der Stadt! Auf meinem Sonntagsspaziergang musste ich die Begegnung mit dem durchgeknallten Querdenker Q machen."

Einordnung des Falls

Abgrenzung öffentlich-rechtliches und privatrechtliches Handeln: Äußerungen von Hoheitsträgern (Fall 2)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Äußerungen von Hoheitsträgern können öffentlich-rechtliche Realakte sein. Sie müssen von privatrechtlichen Äußerungen abgegrenzt werden.

Ja, in der Tat!

Äußerungen von Behörden bzw. Amtsträgern - z.B. Appelle, Auskünfte, Erklärungen, Warnungen, Empfehlungen, Werturteile - können öffentlich-rechtliche Realakte sein. Nach der überwiegend vertretenen Akzessorietätstheorie sind Aussagen dann öffentlich-rechtlicher Natur, wenn sie in einem funktionalen Zusammenhang mit hoheitlicher Aufgabenerfüllung stehen. Das bedeutet, dass sie im Rahmen öffentlich-rechtlicher Aufgabenerfüllung, gestützt auf vorhandene oder vermeintliche öffentlich-rechtliche Befugnisse vorgenommen werden.

2. Weil B von ihrem privaten Sonntagsspaziergang erzählt, sind die Äußerungen privatrechtlicher Natur.

Nein!

Für die Beurteilung, ob eine Äußerung privatrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Natur ist, kommt es nicht vorrangig auf den Inhalt der Äußerung an. Entscheidend ist vielmehr, ob die Äußerungen einen funktionalen Zusammenhang mit der Amtsausübung aufweisen. Dies wird nach den Umständen der Äußerung beurteilt. Nur, weil B von ihrem Sonntagsspaziergang berichtet, ist die Äußerung nicht automatisch als privatrechtlich zu qualifizieren. Um zu begründen, in welchem Kontext Aussagen von Hoheitsträgern getroffen wurden, benutze sämtliche Informationen des Sachverhalts.

3. B tätigt die Aussagen in ihrer Rolle als Bürgermeisterin. Die Handlung ist öffentlich-rechtlicher Natur.

Genau, so ist das!

Um zu beurteilen, in welcher Rolle eine Person Äußerungen macht, kann betrachtet werden, ob die Amtsperson die Infrastruktur der Verwaltung nutzt, auf einer öffentlichen Veranstaltung als Amtsperson auftritt oder durch die Äußerung öffentlich-rechtliche Aufgaben erfüllt. Warnungen auszusprechen gehört zu den Aufgaben der Verwaltung. B nutzt die offizielle Seite der Stadt für ihre Äußerungen. Sie handelt dort nicht als Privatperson, sondern in ihrer Rolle als Bürgermeisterin. Die Aussagen sind öffentlich-rechtlicher Natur. Rechtsschutz gegen die Aussagen eines Amtsträgers richtet sich nicht gegen die äußernde Amtsperson, sondern grundsätzlich gegen die zuständige Behörde, der die Äußerung zuzurechnen ist.

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ahimes

ahimes

19.12.2023, 12:45:22

Wie würde denn hier der Rechtsschutz für Q aussehen? Leistungsklage on Form einer Unterlassungsklage?

MAR

Marvin

20.12.2023, 10:03:03

Ja genau. Q kann hier mittels der Leistungsklage erwirken, dass die Aussage widerrufen werden muss. Unter Umständen kann er auch eine

vorbeugende Unterlassungsklage

erheben, wenn die Äußerung weiterer Aussagen der Art zu befürchten sind. Eine Feststellungsklage würde hier vermutlich am Rechtsschutzbedürfnis scheitern, weil die Leistungsklage rechtsschutzintensiver ist. Die Abwehr von hoheitlichen Äußerungen ist eine klassische Fallgruppe des öffentlich-rechtlichen Abwehr- und Unterlassungsanspruchs. Im Gegensatz zum

Folgenbeseitigungsanspruch

(FBA) geht es hier nicht um die Beseitigung der Folgen, sondern um die Abwehr des Eingriffs selbst.

ahimes

ahimes

20.12.2023, 19:51:35

Vielen Dank für Deine ausführliche Antwort!


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