Zivilrecht

Sachenrecht

Erwerb und Verlust von Grundstücksrechten

Einstiegsfall gutgläubiger Erwerb von Grundstücksrechten

Einstiegsfall gutgläubiger Erwerb von Grundstücksrechten

2. April 2025

14 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

V verkauft K sein Grundstück. V versichert, dass das Grundstück „top“ sei. Das Erdreich ist jedoch stark verunreinigt. K wird als Eigentümer eingetragen. Danach ficht K "alles" an. Um V eins auszuwischen, veräußert K das Grundstück an G, der als Eigentümer eingetragen wird.

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Einordnung des Falls

Einstiegsfall gutgläubiger Erwerb von Grundstücksrechten

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. V hat K ursprünglich Eigentum an dem Grundstück verschafft.

Ja!

Der Eigentumserwerb an einem Grundstück nach §§ 873, 925 BGB setzt voraus: (1) Einigung über den Eigentumsübergang am Grundstück (Auflassung, § 925 BGB), (2) Eintragung ins Grundbuch, (3) Einigsein, § 873 Abs. 2 BGB, (4) Verfügungsberechtigung des Veräußerers. K und V haben die Auflassung erklärt (§ 925 BGB). K wurde ins Grundbuch eingetragen. Zu diesem Zeitpunkt waren K und V auch noch einig und V war verfügungsbefugt.
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2. Der Kaufvertrag ist infolge der Anfechtung des K nichtig (§ 142 Abs. 1 BGB).

Genau, so ist das!

Die Anfechtung eines Rechtsgeschäfts setzt das Bestehen eines Anfechtungsgrundes und eine Anfechtungserklärung (§ 143 Abs. 1 BGB) voraus. V hat K arglistig über die Vereinreinigung des Erdreichs getäuscht (§ 123 Abs. 1 Alt. 1 BGB). K hat die Anfechtung erklärt. Der Kaufvertrag ist ex tunc nichtig (§ 142 Abs. 1 BGB).

3. Die Anfechtung des Kaufvertrags führt automatisch zur Nichtigkeit der Übereignung.

Nein, das trifft nicht zu!

Zu beachten sind das Trennungs- und Abstraktionsprinzip. Danach sind Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft voneinander unabhängig zu betrachten und die Unwirksamkeit des Verpflichtungsgeschäfts hat keinen Einfluss auf die dingliche Rechtslage. Wenn Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft an demselben schwerwiegenden Mangel leiden, spricht man von Fehleridentiät (z.B. bei Anfechtung wegen arglistiger Täuschung). Durch die Anfechtung allein des Verpflichtungsgeschäfts bleibt die dingliche Rechtslage unberührt.

4. Die Übereignung ist infolge der Anfechtung des K nichtig (§ 142 Abs. 1 BGB).

Ja!

Grundsätzlich berührt die Unwirksamkeit des Verpflichtungsgeschäfts nicht die Wirksamkeit des Verfügungsgeschäfts. Leiden jedoch Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft an demselben schwerwiegenden Mangel, so kann auch das Verfügungsgeschäft von der Unwirksamkeit betroffen sein (Fehleridentität). Nach herrschender Meinung begründet § 123 Abs. 1 BGB sowohl einen Anfechtungsgrund für das Verpflichtungs-, als auch für das Verfügungsgeschäft. Die Erklärung des K, "alles" anzufechten erfasst nach §§ 133, 157 BGB auch das Verfügungsgeschäft.

5. G hat Eigentum am Grundstück nach §§ 873, 925 BGB erlangt.

Nein, das ist nicht der Fall!

Der Eigentumserwerb an einem Grundstück nach §§ 873, 925 BGB setzt voraus: (1) Einigung über den Eigentumsübergang am Grundstück (Auflassung, § 925 BGB), (2) Eintragung ins Grundbuch, (3) Einigsein, § 873 Abs. 2 BGB, (4) Verfügungsberechtigung des Veräußerers. K und G haben die Auflassung erklärt (§ 925 BGB). G wurde ins Grundbuch eingetragen. Zu diesem Zeitpunkt bestand auch die Einigung noch. K war jedoch infolge der Anfechtung der Übereignung V-K nicht mehr Grundstückseigentümer und damit nicht mehr verfügungsbefugt.

6. G hat gutgläubig Eigentum nach §§ 873, 925, 892 Abs. 1 BGB erworben.

Ja, in der Tat!

Der gutgläubige Erwerb nach § 892 Abs. 1 BGB setzt voraus: (1) Rechtsgeschäft im Sinne eines Verkehrsgeschäfts, (2) Unrichtigkeit des Grundbuchs, (3) Legitimation des Verfügenden durch das Grundbuch, (4) Gutgläubigkeit des Erwerbers, (5) Kein eingetragener Widerspruch im Grundbuch, (6) Eintragung des zu erwerbenden Rechts. Die Veräußerung des Grundstücks an G ist ein Rechtsgeschäft im Sinne eines Verkehrsgeschäfts. Das Grundbuch ist unrichtig, da K als Eigentümer ausgewiesen wird, tatsächlich jedoch V Eigentümer ist. Hieraus ergibt sich die Legitimation des K als Veräußerer. G kennt die Unrichtigkeit des Grundbuchs nicht. Auch ein Widerspruch (§ 899 BGB) ist nicht eingetragen.

7. Das Gesetz vermutet die Richtigkeit des Grundbuchs.

Ja!

§ 891 BGB enthält die Vermutung, dass der im Grundbuch eingetragene Berechtigte auch der wahre Berechtigte ist und dass ihm das Recht mit dem eingetragenen Inhalt zusteht. Bei einem gelöschten Recht wird vermutet, dass es nicht mehr besteht, § 891 Abs. 2 BGB. Diese Vermutungsregelung hat eine Verlagerung der Beweislast zur Folge: Derjenige, der die Richtigkeit des Grundbuchs anzweifelt, muss die Unrichtigkeit beweisen. § 891 BGB hat dabei dieselbe Vermutungsfunktion wie § 1006 BGB im Mobiliarsachenrecht. § 891 BGB ist jedoch weiter als § 1006 BGB, da er nicht nur die Eigentumsvermutung enthält, sondern alle im Grundbuch eingetragenen dinglichen Rechte erfasst. Die Richtigkeitsvermutung schützt sowohl den Eingetragenen, als auch die Teilnehmer des Rechtsverkehrs: Letztere können im Grundbuch eingetragene Rechte gutgläubig erwerben (§ 892 BGB).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

MAX

Max

19.6.2023, 10:52:16

Sperrt hier nicht das Mängelgewährleistungsrecht die Anfechtung? Der verunreinigte Boden ist doch ein Sachmangel oder?

MAX

Max

19.6.2023, 12:18:30

Ups hab mich verlesen sorry! Geht hier ja um

arglistige Täuschung

.

Dogu

Dogu

25.3.2024, 13:19:43

Es war aber ein guter Denkanstoß zur Wiederholung des Schuldrechts. ;)

BL

Blotgrim

12.4.2024, 11:36:26

Das Mängelgewährleistungsrecht würde außerdem nur den

Eigenschaftsirrtum

ausschließen. Der Erklärungs- und

Inhaltsirrtum

sind nicht betroffen

DO

Domenic

14.3.2024, 18:12:59

Es könnte bei der Lösung des Falls evtl. noch etwas genauer auf die Abgrenzung zwischen § 891 und § 892 eingegangen werden. Insbesondere das 891 eine Vermutungsregel für den Eingetragenen ist. Der Käufer hat da nichts verloren. Für den Käufer ist

§ 892 BGB

da. Das geht aus der letzten Antwort nicht eindeutig hervor und vermischt es etwas, wie ich finde.

L.G

L.Goldstyn

11.8.2024, 12:26:48

Genügen die Sachverhaltsangaben hier denn zur Bejahung der Arglist?

TI

Timurso

11.8.2024, 12:54:00

Mir würden sie nicht reichen. Arglist heißt

Vorsatz

und es ist an keiner Stelle, auch nicht in der Zeichnung, erkennbar, dass V von der Verunreinigung wusste.

QUAR

Quarklo

23.8.2024, 02:42:31

Wenn der Erklärende Behauptungen "ins Blaue" tätigt, reichen diese aus. Nicht die positive Kenntnis der Fehlerhaftigkeit der Erklärung ist notwendig, sondern das Wissen über eine mögliche Fehlerhaftigkeit ist ausreichend

FTE

Findet Nemo Tenetur

20.10.2024, 18:32:37

Im Mobiliarsachenrecht gilt ja der Rechtsschein des B

esi

tzes. Die Vermutungsregelung des § 1006 I 1 sagt, so wie ich es verstehe, dasselbe aus. Kann ich beides (“Rechtsschein” und “Vermutung des § 1006 I 1”) synonym verwenden oder ist der Rechtsschein des B

esi

tzes eher der “Effekt” des § 1006 I 1 in der Realität? Und spricht man beim Immobiliarsachenrecht entsprechend auch vom Rechtsschein des Grundbucheintrags? Oder ist es da kein Schein sondern wegen § 892 eine Fiktion?

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

23.10.2024, 10:04:57

Hallo @Karolin, zu Deiner ersten Frage: Beides hängt jedenfalls sehr eng miteinander zusammen und lässt sich kaum trennen, mit kompletten Synonymen tue ich mich aber dennoch etwas schwer. Ich gebe aber offen zu, dass das eher Sprachgefühl als wirklich rechtlich zwingend ist. Rechtsschein des B

esi

tzes meint üblicherweise ja, dass der (unmittelbare) B

esi

tz dem B

esi

tzer einen gewissen Anstrich rechtlicher Legitimität verleiht, der sich sachenrechtlich auswirkt. Der Grund dafür liegt dann natürlich ganz wesentlich in § 1006 I 1 BGB, der konkreten Vermutung

zugunsten

des B

esi

tzers dahingehend, dass er Eigentümer ist. § 1006 I 1 BGB ist klar eine "Ausprägung" des Rechtsscheins des B

esi

tzes. Letzterer kommt aber zB nicht nur dem B

esi

tzer zugute, sondern über die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs nach §§ 932 ff BGB auch dem Erwerber, der darüber Eigentümer werden kann. Auch das hängt natürlich wiederum letztlich mit § 1006 I 1 BGB zusammen. Zu Deiner zweiten Frage: Man spricht üblicherweise vom Rechtsschein des Grundbuchs, nicht des Grundbucheintrags. Das ist dann aber ein durchaus gängiger Begriff. Ob

§ 892 BGB

eine Fiktion darstellt (so wohl die hM) oder eine unwiderlegliche Vermutung aufstellt, kann man diskutieren. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team


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W ist Eigentümer eines Grundstücks. Im Grundbuch ist jedoch E als Eigentümer eingetragen. Als E verstirbt, veräußert Alleinerbe V das Grundstück an den K, der V als Erben für den Eigentümer hält. K wird als neuer Eigentümer eingetragen. Einen Erbschein hat V nicht.

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Maßstab der Gutgläubigkeit 1

V ist Bucheigentümer eines Grundstücks, das im Eigentum des E steht. V veräußert das Grundstück an K. K wird auch als neuer Eigentümer eingetragen. K hat dabei Zweifel an der Eigentümerstellung des V, weiß aber nicht positiv, dass V in Wahrheit nicht Eigentümer ist.

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