Erbe: § 892 BGB
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
W ist Eigentümer eines Grundstücks. Im Grundbuch ist jedoch E als Eigentümer eingetragen. Als E verstirbt, veräußert Alleinerbe V das Grundstück an den K, der V als Erben für den Eigentümer hält. K wird als neuer Eigentümer eingetragen. Einen Erbschein hat V nicht.
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Einordnung des Falls
Erbe: § 892 BGB
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. V hat durch den Tod des E Eigentum an dem Grundstück erlangt (§ 1922 Abs. 1 BGB).
Nein, das ist nicht der Fall!
Jurastudium und Referendariat.
2. K hat von V Eigentum am Grundstück nach §§ 873, 925 BGB erlangt.
Nein, das trifft nicht zu!
3. K hat gutgläubig von V Eigentum an dem Grundstück nach §§ 873, 925, 892 BGB erlangt.
Ja!
4. K kann sich zusätzlich auf gutgläubigen Erwerb von V nach § 2366 BGB berufen.
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
antoniasophie
19.3.2022, 21:12:52
Gilt das auch im Falle eines vorzeitigen Erbes?
Lukas_Mengestu
21.3.2022, 12:24:02
Hallo Antonia, § 40 GBO ist als Ausnahmevorschrift eng auszulegen. Bei einer "vorzeitigen Erbschaft", also der Schenkung des Grundstückes noch zu Lebzeiten des Erblassers, findet diese insoweit keine Anwendung. Hier wäre also eine Zwischeneintragung erforderlich. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
antoniasophie
21.3.2022, 14:02:56
Dankeschön, Lukas! :)
🦊²
26.8.2022, 20:04:36
Hey, noch mehr Fälle zum Erbschein als solches waren schön und insbesondere im zusammenspiel mit 892 BGB :) Danke Euch! 🦊 ²
Nora Mommsen
8.9.2022, 15:35:25
Hallo Fuchs², danke für die Rückmeldung. Das haben wir uns notiert. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
StellaChiara
2.10.2023, 18:09:39
meiner meinung nach ist die lösung falsch, da V nicht im Grundbuch eingetragen war zur legitimation fpr 892 bgb und auch keinen erbschein für 2366 bgb hatte. somit konnte K meiner Meinung nach nicht gutgläubig erwerben mangels Rechtsscheins, ist das richtig?
Juratiopharm
9.11.2023, 18:08:29
Erforderlich ist nach § 892 I S. 1 nur, dass der Verfügende durch das Grundbuch legitimiert wird. Hier ist der Erblasser eingetragen. Wäre dieser tatsächlich Eigentümer, was vermutet wird, wäre der Erbe berechtigt.
justintolaw
11.11.2023, 19:47:22
Ich stimme StellaChiara zu. Die Erbenstellung und die daraus resultierende Verfügungsberechtigung des V ergibt sich doch nicht aus dem Grundbuch. Der einzige Rechtsschein der gesetzt wird ist, dass E Verfügungsberechtigt war. Ohne Erbschein oder als Eigentümer im Grundbuch eingetragen zu sein, gibt es keinen Rechtsschein für die Verfügungsberechtigung des V.
meentangled
5.12.2023, 16:12:13
Naja, K könnte gutgläubig von V erwerben, wenn das Grundbuch ihn (V) legitimieren würde. Der Inhalt des guten Glaubens aus § 892 ist, dass E Eigentümer war, nicht, dass er verfügungsberechtigt ist. Wäre die Situation so, wie im Grundbuch beschrieben, wäre V durch den Tod des E Eigentümer geworden, § 1922. Dann hätte er das Eigentum an K übertragen können, und zwar ohne Voreintragung, § 40 GBO. V ist ja in Wirklichkeit der wahre Erbe des E, deswegen muss er nicht durch einen Erbschein legitimiert werden. Wegen § 1922 tritt V in alle Positionen des E ein (auch die Buchposition). Deswegen kann man bei der Falllösung quasi so tun, als wäre V E. Und E könnte ja, wegen der Eintragung im GB, problemlos gem. §§ 873 I, 929, 892 I BGB Eigentum an K übertragen.
Steinfan
20.3.2024, 18:32:02
Was meentangled sagt. Vgl. BeckOGK/Hertel, 15.4.2021, BGB § 892 Rn. 93-96 “Ist im Grundbuch noch der Erblasser eingetragen, verfügen aber die wahren Erben des Eingetragenen, so ist gutgläubiger Erwerb möglich, so als ob der eingetragene Erblasser tatsächlich so wie eingetragen berechtigt gewesen wäre.”
Lorenz
24.5.2024, 18:10:33
@meentangled: §1922 BGB ist zwar ein ges. Automatismus, setzt aber ja keinen Rechtschein. Wie kann sich denn V bzw. K vor der Eintragung des V darauf berufen? Einen Erbschein gibt es ja nicht.
Lorenz
24.5.2024, 19:31:01
Habs jetzt verstanden. Es braucht gar keinen Rechtschein, da V ja als wahrer Erbe verfügt.
Sebastian Schmitt
24.10.2024, 10:15:23
Hallo @[StellaChiara](19
2733), ich kann mich den Antworten von @[meentangled](214066) und @[Steinfan](235363) nur anschließen. Die (tatsächlichen!) Erben des Bucheigentümers profitieren ebenso vom für den Erblasser bestehenden Rechtsschein seiner Eintragung wie der Erblasser selbst. Laut MüKo soll dieser Rechtsschein als "besitzähnlicher Vermögenswert" analog §§ 1922, 857 BGB auf die Erben übergehen (MüKoBGB/Schäfer, 9. Aufl 2023, § 892 Rn 8). Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team
Dogu
25.3.2024, 13:34:00
Ich finde den letzten Teil Eurer Musterlösung zu § 2366 BGB verwirrend und vielleicht sogar falsch, falls ich den Erbschein richtig verstanden habe: Der Rechtsschein nach § 2366 BGB reicht dem Wortlaut nach nur soweit die Vermutung des § 2365 BGB reicht. § 2365 hat aber nichts mit der Zugehörigkeit eines Gegenstandes zum Nachlass bzw. die Eigentümerstellung des Erblassers zu tun (BeckOK BGB/Siegmann/Höger, 69. Ed. 1.2.2024, BGB § 2365 Rn. 7). Daher verstehe ich nicht, wieso sich der Erwerber hier überhaupt darauf berufen sollte, wenn die Erbenstellung außer Frage steht. So wie es jetzt formuliert ist, wird angedeutet, man könne aus einem Erbschein einen Rechtsschein auf die Eigentümerstellung herleiten.
Lorenz
24.5.2024, 18:33:57
Ich verstehe nicht, wie K gutgläubig erwerben kann, wenn zwar der Rechtschein der Eigentümerstellung von E gesetzt wird, aber ohne Erbschein kein Rechtschein bez. der Erbenstellung von V gesetzt wird. Unter G. wird hier (https://rsw.beck.de/docs/librariesprovider51/jus-extra/jus-extra_2013_06_schlinker_zickgraf.pdf?sfvrsn=2) auf § 2366 BGB verwiesen, welcher einen Erbschein voraussetzt. Zuvor wurde der gutgläubige Erwerb abgelehnt.
meentangled
24.5.2024, 19:23:34
Du brauchst keinen Rechtsschein bezüglich der Erbenstellung, weil V ja der Erbe ist. Das ist die tatsächliche Rechtslage, warum würdest Du einen Erbschein brauchen?
Lorenz
24.5.2024, 19:29:01
Danke, habs eben auch verstanden. Es ist ein wenig wie beim KFZ-Brief, der ja auch nur beim Nichtberechtigten relevant wird.
Sebastian Schmitt
24.10.2024, 09:59:58
Hallo @Lorenz, @[meentangled](214066) hat Deine Frage schon genau richtig beantwortet. In dem von Dir verlinkten Fall ging es um eine Scheinerbin. Deswegen brauchen wir dort noch den Erbschein, um über die fehlende tatsächliche Erbenstellung hinwegzukommen. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team
Sebastian Schmitt
24.10.2024, 10:08:32
Hallo @Lorenz, @[meentangled](214066) hat Deine Frage schon genau richtig beantwortet. In dem von Dir verlinkten Fall ging es um eine Scheinerbin, deswegen brauchen wir dort zusätzlich den Rechtsschein des Erbscheins. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team
Findet Nemo Tenetur
20.10.2024, 19:02:10
Ich verstehe den Teil der Antwort mit Hinweis auf §§ 39, 40 GBO nicht ganz. § 40 I GBO sagt: “… Erbe de eingetragenen Berechtigten…”, aber E war hier doch gerade nicht berechtigt. Oder heißt “Berechtigter” in diesem Kontext einfach die Person, die im Grundbuch steht?
Sebastian Schmitt
24.10.2024, 09:52:29
Hallo @Karolin, § 40 GBO meint in der Tat keine materielle Berechtigung iSe materiell-rechtlichen, "wahren" Eigentümers, sondern nur eine Eintragung als Bucheigentümer, "als der Berechtigte", wie sich auch aus dem Zusammenspiel mit § 39 I GBO ergibt. §§ 39 f GBO enthalten nur förmliches Grundbuchrecht, für die materielle Rechtslage sind ohnehin nur §§ 873 ff BGB ausschlaggebend (Keller/Munzig/Volmer, KEHE GrundbuchR, § 39 GBO Rn 1), zumal es sich bei § 39 GBO dem Wortlaut auch nur um eine Sollvorschrift handelt. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team