mittel

Diesen Fall lösen 69,9 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

W ist Eigentümer eines Grundstücks. Im Grundbuch ist jedoch E als Eigentümer eingetragen. Als E verstirbt, veräußert Alleinerbe V das Grundstück an den K, der V als Erben für den Eigentümer hält. K wird als neuer Eigentümer eingetragen. Einen Erbschein hat V nicht.

Einordnung des Falls

Erbe: § 892 BGB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. V hat durch den Tod des E Eigentum an dem Grundstück erlangt (§ 1922 Abs. 1 BGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Der Erbe tritt umfassend in das Vermögen des Erblassers ein, § 1922 Abs. 1 BGB. Erblasser E war jedoch nur Bucheigentümer des Grundstücks. Wirklicher Eigentümer des Grundstücks war W. V konnte nicht nach § 1922 Abs. 1 BGB Eigentum an dem Grundstück erlangen.

2. K hat von V Eigentum am Grundstück nach §§ 873, 925 BGB erlangt.

Nein, das trifft nicht zu!

Der Eigentumserwerb an einem Grundstück nach §§ 873, 925 BGB setzt voraus: (1) Einigung über den Eigentumsübergang am Grundstück (Auflassung, § 925 BGB), (2) Eintragung ins Grundbuch, (3) Einigsein, § 873 Abs. 2 BGB, (4) Verfügungsberechtigung des Veräußerers. K und V haben die Auflassung erklärt (§ 925 BGB). K wurde ins Grundbuch eingetragen. Zu diesem Zeitpunkt bestand auch die Einigung noch. V war jedoch nicht Eigentümer des Grundstücks und damit nicht verfügungsbefugt.

3. K hat gutgläubig von V Eigentum an dem Grundstück nach §§ 873, 925, 892 BGB erlangt.

Ja!

Der gutgläubige Erwerb nach § 892 Abs. 1 BGB setzt voraus: (1) Rechtsgeschäft im Sinne eines Verkehrsgeschäfts, (2) Unrichtigkeit des Grundbuchs, (3) Legitimation des Verfügenden durch das Grundbuch, (4) Gutgläubigkeit des Erwerbers, (5) Kein eingetragener Widerspruch im Grundbuch (6) Eintragung des zu erwerbenden Rechts. Die Übereignung des Grundstücks an K ist ein Rechtsgeschäft im Sinne eines Verkehrsgeschäfts. Das Grundbuch ist unrichtig, da es statt W den Erblasser E als Eigentümer ausweist. Aus der Eintragung des E ergibt sich die Legitimation des Erben V. Der Grundsatz der Voreintragung (§ 39 GBO) ist im Erbfall entbehrlich (§ 40 GBO). K ist gutgläubig. Ein Widerspruch ist nicht im Grundbuch eingetragen.

4. K kann sich zusätzlich auf gutgläubigen Erwerb von V nach § 2366 BGB berufen.

Nein, das ist nicht der Fall!

§ 2366 BGB setzt die Existenz eines Erbscheins voraus. Ein solcher existiert hier jedoch nicht.

Jurafuchs kostenlos testen


Antonia

Antonia

19.3.2022, 21:12:52

Gilt das auch im Falle eines vorzeitigen Erbes?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

21.3.2022, 12:24:02

Hallo Antonia, § 40 GBO ist als Ausnahmevorschrift eng auszulegen. Bei einer "vorzeitigen Erbschaft", also der Schenkung des Grundstückes noch zu Lebzeiten des Erblassers, findet diese insoweit keine Anwendung. Hier wäre also eine Zwischeneintragung erforderlich. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Antonia

Antonia

21.3.2022, 14:02:56

Dankeschön, Lukas! :)

🦊²

🦊²

26.8.2022, 20:04:36

Hey, noch mehr Fälle zum Erbschein als solches waren schön und insbesondere im zusammenspiel mit 892 BGB :) Danke Euch! 🦊 ²

Nora Mommsen

Nora Mommsen

8.9.2022, 15:35:25

Hallo Fuchs², danke für die Rückmeldung. Das haben wir uns notiert. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

STE

StellaChiara

2.10.2023, 18:09:39

meiner meinung nach ist die lösung falsch, da V nicht im Grundbuch eingetragen war zur legitimation fpr 892 bgb und auch keinen erbschein für 2366 bgb hatte. somit konnte K meiner Meinung nach nicht gutgläubig erwerben mangels Rechtsscheins, ist das richtig?

Juratiopharm

Juratiopharm

9.11.2023, 18:08:29

Erforderlich ist nach § 892 I S. 1 nur, dass der Verfügende durch das Grundbuch legitimiert wird. Hier ist der Erblasser eingetragen. Wäre dieser tatsächlich Eigentümer, was vermutet wird, wäre der Erbe berechtigt.

justintolaw

justintolaw

11.11.2023, 19:47:22

Ich stimme StellaChiara zu. Die Erbenstellung und die daraus resultierende Verfügungsberechtigung des V ergibt sich doch nicht aus dem Grundbuch. Der einzige Rechtsschein der gesetzt wird ist, dass E Verfügungsberechtigt war. Ohne Erbschein oder als Eigentümer im Grundbuch eingetragen zu sein, gibt es keinen Rechtsschein für die Verfügungsberechtigung des V.

MEEN

meentangled

5.12.2023, 16:12:13

Naja, K könnte gutgläubig von V erwerben, wenn das Grundbuch ihn (V) legitimieren würde. Der Inhalt des guten Glaubens aus § 892 ist, dass E Eigentümer war, nicht, dass er verfügungsberechtigt ist. Wäre die Situation so, wie im Grundbuch beschrieben, wäre V durch den Tod des E Eigentümer geworden, § 1922. Dann hätte er das Eigentum an K übertragen können, und zwar ohne Voreintragung, § 40 GBO. V ist ja in Wirklichkeit der wahre Erbe des E, deswegen muss er nicht durch einen Erbschein legitimiert werden. Wegen § 1922 tritt V in alle Positionen des E ein (auch die Buchposition). Deswegen kann man bei der Falllösung quasi so tun, als wäre V E. Und E könnte ja, wegen der Eintragung im GB, problemlos gem. §§ 873 I, 929, 892 I BGB Eigentum an K übertragen.

Steinfan

Steinfan

20.3.2024, 18:32:02

Was meentangled sagt. Vgl. BeckOGK/Hertel, 15.4.2021, BGB § 892 Rn. 93-96 “Ist im Grundbuch noch der Erblasser eingetragen, verfügen aber die wahren Erben des Eingetragenen, so ist gutgläubiger Erwerb möglich, so als ob der eingetragene Erblasser tatsächlich so wie eingetragen berechtigt gewesen wäre.”

LO

Lorenz

24.5.2024, 18:10:33

@meentangled: §1922 BGB ist zwar ein ges. Automatismus, setzt aber ja keinen Rechtschein. Wie kann sich denn V bzw. K vor der Eintragung des V darauf berufen? Einen Erbschein gibt es ja nicht.

LO

Lorenz

24.5.2024, 19:31:01

Habs jetzt verstanden. Es braucht gar keinen Rechtschein, da V ja als wahrer Erbe verfügt.

Dogu

Dogu

25.3.2024, 13:34:00

Ich finde den letzten Teil Eurer Musterlösung zu § 2366 BGB verwirrend und vielleicht sogar falsch, falls ich den Erbschein richtig verstanden habe: Der Rechtsschein nach § 2366 BGB reicht dem Wortlaut nach nur soweit die Vermutung des § 2365 BGB reicht. § 2365 hat aber nichts mit der Zugehörigkeit eines Gegenstandes zum Nachlass bzw. die Eigentümerstellung des Erblassers zu tun (BeckOK BGB/Siegmann/Höger, 69. Ed. 1.2.2024, BGB § 2365 Rn. 7). Daher verstehe ich nicht, wieso sich der Erwerber hier überhaupt darauf berufen sollte, wenn die Erbenstellung außer Frage steht. So wie es jetzt formuliert ist, wird angedeutet, man könne aus einem Erbschein einen Rechtsschein auf die Eigentümerstellung herleiten.

LO

Lorenz

24.5.2024, 18:33:57

Ich verstehe nicht, wie K gutgläubig erwerben kann, wenn zwar der Rechtschein der Eigentümerstellung von E gesetzt wird, aber ohne Erbschein kein Rechtschein bez. der Erbenstellung von V gesetzt wird. Unter G. wird hier (https://rsw.beck.de/docs/librariesprovider51/jus-extra/jus-extra_2013_06_schlinker_zickgraf.pdf?sfvrsn=2) auf § 2366 BGB verwiesen, welcher einen Erbschein voraussetzt. Zuvor wurde der gutgläubige Erwerb abgelehnt.

MEEN

meentangled

24.5.2024, 19:23:34

Du brauchst keinen Rechtsschein bezüglich der Erbenstellung, weil V ja der Erbe ist. Das ist die tatsächliche Rechtslage, warum würdest Du einen Erbschein brauchen?

LO

Lorenz

24.5.2024, 19:29:01

Danke, habs eben auch verstanden. Es ist ein wenig wie beim KFZ-Brief, der ja auch nur beim Nichtberechtigten relevant wird.


© Jurafuchs 2024