Fremdheit des Geschäfts – Auch-fremdes Geschäft (Funkenflug-Fall) 1


+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

Durch Funkenflug verursacht eine Bahn auf der Strecke zwischen Kassel und Frankfurt einen Waldbrand. Die Gemeinde G lässt den Brand durch ihre Freiwillige Feuerwehr löschen. G verlangt von der Deutschen Bahn B Ersatz der Löschkosten.

Einordnung des Falls

Fremdheit des Geschäfts – Auch-fremdes Geschäft (Funkenflug-Fall) 1

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Indem G den Brand gelöscht hat, hat sie "ein Geschäft besorgt" (§ 677 BGB).

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Ja!

Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) begründet ein gesetzliches Schuldverhältnis. Sie liegt vor, wenn jemand (der Geschäftsführer) ein Geschäft für einen anderen (den Geschäftsherrn) besorgt, ohne von ihm beauftragt oder ihm gegenüber sonst dazu berechtigt zu sein. Geschäftsbesorgung ist hier wie im Auftragsrecht (§ 662 BGB) weit zu verstehen und umfasst jede fremdnützige tatsächliche oder rechtsgeschäftliche Tätigkeit, auch von kurzer Dauer. Mit der Brandbekämpfung ist G tatsächlich tätig geworden und hat ein Geschäft besorgt.

2. Der Geschäftsführer besorgt das Geschäft "für einen anderen" (§ 677 BGB), wenn er das Geschäft jedenfalls nicht nur als eigenes, sondern auch als fremdes Geschäft führt.

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Genau, so ist das!

Der Geschäftsführer muss das Geschäft für einen anderen besorgen (§ 677 BGB). Dies erfordert den nach außen erkennbaren Willen und das Bewusstsein, für einen anderen tätig zu werden (Fremdgeschäftsführungswille). Dabei ist zu unterscheiden: objektiv fremde Geschäfte fallen schon äußerlich in einen fremden Interessenkreis, hier wird der Wille (widerleglich) vermutet. Subjektiv fremde Geschäfte sind neutral, der Wille muss positiv festgestellt werden. Bei "auch-fremden" Geschäften liegt die Übernahme im eigenen und im fremden Interesse. Der Wille wird nach der Rechtsprechung grundsätzlich auch hier vermutet, insbesondere wenn das Interesse des Anderen an der Vornahme der Handlung im Vordergrund steht (sehr strittig).

3. Indem G den Brand gelöscht hat, hat sie ein objektiv fremdes Geschäft besorgt. Der Fremdgeschäftsführungswille wird vermutet.

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Nein, das trifft nicht zu!

Unter objektiv fremde Geschäfte fallen Tätigkeiten, die schon ihrem äußeren Erscheinungsbild nach in einen anderen Rechts- und Interessenkreis fallen, zB Hilfeleistungen, Gefahrabwendung und Zahlung fremder Schulden. G hat mit der Brandbekämpfung in Erfüllung öffentlich-rechtlicher Pflichten (Gefahrenabwehr) gehandelt und daher ein eigenes Geschäft geführt. Ihr Handeln fiel äußerlich erkennbar auch in ihren eigenen Rechts- und Interessenkreis.

4. Indem G den Brand gelöscht hat, hat sie ein subjektiv fremdes Geschäft besorgt. Der Fremdgeschäftsführungswille muss positiv festgestellt werden.

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Nein!

Unter subjektiv fremde Geschäfte fallen Tätigkeiten, die nicht nach außen als fremdes erkennbar sind, weil man ihnen nicht ansehen kann, dass im Interessenkreis eines Dritten gehandelt wird. Man spricht auch von objektiv eigenen bzw. neutralen Geschäften. Hier muss der Fremdgeschäftsführungswille positiv festgestellt werden. Seiner äußeren Erscheinung nach kam die Brandbekämpfung nicht nur G, sondern als Hilfeleistung für Dritte allen zugute, die durch die ungehinderte Ausbreitung des Feuers Schaden erleiden konnten. Hierzu gehörte objektiv erkennbar auch die Bahn, die als Brandverursacher für den Schaden haftete und an dessen Verringerung interessiert sein musste.

5. Indem G den Brand gelöscht hat, hat sie nach der Rspr. ein "auch-fremdes" Geschäft besorgt. Der Fremdgeschäftsführungswille wird vermutet.

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Genau, so ist das!

Unter "auch-fremde" Geschäfte fallen Tätigkeiten, die ihrer äußeren Erscheinung nach nicht nur in den Interessenkreis des Geschäftsführers fallen, sondern auch einem Dritten zugute kommen (Handeln im Doppelinteresse). Es liegt zugleich ein eigenes und ein fremdes Geschäft vor. Der Wille wird nach der Rechtsprechung grundsätzlich auch hier vermutet, insbesondere wenn das Interesse des Anderen an der Vornahme der Handlung im Vordergrund steht (sehr strittig). Die Brandbekämpfung durch die Feuerwehr der G liegt nicht nur im Interesse der G, sondern auch im Interesse der Bahn als Brandverursacher und ist somit ein "auch-fremdes" Geschäft.

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GE

Geasoph

23.10.2021, 21:40:53

Muss der Streit beim „auch-fremden“ Geschäft angeführt werden?

VI

Victor

24.10.2021, 12:02:21

Was meinst du genau? Das hier ist doch gerade ein Beispiel für das „auch-fremde“ Geschäft.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

25.10.2021, 11:32:47

Hallo Geasoph, ich vermute mal, du meintest, ob man in der Klausur den Streit darstellen muss oder einfach sagen kann, dass auch beim "auch-fremden" Geschäft, der Fremdgeschäftsführungswillen vermutet wird. Grundsätzlich würde ich eine Darstellung zumindest in den "pathologischen Fällen" den Streit erwähnen, zB 1) Erfüllung in öffentlicher Dienstpflicht (der Fall hier), 2) Aufwendungen im Hinblick auf zukünftigen Vertragsschluss (Erbensucherfall), 3) eigene Verpflichtung des Auftragnehmers ggü. einem Dritten; 4) der nichtige Vertrag; 5) Selbstaufopferung im Straßenverkehr (im Einzelnen zB: Looschelders, 15.A.2020, Schuldrecht BT, § 43 RdNr. 11 ff). Aber natürlich kannst Du dich dann für die Rechtsprechung entscheiden und die Vermutungswirkung bejahen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

SA

Saufen_Fetzt

8.2.2023, 17:00:27

Wenn die GoA in diesen Fallgruppen immer erst auf Rechtsfolgenseite ausgeschlossen wird; gibt es dann überhaupt einen sinnvollen Anwendungsbereich für die Widerlegung der Vermutung des FGW?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

9.2.2023, 13:08:43

Hallo Saufen_Fetzt, man darf natürlich nicht vergessen, dass im ersten Examen der Sachverhalt immer feststeht. Im zweiten Examen kommen dann Beweisfragen dazu darunter möglichweise auch die Frage, inwieweit ein Fremdgeschäftsführungswille nicht vorlag. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team


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