Produktfehler bei Kirschkern in Streuseltaler?


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Richterin R kauft in der Mittagspause bei Konditor K einen von diesem hergestellten Kirschtaler, ein Gebäckstück mit Kirschfüllung und Streuselbelag. K verwendet hierfür maschinell entkernte Kirschen. Beim Verzehr des Kirschtalers beißt R auf einen darin eingebackenen Kirschkern. Dabei bricht ein Teil ihres oberen linken Eckzahns ab. Dass in einzelnen Kirschen ausnahmsweise noch ein Kern vorhanden ist, kann K nicht vermeiden.

Einordnung des Falls

Produktfehler bei Kirschkern in Streuseltaler?

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Grundsätzlich ist die Haftung für Ausreißer nach § 1 ProdHaftG ausgeschlossen.

Nein!

Ein Produktfehler liegt grundsätzlich auch dann vor, wenn es sich um einen unvermeidbaren Ausreißer handelt. Denn die individuelle Vermeidbarkeit ist – anders als bei § 823 Abs. 1 BGB – für die Gefährdungshaftung unerheblich. Der Entlastungstatbestand des § 1 Abs. 2 Nr. 5 ProdHaftG betrifft nur Entwicklungsrisiken bei der Konstruktion von Produktion, aber nicht einzelne Ausreißer bei der Herstellung. Grundsätzlich kann sich der Hersteller daher nicht damit entlasten, dass solche Ausreißer für ihn unvermeidbar sind.

2. Für das Vorliegen eines Produktfehlers kommt es auf die Verkehrserwartung an.

Genau, so ist das!

Ein Produkt hat einen Fehler, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die unter Berücksichtigung aller Umstände berechtigterweise erwartet werden kann (§ 3 Abs. 1 ProdHaftG). Es kommt dabei nicht auf die subjektiven Sicherheitserwartungen des konkret Geschädigten an, sondern auf die Personen, an die sich der Hersteller mit dem Produkt wendet. Maßgeblich ist der Sicherheitsstandard, den die herrschende Verkehrsauffassung dieses Personenkreises für erforderlich hält.

3. Ganz vereinzelte Kerne in Kirschgebäckstücken entsprechen dem Sicherheitsstandard von Bäckerei- bzw. Konditoreikunden.

Ja, in der Tat!

BGH: Aus Sicht des Konsumenten könne nicht ganz ausgeschlossen werden, dass das Gebäck in seltenen Fällen auch einmal einen kleinen Stein enthält. Völlige Sicherheit gäbe es nur bei einem engen Sieb, durch das nur noch Kirschsaft hervorgebracht würde, oder wenn der Konditor jede einzelne Kirsche untersuchte. Dies sei (1) unzumutbar und (2) objektiv nicht erforderlich, da dem Verbraucher, der auf einen Kern beißt, keine schwerwiegende Gesundheitsgefahr drohe, die um jeden Preis und mit jedem erdenklichen Aufwand vermieden werden müsste. Der Verbraucher wisse, dass Kirschen Kerne enthalten. Seine Sicherheitserwartung könne deshalb berechtigterweise nicht ohne Weiteres darauf gerichtet sein, dass das Gebäckstück "Kirschtaler" zwar Kirschen, aber unter keinen Umständen Kirschkerne enthalte.

4. Der Kirschtaler, der einen Kirschkern enthält, hat einen Produktfehler.

Nein!

Die berechtige Verkehrsauffassung kann nicht ausnahmslos kernlose Kirschen in Kirschtalern erwarten. Dass im Kirschtaler vereinzelt Kerne enthalten sind, führt daher nicht dazu, dass der Kirschtaler "nicht die Sicherheit bietet, die unter Berücksichtigung aller Umstände berechtigterweise erwartet werden kann" (§ 3 Abs. 1 ProdHaftG), sodass der Taler keinen Produktfehler aufweist. Durch diese Rechtsprechung sei nach der Literatur "die vermeintliche Gefährdungshaftung nach dem ProdHaftG der deliktischen Produkthaftung auch im Bereich der Fabrikationsfehler bis auf Haaresbreite angenähert".

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