Herrenreiter-Fall (Vertiefung mit Fokus Schaden)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Der in die Jahre gekommene Promi P ist leidenschaftlicher Turnierreiter. Hersteller H verwendet ein Bild von P auf dessen Turnierpferd zur Werbung für sein Potenzmittel. P ist empört. Er hätte so einer Verwendung nie zugestimmt.
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Einordnung des Falls
Bei der Herrenreiter-Entscheidung handelt es sich um eine der wichtigsten höchstrichterlichen Entscheidungen zum zivilrechtlichen Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes. In ihr wurde die Möglichkeit eröffnet, Schmerzensgeld bei der unbefugten Veröffentlichung von Bildern zu verlangen.
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. P hat einen Anspruch wegen der Verwendung seines Bildes (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 22 KunstUrhG).
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. H hat in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des P eingegriffen, indem er dessen Bild zu Werbezwecken verwendet hat (§ 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG).
Ja, in der Tat!
3. Dieser Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des P ist auch rechtswidrig.
Ja!
4. P kann einen Schaden in Höhe des Geldes geltend machen, welches er bei Abschluss eines Werbevertrags erhalten hätte.
Genau, so ist das!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
L
12.1.2022, 11:46:39
Würde man in einer Klausur ebenfalls § 823 II vor § 823 I prüfen?
Lukas_Mengestu
12.1.2022, 16:54:37
Hallo L, innerhalb der deliktischen Ansprüche bist Du in der Reihenfolge der Anspruchsgrundlagen frei. Da Du bei § 823 Abs. 1 BGB bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aber ebenfalls inzident § 22 KunstUrhG prüfen würdest, kann es sich empfehlen hier zunächst mit §
823 Abs. 2 BGBzu beginnen. Dafür spricht weiter, dass §
823 Abs. 2 BGBim konkreten Fall mangels (Vermögens-)Schaden abgelehnt wurde. Denn das Begehr des P richtete sich vielmehr dahin, Genugtuung für die Persönlichkeitsrechtsverletzung zu erlangen. Dieser immaterielle Schaden wird aber nur über § 823 Abs. 1 BGB ersetzt, nicht über §
823 Abs. 2 BGB. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
JonasRehder
9.2.2023, 17:01:38
Bei den Konstellationen der Lizenzanalogie wird § 812 regelmäßig vor § 823 geprüft, da dies der „einfachere“ Anspruch in dem vorliegenden Fall ist (kein Verschuldenserfordernis). Vielleicht ließe sich das in einem Vertiefungshinweis formulieren. Siehe nur: III. Ob dem Kl. daneben auch – wie das BerGer. angenommen hat – ein Verschulden voraussetzender Schadensersatzanspruch aus § 823 I BGB iVm Art. 1 I, Art. 2 I GG bzw. §
823 II BGBiVm §§ 22, 23 KUG zusteht, bedarf keiner Entscheidung. Seine Höhe wäre nicht anders als die des bereicherungsrechtlichen Anspruchs nach § 812 I 1 Fall 2 BGB zu bemessen. (BGH, NJW 2021, 1303 Rn. 70, beck-online)
Lukas_Mengestu
10.2.2023, 17:14:44
Super Hinweis, Jonas! Das haben wir hier noch mit aufgenommen :-) Danke Dir!
evanici
11.9.2023, 11:38:26
Wäre § 823 I i.V.m.
APRdenn ebenfalls nur subsidiär heranzuziehen wie § 823 I i.V.m.
Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieboder würde Anspruchskonkurrenz bestehen bei der Verletzung anderer absolut geschützter Rechte i.S.d. § 823 I?
omnimodo facturus
16.11.2023, 09:09:46
Ich finde die Dogmatik der Lizenzanalogie nur auf den ersten Blick überzeugend. Zwar soll das Deliktsrecht kein Strafschadensersatz zubilligen, aber im Ergebnis kann es doch nicht sein, dass der Verwender des Bildes einfach genau das Geld zahlt, das er auch billigerweise zahlen müsste, wenn sich der Abgebildete freiwillig drauf eingelassen hätte? Dadurch entsteht doch gar kein Anreiz für den Verwender die Benutzung des Bildes zu unterlassen, wenn er genauso gestellt wird, wie wenn er ganz normal einen Vertrag geschlossen hätte. Der Abgebildete wird somit quasi zu einem "faktischen Vertrag" genötigt und kann sich nicht gut w
ehren. Oder ist das eher Aufgabe des Strafrechts zu regulieren?
Nora Mommsen
16.11.2023, 10:31:09
Hallo omnímodo facturus, danke für deine Anmerkung! Der Gedanke des Schadensersatzes ist ja, die Person so zu stellen, wie sie ohne das schädigende Ereignis gestanden hätte. Die Nichtnutzung des Bildes geht rückwirkend eben nicht mehr. Den dadurch verursachten Schaden wirtschaftlich zu kalkulieren ist schwierig, am nächsten dran am wirtschaftlichen Wert der Nutzung ist die Lizenzgebühr. Daher nutzt man das so. Es ist gerade nicht Aufgabe des
Schadensrechts solche Handlung in einem strafrechtlichen Sinne zu sanktionieren. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
DerChristoph
15.8.2024, 10:48:08
Könnten alle drei Schäden parallel geltend gemacht werden oder wird die Schadensberechnung irgendwie begrenzt? Es kommt mir "etwas zu viel" vor, dass der Verletzte einerseits das erhält, was er fiktiv durch einen Werbevertrag erhalten hätte, andererseits aber auch das, was der Schädiger erlangt hat und obendrein noch etwaige Verluste durch "Image-Schaden".
CR7
21.8.2024, 11:23:58
Nein, er kann nur auf einer AGL SE tatsächlich ziehen, aber m
ehrere AGL geltend machen (Ansprüche kann man nie genug haben). Beachte auch das
schadensrechtliche Bereicherungsverbot: In den USA ja, aber in DE soll man durch das schädigende Ereignis nicht profitieren dürfen; das
Schadensrechtsoll nicht zu einem Geschäftsmodell werden. Man sucht sich die für den Geschädigten günstigste Methode aus, aber nicht kombiniert.