Zivilrecht

Deliktsrecht

§ 823 Abs. 1 BGB

Deliktsrecht: Eigentumsverletzung & Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb („Stromkabel-Fall“)

Deliktsrecht: Eigentumsverletzung & Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb („Stromkabel-Fall“)

5. Dezember 2024

4,8(22.427 mal geöffnet in Jurafuchs)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
Tags
Klassisches Klausurproblem

Baggerfahrerin B durchtrennt ein Stromkabel, welches mehrere Fabriken in einem Industriegebiet versorgt. In der Hühnerfarm des H verderben die Eier. In der Druckerei des D können eine Nacht lang keine Zeitungen mehr gedruckt werden.

Diesen Fall lösen 68,7 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Deliktsrecht: Eigentumsverletzung & Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb („Stromkabel-Fall“)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. B hat das Eigentum des D verletzt (§ 823 Abs. 1 BGB), indem sie das Stromkabel durchtrennt hat.

Nein, das trifft nicht zu!

Eine Eigentumsverletzung kann erfolgen durch (1) Sachentziehung, (2) wirksame Verfügung eines Nichtberechtigten, (3) Beeinträchtigung der Sachsubstanz oder (4) Beeinträchtigung des Sachgebrauchs. Zu (4): Die Vorenthaltung der Sache oder die Beeinträchtigung des bestimmungsgemäßen Gebrauchs darf nicht nur kurzzeitig oder teilweise sein. Vielmehr kommt es darauf an, dass eine Mehrzahl von Verwendungszwecken für eine erhebliche Dauer ausgeschlossen sein muss. D konnte seine Druckmaschinen vorübergehend, d.h. eine Nacht lang, nicht nutzen. Die Beeinträchtigung ist ihrem Gesamtbild nach nicht erheblich genug, um eine Eigentumsverletzung darzustellen.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. B hat das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des D verletzt (§ 823 Abs. 1 BGB), indem sie das Stromkabel durchtrennt hat.

Nein!

Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb umfasst alles, was in seiner Gesamtheit den wirtschaftlichen Wert eines Betriebes ausmacht. Der Eingriff muss allerdings auch unmittelbar betriebsbezogen gewesen sein. Betriebsbezogenheit ist gegeben, wenn ein unmittelbarer Eingriff in den betrieblichen Tätigkeitskreis vorliegt, der sich spezifisch gegen den betrieblichen Organismus oder die unternehmerische Entscheidungsfreiheit richtet und nicht lediglich gegen vom Betrieb lösbare Rechte oder Rechtsgüter. Vorliegend sind jedoch mehrere Betriebe betroffen. Damit ist der Eingriff nicht spezifisch gegen D gerichtet.

3. B hat das Eigentum des H verletzt (§ 823 Abs. 1 BGB), indem sie das Stromkabel durchtrennt hat.

Genau, so ist das!

Eine Eigentumsverletzung kann erfolgen durch (1) Sachentziehung, (2) wirksame Verfügung eines Nichtberechtigten, (3) Beeinträchtigung der Sachsubstanz oder (4) Beeinträchtigung des Sachgebrauchs. Zu (3): Eine Substanzverletzung liegt vor, wenn eine zunächst intakte Sache körperlich zerstört oder beschädigt wird. Das Verderben der Eier könnte eine Substanzverletzung beinhalten. Verdorbene Eier sind nicht mehr zum Verzehr geeignet und daher als beschädigt anzusehen. Damit hat H eine Eigentumsverletzung erlitten. Diese basiert auch adäquat-kausal auf dem Durchtrennen des Kabels.

4. H kann sich auf die Verletzung seines Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb berufen.

Nein, das trifft nicht zu!

Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb umfasst alles, was in seiner Gesamtheit den wirtschaftlichen Wert eines Betriebes ausmacht. Dazu gehören z.B. Bestand, Erscheinungsform, Tätigkeitskreis und Kundenstamm. Es ist allerdings subsidiär zur Eigentumsverletzung, § 823 Abs. 1 BGB, Kreditgefährdung (§ 824 BGB) und wettbewerbsrechtlichen Sondervorschriften (u.a. UWG, GWB, MarkenG). H hat in Bezug auf die Eier bereits eine Verletzung eines vom Betrieb loslösbaren Rechts (Eigentum an den Eiern) erlitten. Damit kann sich H nicht auf das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb berufen.
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

CH

Christopher

27.3.2023, 22:38:56

Also in dem Fall,wo A den B so zugeparkt hat, dass er das Auto für mehrere Stunden nicht nutzen kann wurde doch die

Eigentumsverletzung

angenommen wegen Nutzungsbeeinträchtigung. Dass das jetzt für die Druckerei, die die ganze Nacht stillgelegt ist (also mehrere Stunden) nicht gilt, will sich mir nicht erschließen.

CR7

CR7

21.8.2024, 10:57:16

Ich habe zu diesen Themen auch stundenlang recherchiert; es ist einfache eine inkonsequente Rspr.... maßgeblich ist deine Argumentation in der Klausur.

AS

as.mzkw

16.9.2024, 10:13:44

Liegt der Unterschied nicht darin, dass die Fabrik - im Gegensatz zum Auto - schon noch betreten werden kann und insofern das Eigentum am Gebäude selbst schon noch nutzbar ist (so ja die Argumentation beim Fleet-Fall), nur halt nicht um den in Frage stehenden Zweck, das Drucken von Zeitungen zu verfolgen. Die alleinige wirtschaftliche Beeinträchtigung soll aber ja nicht ausreichen, um schon eine

Eigentumsverletzung

iSd § 823 I BGB bejahen zu können.

DO

Dominic

15.7.2023, 15:58:00

Könnte man den Anspruch des H aus der Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb mit der gleichen Begründung wie bei dem D ablehnen (also als zusätzliche Begründung)? Denn auch hier lag doch keine Betriebsbezogenheit vor, da zwei Betriebe betroffen waren.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

16.7.2023, 15:06:41

Hallo Dominic, ja - abgesehen davon, dass das

Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb

gar nicht greift, da es als Auffangrecht hinter dem Eigentumsrecht zurücksteht, ist es mit der Begründung abzulehnen, dass keine Betriebsbezogenheit vorliegt. In dieser Prüfung kommst du dazu also nicht, denn richtigerweise prüft man das

Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb

gar nicht. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Selma🌻

Selma🌻

25.4.2024, 16:37:35

Kam in abgewandelter Form heute im Examen in Berlin/Brandenburg dran!

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

29.4.2024, 10:06:59

Vielen Dank, Selma!


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen