Zivilrecht

Schuldrecht Allgemeiner Teil

Unmöglichkeit (§ 275 BGB) (Leistungsstörungsrecht)

Echte Unmöglichkeit (§ 275 Abs. 1 BGB), Subjektive Unmöglichkeit (Sache dem Schuldner nicht mehr zugänglich - physisch)

Echte Unmöglichkeit (§ 275 Abs. 1 BGB), Subjektive Unmöglichkeit (Sache dem Schuldner nicht mehr zugänglich - physisch)

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Millionärin M verkauft Sammler S ihren wertvollen Oldtimer "Tommy". S möchte "Tommy" aufarbeiten lassen und in seine Oldtimer-Sammlung einfügen. Vor Übergabe wird "Tommy" von unbekannten Dieben aus der Garage der M gestohlen.

Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

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Einordnung des Falls

Echte Unmöglichkeit (§ 275 Abs. 1 BGB), Subjektive Unmöglichkeit (Sache dem Schuldner nicht mehr zugänglich - physisch)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. S hatte nach Abschluss des Kaufvertrages einen Anspruch darauf, dass M ihm "Tommy" übergibt und übereignet (§ 433 Abs. 1 BGB).

Genau, so ist das!

Bei Abschluss eines Kaufvertrages ist der Verkäufer verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen (§ 433 Abs. 1 BGB). M und S haben einen Kaufvertrag über den Oldtimer "Tommy" geschlossen. M war somit verpflichtet, diesen zu übergeben und zu übereignen.
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2. S' Anspruch auf Besitzverschaffung und Übereignung von Tommy (§ 433 Abs. 1 S. 1 BGB) ist erloschen, soweit dies für M oder für jedermann unmöglich ist (§ 275 Abs. 1 BGB).

Ja, in der Tat!

Die Leistungspflicht des Schuldners ist ausgeschlossen, wenn die Leistungserbringung unmöglich geworden ist (§ 275 Abs. 1 BGB). Unmöglichkeit liegt vor, wenn der Leistungspflicht ein dauerhaftes und unüberwindbares Hindernis entgegensteht. Es genügt, dass der Schuldner das Hindernis nicht überwinden kann (subjektive Unmöglichkeit). Erst recht liegt Unmöglichkeit aber vor, wenn dies für niemanden möglich ist (objektive Unmöglichkeit). Die Prüfung der Unmöglichkeit könnte man wie folgt einleiten: „Der Anspruch des S könnte aufgrund von Unmöglichkeit gem. § 275 Abs. 1 BGB untergegangen sein.“

3. Ob die Übergabe und Übereignung für M unmöglich ist, bestimmt sich nach der Art der vereinbarten Schuld.

Ja!

Bei gegenstandsbezogenen Leistungspflichten hängt der Eintritt der Unmöglichkeit davon ab, ob noch ein geeigneter Leistungsgegenstand vorhanden ist. Dabei unterscheidet man Stück- und Gattungsschulden.Stückschuld liegt vor, wenn der Leistungsgegenstand individuell bestimmt wurde, also nur mit einem ganz bestimmten Gegenstand geleistet werden soll. Steht dieser nicht mehr zur Verfügung, so tritt Unmöglichkeit ein. Bei der Gattungsschuld (§ 243 BGB) legen die Parteien den Leistungsgegenstand dagegen bloß nach allgemeinen Merkmalen fest, also als Teil einer Gruppe von Gegenständen (Gattung). Nur der Untergang der Gattung führt hier zur Unmöglichkeit.

4. Die Übergabe und Übereignung des Oldtimer "Tommy" stellt eine Gattungsschuld dar.

Nein, das ist nicht der Fall!

Bei der Gattungsschuld (§ 243 BGB) legen die Parteien den Leistungsgegenstand dagegen bloß nach allgemeinen Merkmalen fest, also als Teil einer Gruppe von Gegenständen (Gattung). Stückschuld liegt vor, wenn der Leistungsgegenstand individuell bestimmt wurde, also nur mit einem ganz bestimmten Gegenstand geleistet werden soll.Gerade beim Kauf eines Oldtimers kommt es maßgeblich auf den individuellen Zustand der Sache an. M verkauft S insofern nicht einen beliebig austauschbaren Gegenstand, sondern ihren speziellen Oldtimer "Tommy". Es liegt eine Stückschuld vor.

5. Da "Tommy" gestohlen wurde, sind die Übergabe und Übereignung an S objektiv unmöglich (§ 275 Abs. 1 Alt. 2 BGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Objektive Unmöglichkeit liegt vor,wenn die Leistung für niemanden möglich ist. Jedenfalls den Dieben wäre die Erfüllung der Leistung möglich, somit ist diese nicht für jedermann unmöglich.

6. Da "Tommy" gestohlen wurde, sind die Übergabe und Übereignung an S für M subjektiv unmöglich (§ 275 Abs. 1 Alt. 1 BGB).

Ja!

Subjektive Unmöglichkeit liegt vor, wenn der Schuldner das Hindernis nicht überwinden kann. Dies ist unter anderem der Fall, wenn die Sache zwar existent, dem Schuldner aber nicht zugänglich ist und er dieses Zugangshindernis auch nicht überwinden kann (physische Unmöglichkeit). Voraussetzung ist aber, dass der geschuldete Gegenstand "um keinen Preis" zurückerlangt werden kann. Da M der Aufenthaltsort der Diebe gänzlich unbekannt ist, steht ihr keine realistische Möglichkeit mehr zur Verfügung, auf "Tommy" zuzugreifen.

7. S kann von M weiterhin Übergabe und Übereignung von Tommy verlangen (§ 433 Abs. 1 BGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Sofern die Leistungserbringung nach § 275 Abs. 1 BGB ausgeschlossen ist, geht der Anspruch auf die Leistung kraft Gesetzes unter (§ 275 Abs. 1 BGB). Die Übergabe und Übereignung von Tommy ist durch den Diebstahl subjektiv unmöglich geworden (§ 275 Abs. 1 Alt. 1 BGB). Damit ist der Anspruch des S auf Übergabe und Übereignung von Tommy untergegangen. Die Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 BGB stellt eine rechtsvernichtende Einwendung dar, die von Amts wegen zu beachten ist.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

johannastv

johannastv

13.2.2022, 19:49:21

Die subjektive Unmöglichkeit wird auch als Unvermögen bezeichnet :)

Juratiopharm

Juratiopharm

28.7.2022, 14:31:21

Meiner Meinung nach ist die

Übereignung

nach § 931 noch möglich. Nur die Übergabe ist subjektiv unmöglich. Oder nicht?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

4.8.2022, 12:54:01

Hallo Juratiopharm, nach der Auslegung des Parteiwillens wird aber

Übereignung

durch Übergabe geschuldet gewesen sein. S wollte schließlich Zugriff auf den Wagen haben. Die geschuldete Leistung ist somit unmöglich. In der Praxis kommt die von dir angesprochene Konstellation vor allem vor, wenn der Eigentümer das Eigentum an dem ihm gestohlenen Kfz auf eine Kaskoversicherung überträgt. Denn hier ist offen, ob das Fahrzeug überhaupt noch existiert und abtretbare Ansprüche gegen den Besitzer bestehen. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

der unerkannt geisteskranke E

der unerkannt geisteskranke E

17.1.2023, 21:49:57

Die Diebe haben aber doch nie wirksam das Eigentum am Oldtimer erlangt und können es demzufolge auch nicht wirksam übereignen. Das wäre für die Erfüllung der Verbindlichkeit aus 433 Abs. 1 S. 1 aber doch notwendig. Wäre die Erfüllung der Leistung dann nicht sogar objektiv unmöglich, oder übersehe ich da etwas?

Gruttmann

Gruttmann

23.4.2024, 09:22:57

Ich frage mich, was für ein Zeitpunkt maßgeblich ist, dass der Anspruch wegen Unmöglichkeit untergeht. Und sagen wir, der Dieb wird am nächsten Tag gefasst und das Auto kommt wieder in den Besitz der Verkäuferin, würde es dann eine Möglichkeit geben, dass der Anspruch wieder „gültig“ ist quasi?

Gruttmann

Gruttmann

3.5.2024, 17:19:38

Hab meinen Prof gefragt. Es kommt drauf an… wenn der die Unmöglichkeit gerichtlich quasi per Urteil festgestellt wurde, gibt es kein zurück mehr.


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