Abwandlung: Sache der M noch zugänglich

22. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Millionärin M verkauft Sammler S ihren wertvollen Oldtimer "Tommy". S möchte "Tommy" aufarbeiten lassen und in seine Oldtimer-Sammlung einfügen. Vor Übergabe wird "Tommy" gestohlen. M weiß, dass Autodieb A dahintersteckt und der Wagen noch bei ihm ist.

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Einordnung des Falls

Abwandlung: Sache der M noch zugänglich

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. S hatte nach Abschluss des Kaufvertrages einen Anspruch darauf, dass M ihm "Tommy" übergibt und übereignet (§ 433 Abs. 1 BGB).

Ja, in der Tat!

Bei Abschluss eines Kaufvertrages ist der Verkäufer verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen (§ 433 Abs. 1 BGB). M und S haben einen Kaufvertrag über den Oldtimer "Tommy" geschlossen. M war somit verpflichtet, diesen zu übergeben und zu übereignen.
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2. S' Anspruch auf Besitzverschaffung und Übereignung von Tommy (§ 433 Abs. 1 S. 1 BGB) ist erloschen, soweit dies für M oder für jedermann unmöglich ist (§ 275 Abs. 1 BGB).

Ja!

Die Leistungspflicht des Schuldners ist ausgeschlossen, wenn die Leistungserbringung unmöglich geworden ist (§ 275 Abs. 1 BGB). Unmöglichkeit liegt vor, wenn der Leistungspflicht ein dauerhaftes und unüberwindbares Hindernis entgegensteht. Es genügt, dass der Schuldner das Hindernis nicht überwinden kann (subjektive Unmöglichkeit). Erst recht liegt Unmöglichkeit aber vor, wenn dies für niemanden möglich ist (objektive Unmöglichkeit). Die Prüfung der Unmöglichkeit könnte man wie folgt einleiten: „Der Anspruch des S könnte aufgrund von Unmöglichkeit gem. § 275 Abs. 1 BGB untergegangen sein.“

3. Da "Tommy" gestohlen wurde, sind die Übergabe und Übereignung objektiv unmöglich geworden (§ 275 Abs. 1 Alt. 2 BGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Objektive Unmöglichkeit liegt vor,wenn die Leistung für niemanden möglich ist. Jedenfalls dem Dieb A wäre die Erfüllung der Leistung möglich, somit ist diese nicht für jedermann unmöglich.

4. Da "Tommy" gestohlen wurde, sind die Übergabe und Übereignung für M subjektiv unmöglich geworden (§ 275 Abs. 1 Alt. 1 BGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Subjektive Unmöglichkeit liegt vor, wenn der Schuldner das Hindernis nicht überwinden kann. Dies ist der Fall, wenn die Sache zwar existent, dem Schuldner aber nicht zugänglich ist und er dieses Zugangshindernis auch nicht überwinden kann (physische Unmöglichkeit). Voraussetzung ist aber, dass der geschuldete Gegenstand "um keinen Preis" zurückerlangt werden kann. M weiß trotz Diebstahl, dass sich der Oldtimer bei A befindet. Eine Wiederbeschaffung kommt so ernstlich in Betracht. Bei unverhältnismäßigem Aufwand könnte M die Leistung aber zumindest nach § 275 Abs.2 BGB verweigern.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

frausummer

frausummer

11.3.2022, 07:44:42

Es ist schon klar, dass ihr im Gegensatz zur ersten Aufgabe hier auf ein anderes Ergebnis hinauswollt. Dennoch finde ich die Angaben im SV um nicht von einer subj. Unmöglichkeit auszugehen, etwas dürftig. Nur weil M weiß wo sich das Auto befindet, bedeutet das ja nicht, dass sie eine tatsächliche Möglichkeit hat, das Auto auch wiederzuerlangen. Ob der Dieb zu einer Rückführung bereit ist, wäre da eine hilfreiche Angabe. Ansonsten finde ich es durchaus vertretbar, hier auch von einer subj. Unmöglichkeit auszugehen.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

11.3.2022, 09:37:37

Vielen Dank für den Hinweis, frausummer. Der Diebstahl ist allerdings von den Fällen zu unterscheiden, in denen der Verkäufer nicht (mehr) Eigentümer des Wagens ist. M kann hier die Polizei einschalten, um den Wagen zurückzuerlangen. Zivilrechtlich steht ihr zudem ein

Herausgabeanspruch

(§ 985 BGB) gegen den Dieb zu. Auf den Rückgabewillen des Diebes kommt es insoweit nicht an. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Snow

Snow

2.1.2024, 19:06:04

Also die rein theoretische Möglichkeit es vielleicht wieder zu bekommen reicht aus? Denn in dem Zeitpunkt kann sie es ja nicht, hier wird eine theoretische Möglichkeit in die Zukunft projizierte, in der Gegenwart ist es ihr doch aber faktisch unmöglich.

Gerrit

Gerrit

3.1.2024, 19:24:06

@[Snow](1050) Bei der Frage der Unmöglichkeit nach §275 I BGB geht es sich ja eher darum, ob ein dauerhafter unüberwindbarer Zustand besteht, die den Schuldner daran hindert zu leisten. Da im konkreten Fall M die Möglichkeit hat, auf irgendeinen Weg den Wagen zurückzuholen da er den Dieb kennt, ist das Leistungshindernis noch überwindbar und somit keine Unmöglichkeit nach §275 I BGB. Was faktische Unmöglichkeit angeht besteht kann M nur eine Einrede nach §275 II BGB erheben, sofern der Erfüllungsaufwand im groben Missverhältnis zum Leistungsinteresse des Gläubigers steht. Vgl. den Ring Fall- der Ring fällt kurz vor Übergabe in den See- zwar besteht noch eine kleine Möglichkeit den Ring zu holen, den Aufwand zur Beschaffung des konkreten Rings steht aber im krassen Missverhältnis zum Interesse des Gläubigers den Ring zu erhalten und somit steht dem Schuldner eine Einrede nach §275 II BGB zu und kann die Leistung verweigern (beachte aber, dass dies eine Einrede ist auf welches sich der Schuldner berufen muss).

ENU

ehemalige:r Nutzer:in

22.6.2023, 20:01:12

Dem Schuldner ist es in diesem Fall zumutbar, die Polizei einzuschalten, um seine zivilrechtlichen Ansprüche zu sichern und damit seiner Pflicht auf Leistungserfüllung nachzugehen oder sehe ich das falsch?


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