Zivilrecht

Sachenrecht

Gesetzlicher Eigentumserwerb an beweglichen Sachen

Verlust und Wiedereinräumung des Besitzes (§ 940 Abs. 2 BGB)

Verlust und Wiedereinräumung des Besitzes (§ 940 Abs. 2 BGB)

19. Januar 2025

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Der geschäftsunfähige C ist Eigentümer eines wertvollen Comichefts, das er an S veräußert. 9 Jahre später stiehlt D den Comic von S. Sechs Monate später spürt S D auf und stiehlt das Comicheft zurück. Weitere 3 Jahre später entdeckt C das Comic bei S und fragt sich, ob er noch Eigentümer ist.

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Einordnung des Falls

Verlust und Wiedereinräumung des Besitzes (§ 940 Abs. 2 BGB)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. S hat von C rechtsgeschäftlich Eigentum an dem Comicheft erworben.

Nein, das trifft nicht zu!

Ein rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb scheitert hier an der Geschäftsunfähigkeit des C (§ 105 Abs. 1 BGB).
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2. S war zum Zeitpunkt des Diebstahls durch D kraft Gesetzes Eigentümerin des Comichefts (§ 937 BGB).

Nein!

Die Ersitzung setzt voraus: eine (1) bewegliche Sache, (2) die der Erwerber der Sache mindestens zehn Jahre (3) im Eigenbesitz hat. (4) Der Erwerber muss darüber hinaus bei Erwerb des Eigenbesitzes in gutem Glauben gewesen sein und darf (5) während der zehn Jahre des Eigenbesitzes keine Kenntnis davon erlangen, dass ihm das Eigentum nicht zusteht. Bei dem Comicheft handelt es sich um eine bewegliche Sache. Bei Besitzerwerb war S gutgläubig hinsichtlich ihrer Eigentümerstellung. Sie wurde auch nicht zu einem späteren Zeitpunkt bösgläubig. Zum Zeitpunkt des Verkaufs hatte S das Comicheft allerdings erst 9 Jahre im Eigenbesitz.

3. Grundsätzlich wird die Ersitzung durch den Verlust des Eigenbesitzes unterbrochen (§ 940 Abs. 1 BGB).

Genau, so ist das!

Der Verlust des Eigenbesitzes führt grundsätzlich dazu, dass die Ersitzung unterbrochen wird (§ 940 Abs. 1 BGB). Die erneute Ersitzung ist dann erst nach der Wiedererlangung des Eigenbesitzes möglich, wobei die bis zum Verlust verstrichene Zeit nicht angerechnet wird (§ 942 BGB).

4. Wird die Ersitzung auch unterbrochen, wenn der Verlust des Eigenbesitzes unfreiwillig erfolgt (§ 940 Abs. 2 BGB)?

Nein, das trifft nicht zu!

Die Unterbrechung der Ersitzung tritt nicht ein, wenn der Eigenbesitzer (1) ohne den Willen des Eigenbesitzers verloren gegangen ist und (2) dieser den Besitz binnen Jahresfrist oder mittels einer innerhalb dieser Frist erhobenen Klage wiedererlangt hat (§ 940 Abs. 2 BGB).

5. Hat S den Eigenbesitz an dem Comic freiwillig verloren?

Nein!

Bei der Bestimmung, ob der Eigenbesitzverlust unfreiwillig erfolgt, ist auf den natürlichen Willen abzustellen. In den Fällen, in denen die Sache abhandengekommen ist (§ 935 Abs. 1 BGB), liegt in jedem Fall ein unfreiwilliger Besitzverlust vor. D hat S das Comicheft gestohlen. Dementsprechend ist S das Comicheft abhandengekommen (§ 935 Abs. 1 S. 1 BGB).

6. Hat S das Comicheft innerhalb der Jahresfrist wiedererlangt.

Genau, so ist das!

Der Ausnahmetatbestand des § 940 Abs. 2 BGB setzt voraus, dass der Eigenbesitzer den Eigenbesitz innerhalb Jahresfrist wiedererlangt.S hat das Comicheft ein halbes Jahr nach dem Verlust des Eigenbesitzes zurück gestohlen. Dies hat sie getan, weil sie das Comicheft weiterhin als eigenes besitzen wollte.

7. § 940 Abs. 2 BGB ist ausgeschlossen, wenn der Eigenbesitzer den Besitz durch verbotene Eigenmacht (§ 858 BGB) wiedererlangt.

Nein, das trifft nicht zu!

Die Art der Wiedererlangung des Besitzes ist für § 940 Abs. 2 BGB nicht ausschlaggebend. Verbotene Eigenmacht schadet nicht.

8. Hat S durch Ersitzung Eigentum an dem Comic erlangt (§ 937 BGB)?

Ja!

Die Ersitzung setzt voraus: eine (1) bewegliche Sache, (2) die der Erwerber der Sache mindestens zehn Jahre (3) im Eigenbesitz hat. (4) Der Erwerber muss darüber hinaus bei Erwerb des Eigenbesitzes in gutem Glauben gewesen sein und darf (5) während der zehn Jahre des Eigenbesitzes keine Kenntnis davon erlangen, dass ihm das Eigentum nicht zusteht. Bei dem Comic handelt es sich um eine bewegliche Sache. Bei Besitzerwerb war S gutgläubig hinsichtlich ihrer Eigentümerstellung. Sie wurde auch nicht zu einem späteren Zeitpunkt bösgläubig. Zwar hatte S den Eigenbesitz kurzfristig verloren. Dieser Verlust führt aber nicht zur Unterbrechung der Ersitzung (§ 940 Abs. 2 BGB).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

DeliktusMaximus

DeliktusMaximus

15.8.2022, 21:42:27

Warum spielt hier die

verbotene Eigenmacht

keine Rolle? Ich kann es systematisch nicht einordnen, warum es im vorliegenden Fall in Ordnung ist, sich den Besitz gewaltsam und im Sinne des Faustrechts zurückzuholen.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

16.8.2022, 10:53:35

Hallo DeliktusMaximus, die

Ersitzung

bei gutgläubigen Eigenbesitz wird durch unfreiwilligen Verlust des Besitzes nicht unterbrochen, sofern der Besitz auf irgendeine Weise wiedererlangt wird. Möglich ist sogar die Wiedererlangung durch

verbotene Eigenmacht

. Dies resultiert daraus, dass der § 940 Abs. 2 BGB keine Sanktionswirkung hat. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Anastasia

Anastasia

10.8.2023, 23:29:45

Weil 854 ff. BGB dem Rechtsfrieden dienen: Es muss vermieden werden, dass alle voneinander die Sache gewalttätig nehmen, ohne ihre Ansprüche vor Gerichte zu klären. Deshalb auch eine Jahresfrist in 864 I BGB. Die

Ersitzung

nach 937 ff. BGB dient dagegen der Rechtssicherheit: In 10 Jahren werden Beweise verloren, die Zeugen ziehen um und sterben etc. Deswegen wird ausnahmsweise auch ein bei

Abhandenkommen

und bei verbotenen Eigenmacht (wieder)erlangten Eigenbesitz etwa privilegiert.

EVA

evanici

15.9.2023, 11:01:40

Korrespondiert diese Frist dann mit den Ausschlussgründen der possessorischen

Besitzschutz

ansprüche in diesem Fall des D oder ist das Zufall?

JEN

Jenny

5.2.2024, 08:25:18

Reicht es zur Wahrung der Frist in § 940 II BGB die Klage zu ereheben, auch wenn man den Besitz erst später zurückerlangt oder muss der Besitz aufgrund Klageerhebung innerhalb eines Jahres zurückerlangt worden sein?

TI

Timurso

5.2.2024, 19:45:06

Die Antwort findet sich im Wortlaut. "mittels einer in dieser Frist erhobenen Klage". Es reicht also, in der Jahresfrist die Klage zu erheben.

JEN

Jenny

5.2.2024, 19:49:23

Der Wortlaut „mittels einer innerhalb dieser Frist erhobenen Klage [wiedererlangt]“ war gerade das was mich verwirrt hat.

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

17.12.2024, 18:13:29

Hallo @Jenny, ich kann mich @[Timurso](197555) nur anschließen, Klageerhebung innerhalb der Frist reicht aus (vgl statt aller BeckOGK-BGB/Buchwitz, Stand 1.11.2024, § 940 Rn 10). Der Wortlaut des § 940 II, 2. Var BGB verlangt lediglich, dass die Klage innerhalb der Frist erhoben sein muss und der Kläger/Eigenbesitzer die Sache auf der Klage aufbauend wiedererlangt. Das "binnen Jahrefrist [...] wiedererlangt hat" bezieht sich allein auf § 940 II, 1. Var BGB. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

Paulah

Paulah

1.11.2024, 20:44:27

Die Antwort auf die Frage "Wird die

Ersitzung

auch unterbrochen, wenn der Verlust des Eigenbesitzes unfreiwillig erfolgt (§ 940 Abs. 2 BGB)?" heißt in der Lösung "Nein!" Sie muss aber "Ja" lauten: Grundsätzlich ist das so, es sei denn der Besitz wurde binnen Jahresfrist oder mittels einer innerhalb dieser Frist erhobenen Klage wiedererlangt Ansonsten habe ich den Gesetzestext falsch verstanden.

NIC

Nicolaws

6.11.2024, 22:40:31

Genau das wollte ich auch schreiben, wenn man hier mit Nein antwortet, wird die 2. Voraussetzung ja komplett missachtet und nur auf die erste abgestellt, die ohne die 2. aber keine Wirkung hat


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