Zivilrecht

Sachenrecht

Gesetzlicher Eigentumserwerb an beweglichen Sachen

Anrechnung der Zeit des Besitzvorgängers (§ 943 BGB)

Anrechnung der Zeit des Besitzvorgängers (§ 943 BGB)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

D stiehlt einen Ring von G und veräußert diesen an die gutgläubige H. H verkauft und veräußert den Ring 7 Jahre später an den gutgläubigen K. K trägt den Ring 5 Jahre lang bis G den Ring entdeckt und Herausgabe verlangt.

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Einordnung des Falls

Anrechnung der Zeit des Besitzvorgängers (§ 943 BGB)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. K hat das Eigentum an dem Ring von H nach §§ 929, 932 BGB erworben.

Nein!

Der gutgläubige Erwerb des Rings nach den §§ 929, 932 BGB scheidet vorliegend aus, weil der Ring dem G gestohlen wurde (§ 935 BGB).In der Klausur müsstest Du zumindest kurz auf sämtliche Merkmale der §§ 929, 932 BGB eingehen, bevor Du den gutgläubigen Erwerb wegen § 935 Abs. 1 BGB ablehnst.
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2. Hatte H das Eigentum an dem Ring zum Zeitpunkt der Veräußerung an K bereits durch Ersitzung (§ 937 BGB) erworben?

Nein, das ist nicht der Fall!

Der Eigentumserwerb durch Ersitzung nach § 937 BGB setzt voraus, dass es sich (1) um eine bewegliche Sache handelt, (2) die der Erwerber der Sache mindestens zehn Jahre (3) im Eigenbesitz hat. (4) Der Erwerber muss darüber hinaus bei Erwerb des Eigenbesitzes in gutem Glauben gewesen sein und darf (5) während der Ersitzungszeit keine Kenntnis davon erlangen, dass ihm das Eigentum nicht zusteht.Zum Zeitpunkt der Veräußerung an K hatte H den Ring erst sieben Jahre im Eigenbesitz. Sie hat damit die Ersitzungszeit nicht erfüllt.

3. K war zum Zeitpunkt des Besitzerwerbs hinsichtlich seiner Eigentümerstellung bösgläubig.

Nein, das trifft nicht zu!

Bösgläubig i.S.d. § 937 Abs. 2 Alt. 1 BGB ist, wem bei Erwerb des Eigenbesitzes entweder bekannt oder aufgrund grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass ihm das Eigentum an der Sache nicht zusteht (§ 932 Abs. 2 BGB). Aus dem Sachverhalt gehen keine Anhaltspunkte für eine etwaige Bösgläubigkeit des K hervor.

4. Die Ersitzungszeit der H wirkt grundsätzlich auch zugunsten des K.

Ja!

Kommt eine Sache durch Rechtsnachfolge in den Eigenbesitz eines Dritten, kommt die während des Besitzes des Rechtsvorgängers verstrichene Ersitzungszeit dem Rechtsnachfolger zugute (§ 943 BGB). „Rechtsnachfolge“ erfasst jede willentliche Weitergabe des Besitzes.Vorliegend hat H dem K den Ring in der Absicht übergeben, ihm Eigentum daran zu verschaffen. Sie hat damit ihren Eigenbesitz willentlich aufgegeben und K hat Eigenbesitz an dem Ring begründet.

5. Eine eventuelle Bösgläubigkeit der H ist für die Ersitzung des K unschädlich.

Nein, das ist nicht der Fall!

Aus § 943 BGB ergibt sich, dass dem Rechtsnachfolger die Ersitzungszeit des Rechtsvorgängers zugutekommt. Dies setzt allerdings voraus, dass der Rechtsvorgänger die Sache auch tatsächlich hätte ersitzen können, was im Falle der Bösgläubigkeit des Rechtsvorgängers nicht der Fall ist.

6. War H zum Zeitpunkt des Erwerbs des Eigenbesitzes bösgläubig?

Nein, das trifft nicht zu!

Bösgläubig i.S.d. § 937 Abs. 2 Alt. 1 BGB ist, wem bei Erwerb des Eigenbesitzes entweder bekannt oder aufgrund grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass ihm das Eigentum an der Sache nicht zusteht (§ 932 Abs. 2 BGB). H glaubte bei Erwerb des Eigenbesitzes, D sei Eigentümer. Hinweise auf eine etwaige fahrlässige Unkenntnis sind nicht ersichtlich.

7. Hat K das Eigentum an dem Ring durch Ersitzung (§ 937 BGB) erworben?

Ja!

Der Eigentumserwerb durch Ersitzung setzt voraus, dass es sich (1) um eine bewegliche Sache handelt, (2) die der Erwerber der Sache mindestens zehn Jahre (3) im Eigenbesitz hat. (4) Der Erwerber muss bei Erwerb des Eigenbesitzes in gutem Glauben gewesen sein und darf (5) während der zehn Jahre des Eigenbesitzes keine Kenntnis davon erlangen, dass ihm das Eigentum nicht zusteht.Einzig problematisch ist vorliegend, ob K die Ersitzungszeit erfüllt hat. Zwar hatte K selbst den Ring nur 5 Jahre im Eigenbesitz, allerdings kommt ihm die Ersitzungszeit der H zugute (§ 943 BGB).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Fiona

Fiona

15.6.2023, 16:22:44

Aber der H konnte den Ring praktisch ja nicht ersitzen. Wie kann also faktisch nicht erfolgte Ersitzungszeit dem K zu gute kommen?

Blan

Blan

31.8.2023, 14:50:43

H war doch gutgläubig. Die Zeit fing schon ab dem Zeitpunkt an zu laufen, in welchem H Eigenbesitz hatte. Demnach sehe ich da kein Problem.

VALA

Vanilla Latte

1.10.2023, 00:05:23

D.h. dem wahren ET muss die Sache einfach nur 10 Jahre abhanden kommen. Der letzte in der Kette nach insgesamt 10 Jahren wird ET? Es sei denn, mindestens eine Person in der Kette war bösgläubig?

JUL

Julian

8.12.2023, 09:48:09

Hallo, ich hätte mal eine Nachfrage. Wie wäre der Fall, wenn der Veräußerer sieben Jahre lang gutgläubigen Eigenbesitz hatte, dann aber bösgläubig wird und ihn veräußert. Gelten dann die vorherigen sieben Jahre Gutgläubigkeit auch für den Rechtsnachfolger, oder wird diese Zeit „gelöscht“?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

8.12.2023, 10:52:58

Hallo Julian, danke für deine Frage. Nach Ansicht der Literatur kann dem Nachfolger nur die ununterbrochene Ersitzungszeit angerechnet werden. Die zwischenzeitlich eingetretene

Bösgläubigkeit

würde daher die Ersitzungszeit neu in Gang bringen. Höchstrichterlich ist diese Frage aber noch nicht entschieden worden. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team


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