Referendariat

Die zivilrechtliche Urteilsklausur

Streitgenossenschaft

Auswirkungen der Streitgenossenschaft auf sachliche Zuständigkeit (Addition von Streitwerten)

Auswirkungen der Streitgenossenschaft auf sachliche Zuständigkeit (Addition von Streitwerten)

21. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K erhebt Klage beim Landgericht L gegen Bauunternehmer B und Elektriker E. Aufgrund der Mängel an seinem neuen Einfamilienhaus möchte er von beiden jeweils €3.000 Schadensersatz. Von B wegen des mangelhaften Fundaments, von E wegen Mängeln an der Elektrik. E widerspricht der gemeinsamen Klage. ‌

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Einordnung des Falls

Auswirkungen der Streitgenossenschaft auf sachliche Zuständigkeit (Addition von Streitwerten)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ist das Landgericht im Hinblick auf die einzelnen Streitwerte sachlich zuständig?

Nein, das trifft nicht zu!

Nach §§ 1 ZPO, 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG sind für Klagen, deren Zuständigkeitsstreitwert €5.000 nicht übersteigt, die Amtsgerichte sachlich zuständig. Die Streitwerte der beiden Klageanträge belaufen sich jeweils auf €3.000. Daher wäre für jeden Antrag einzeln das Amtsgericht zuständig.
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2. Bei objektiver Klagehäufung (§ 260 ZPO) und subjektiver Klagehäufung (§§ 59-62 ZPO) kommt eine Addition der Streitwerte in Betracht (§ 5 ZPO).

Ja!

Nach § 5 ZPO sind bei (zulässiger) Antragsmehrheit die einzelnen Anträge zur Bestimmung des Zuständigkeitsstreitwerts zu addieren. Bei objektiver Klagehäufung (§ 260 ZPO) besteht Antragsmehrheit, weil der Kläger mehrere Anträge gegenüber demselben Beklagten stellt. Bei subjektiver Klagehäufung (§§ 59-62 ZPO) geht die Antragsmehrheit mit der Personenmehrheit einher. Auf Kläger- oder Beklagtenseite steht mehr als eine Person, die jeweils einen eigenen Antrag erhebt oder gegen die sich jeweils ein eigener Antrag richtet. Die Zulässigkeit der Antragsmehrheit richtet sich bei objektiver Klagehäufung nach § 260 ZPO, bei subjektiver Klagehäufung nach § 260 ZPO analog. Sofern sich die Zuständigkeit des Gerichts erst aus der Streitwertaddition ergibt, ist § 260 ZPO (analog) i.V.m. § 5 ZPO echte Zulässigkeitsvoraussetzung.

3. Die Voraussetzungen der subjektiven Klagehäufung (§§ 59-62 ZPO) sind vorliegend zu prüfen.

Genau, so ist das!

Ob die Voraussetzungen der §§ 59ff. ZPO vorliegen oder nicht, prüft das Gericht nach h.M. nur auf eine Rüge hin. E hat der gemeinsamen Klage widersprochen, was als Rüge zu werten ist. Wenn nach den §§ 59ff. ZPO keine Streitgenossenschaft vorliegt, ist die Klage nicht unzulässig, sondern es erfolgt eine Prozesstrennung (§ 145 ZPO). Die §§ 59ff. ZPO stellen daher keine Zulässigkeitsvoraussetzung dar und sind grundsätzlich als eigener Prüfungspunkt zwischen Zulässigkeit und Begründetheit zu prüfen. Sofern wie hier ausnahmsweise § 260 ZPO echte Zulässigkeitsvoraussetzung ist, empfiehlt es sich jedoch, auch die §§ 59ff. ZPO bereits in der Zulässigkeit zu prüfen.

4. Sind E und B einfache Streitgenossen?

Ja, in der Tat!

Mehrere Personen können als Streitgenossen gemeinschaftlich klagen oder verklagt werden, wenn sie hinsichtlich des Streitgegenstandes in Rechtsgemeinschaft stehen (§ 59 Alt. 1 ZPO), aus demselben tatsächlichen und rechtlichen Grund berechtigt und verpflichtet sind (§ 59 Alt. 2 ZPO) oder wenn gleichartige und auf einem im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grund beruhende Ansprüche oder Verpflichtungen den Gegenstand des Rechtsstreits bilden (§ 60 ZPO). Die Ansprüche gegen B und E beruhen beide auf Mängeln am selben Bauwerk. Sie sind daher gleichartig und beruhen auf einem im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grund.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

ALE

Aleks_is_Y

19.4.2024, 14:36:48

Im hier vorliegenden Fall scheint laut Lösung eine Streitgenossenschaft gem. § 60 vorzuliegen, da angenommen wurde, dass die Ansprüche auf "im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grund beruhen". Diese Annahme scheint mir jedoch die verklagten Streitgenossen zu benachteiligen, das Fundament und die Elektrik des Hauses haben nicht miteinander zu tun, auch nicht die ausführenden Unternehmer (tatsächlicher Grund). Alleine wüden sie vor dem AG verklagt werden müssen; jetzt aber stehen sie einem Anwaltsprozess gegenüber... Irgendwie kommt mir das Ergebnis schief vor.

LEN

lenimeneni

19.9.2024, 12:18:37

Daher auch „im Wesentlichen gleichartig“, geht hier ja in beiden Fällen um den Hausbau & beides gemeinsam zu verhandeln ist daher prozessökonomisch.


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