Bei versuchter Anstiftung 7.3

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T versucht, den R zu überreden, O zu töten. Dafür bietet er R €30.000 an. Bei T liegen keine Mordmerkmale (§ 211 Abs. 2 StGB) vor.

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Einordnung des Falls

Bei versuchter Anstiftung 7.3

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die versuchte Anstiftung ist strafbar, wenn die Haupttat ein Verbrechen sein soll.

Ja, in der Tat!

Die versuchte Anstiftung ist nur strafbar, wenn versucht wird, zu einem Verbrechen anzustiften (§ 30 Abs. 1 S. 1 StGB). Dabei ist es unstreitig erforderlich, dass die Haupttat, also die geplante Tat durch den Angestifteten, ein Verbrechen sein muss. Stellt diese für diesen nur ein Vergehen dar, scheidet eine Strafbarkeit des Anstifters aus, auch wenn die Tat für diesen ein Verbrechen darstellt, insbesondere aufgrund des § 28 StGB. Mord ist ein Verbrechen und daher ist die Anstiftung bereits im Versuch strafbar (§§ 211, 12 Abs. 1 StGB). Die Tat wäre für R ein Verbrechen.
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2. T hatte „Tatentschluss“, eine Anstiftung zum Mord zu begehen.

Ja!

Es gelten die Maßstäbe, die auch sonst für den Versuch gelten. T war entschlossen den R zum Mord anzustiften. Er hatte Vorsatz in Bezug darauf, dass R den Mord begeht. Er wollte, dass R den O aus Habgier tötet. Er hatte auch Vorsatz in Bezug darauf, dass er selbst den entscheidenden Impuls setzt, ihn also anstiftet. Der doppelte Anstiftervorsatz lag daher vor.

3. T hat zur Anstiftung „unmittelbar angesetzt“.

Genau, so ist das!

Das objektive Tatbestandselement des Versuchs liegt im unmittelbaren Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung (§ 22 StGB). Das unmittelbare Ansetzen liegt vor, wenn der Täter subjektiv die Schwelle des „Jetzt-geht-es-los“ überschreitet und objektiv – unter Zugrundelegung seiner Vorstellung – Handlungen vornimmt, die bei ungestörtem Fortgang ohne wesentliche Zwischenschritte zur Tatbestandsverwirklichung führen oder mit ihr in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen. T hat alles zur Anstiftung Erforderliche getan. Der Versuch ist lediglich fehlgeschlagen.

4. Die Rechtsprechung sieht als Rechtsfolge eine doppelte Strafrahmenreduzierung.

Ja, in der Tat!

Es tritt im Ergebnis eine doppelte Milderung des Strafrahmens ein, einmal über § 30 Abs. 1 S. 2 StGB und danach aufgrund eines fehlenden strafbarkeitsbegründenden Merkmals (§ 28 Abs. 1 StGB), da T selbst keines der Mordmerkmale erfüllt. Dies liegt daran, dass die Rechtsprechung den Mord nicht als Qualifikation des § 212 StGB begreift, sondern als eigenen Tatbestand und die persönlichen Mordmerkmale daher strafbarkeitsbegründend (§ 28 Abs. 1 StGB) sind. Dies führt zunächst dazu, dass T eine Mindestfreiheitsstrafe von 6 Monaten erwartet (§ 49 Abs. 1 Nr. 1 und 3 StGB).

5. Hätte T eine versuchte Anstiftung zu einem Totschlag begangen, wäre die angedrohte Mindestfreiheitsstrafe 2 Jahre.

Ja!

Hätte T „nur“ zu einem Totschlag angestiftet, läge die angedrohte Mindestfreiheitsstrafe bei 2 Jahren, da nur eine einfache Milderung (§ 30 Abs. 1 S. 2 StGB i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 3 Var. 1 StGB) eintreten würde.

6. Dadurch entsteht ein Wertungswiderspruch.

Genau, so ist das!

Es stellt einen offensichtlichen Wertungswiderspruch dar, wenn die versuchte Anstiftung zum Mord milder bestraft wird als die versuchte Anstiftung zum Totschlag, insbesondere da der Totschlag, auch nach der Rechtsprechung, im Mord enthalten ist. Daher hat der vierte Strafsenat des BGH entschieden, dass die versuchte Anstiftung zum Mord trotz einer Strafmilderung (§ 28 Abs. 1 StGB) mit mindestens 2 Jahren zu bestrafen ist.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

PurpleBlaze

PurpleBlaze

16.7.2023, 16:22:56

„Bei T liegen keine Mordmerkmale vor“ (?) - ich versteh den Fall nicht.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

18.7.2023, 13:45:13

Hallo PurpleAce, der Haupttäter R handelt hier aus

Habgier

und verwirklicht bei der Tötung ein Mordmerkmal. Der Hinweis im Sachverhalt soll zum Ausdruck bringen, dass der Anstiftende T dagegen selbst für sich genommen kein Mordmerkmal verwirklicht und ihm damit nach der Rechtsprechung ein strafbarkeitsbegründendes Mordmerkmal fehlt. Da dies eine doppelte Strafmilderung zur Folge hätte und die Mindeststrafe damit unter der

Anstiftung zum Totschlag

läge, nimmt die Rechtsprechung hier eine Wertungskorrektur vor. Ich hoffe, es wird jetzt klarer :-) Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

PurpleBlaze

PurpleBlaze

18.7.2023, 17:22:53

Danke;

TR

Tobias R

26.9.2024, 09:32:30

Starke Aufgabe – ich habe mein 1. Examen bereits hinter mir und hatte diesen Wertungswiderspruch im Studium nie ganz geschnallt. Super wäre, wenn die Entscheidung des BGH – die auf den ersten Blick ja komplett gegen das Systemverständnis der Rechtsprechung spricht – dann auch in den Fundstellen aufgeführt wäre! :)


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