Erpressung durch Unterlassen nach §§ 253, 13 StGB

19. Februar 2025

9 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T hat O bei einer Straftat gesehen, was O weiß. O bietet T sein Radio an, damit dieser ihn nicht anzeigt. T, der weiß, dass O eine Anzeige durch ihn fürchtet, nimmt das „Angebot“ an.

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Einordnung des Falls

Erpressung durch Unterlassen nach §§ 253, 13 StGB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T hat sich wegen Erpressung durch Unterlassen nach §§ 253, 13 StGB strafbar gemacht.

Nein, das trifft nicht zu!

Nach § 13 Abs. 1 StGB ist eine Garantenstellung des Täters erforderlich. Zu unterscheiden ist, ob eine Person verpflichtet ist, Gefahren von bestimmten Rechtsgütern abzuwehren (Beschützergarant) oder, dass eine Person Gefahren, die von einer bestimmten Gefahrenquelle ausgehen, abschirmen soll (Überwachergarant). Vorliegend kommt eine Garantenstellung des T nicht in Betracht. Er ist nicht verpflichtet O generell vor Schäden zu bewahren. In der Regel ist in Klausuren das Begehungsdelikt zuerst zu prüfen. Da teilweise in der Literatur vertreten wird, dass eine Drohung mit einem Unterlassen nur bei Bestehen einer Garantenpflicht bzw. Rechtspflicht möglich ist, kann es sich anbieten, die Prüfung damit zu beginnen.
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2. T hat O konkludent mit einem empfindlichen Übel gedroht

Ja!

Drohung ist das Inaussichtstellen eines empfindlichen Übels, dessen Eintritt der Drohende als von seinem Willen abhängig darstellt.. Empfindlich ist das Übel, wenn die negative Folge geeignet ist, einen besonnenen Menschen in der konkreten Situation zu dem vom Täter erstrebten Verhalten zu bestimmen. Die Anzeige des O stellt ein empfindliches Übel dar. Dieses stellt T zwar nicht ausdrücklich dem O in Aussicht und grundsätzlich ist T nicht dafür verantwortlich, dass O dies vermutet. Er nimmt jedoch das Radio von O im Gegenzug für sein Schweigen an. Damit macht er sich die Vermutung des O zu eigen und äußert konkludent, dass er ihn ansonsten der Strafverfolgung aussetzen würde. In diesem Moment kommt es auch nicht mehr darauf an, ob T den Plan tatsächlich hatte. Ein Inaussichtstellen ist ausreichend.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

PK

P K

14.3.2024, 19:36:39

Ich glaube nicht, dass hier § 253 verwirklicht ist, denn die angenommene

Drohung

shandlung (Vorbehaltlose Annahme des Radios) fällt doch hier letztlich in einem Akt mit der

Vermögensverfügung

zusammen. Damit wurde der Vermögensschaden (Verlust des Radios) aber nicht durch die Nötigung verursacht. Auch wenn es hier nur um die Tathandlung geht, wäre es für mich interessant, ob der

Tatbestand

im Übrigen erfüllt ist.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

18.3.2024, 16:43:33

Hallo PK, der BGH hat in dem zugrundelienden Fall tatsächlich eine vollendete Erpressung angenommen (https://research.wolterskluwer-online.de/document/433fdee6-69b0-421a-b1bc-7a04002e85d2). Wir haben den Sachverhalt hier an dieser Stelle noch etwas präzisiert, um klarzustellen, dass die

Drohung

letztlich in den Verhandlungen über die Annahme des Radios liegt und der

Nötigungserfolg

in der späteren Erfüllung. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

MAG

Magnum

22.1.2025, 11:58:57

Aber hier wäre die

Verwerflich

keit abzulehnen, oder? Da der durchschnittliche Bürger eine berechtigten Anzeige standzuhalten hat (oder wie auch immer der BGH das nochmal formuliert).

FW

FW

3.2.2025, 11:43:03

Hi, ich kann hier nicht wirklich eine

konkludent

e

Drohung

sehen. Letztendlich nutzt er doch nur die Situation - d.h. die Angst des Opfers angezeigt zu werden - gezielt aus. Ähnlich wie bei den Raubdelikten, wo der Täter erst nach der

Gewaltanwendung

die jetzt geschaffene

Wehrlosigkeit

des Opfers (Bsp.: bei bewusstlos geschlagenen Opfer) gezielt ausnutzt, um einen Diebstahl zu begehen. Es fehlt jedoch wie bei diesem Fall als auch hier an dem Zusammenhang bzw. der Verknüpfung.


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