Kompatibilität, § 434 Abs. 2 S. 2 BGB
5. Juli 2025
21 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Anwältin A möchte von V ein Ladekabel für ihr Dienst e-Auto kaufen. V sichert zu, dass das Kabel auch für das Automodell der A geeignet ist. Daraufhin willigt A in den Kauf ein. Es stellt sich heraus, dass das Ladekabel nicht für As Automodell geeignet ist, das Kabel nämlich nicht in den entsprechenden Anschluss passt. Bei anderen Automodellen funktioniert das Kabel problemlos.
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Einordnung des Falls
Kompatibilität, § 434 Abs. 2 S. 2 BGB
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Eine Sache ist mangelhaft, wenn sie bei Gefahrübergang von der „vereinbarten Beschaffenheit“ abweicht (§§ 434 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB).
Ja!
2. Dass das Ladekabel für das Automodell der A geeignet ist, stellt eine „Beschaffenheit“ des Kabels dar (§ 434 Abs. 2 S. 1 BGB).
Genau, so ist das!
3. Da das Kabel bei anderen Automodellen problemlos lädt, ist es frei von Sachmängeln.
Nein, das trifft nicht zu!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Kekskrümel
11.6.2022, 23:07:43
Hallo. Prüfe ich in der Klausur grundsätzlich alle drei Voraussetzungen? Oder nur die subjektive, wenn diese schon verneint (wie hier) oder nur die objektive (wenn diese entsprechend nicht vorliegt)? Danke und viele Grüße.
olfis
14.6.2022, 10:57:39
Bzgl. des Kabels würdest du nur die subjektiven Anforderungen prüfen (eben weil hier diesbezüglich subjektiv etwas vereinbart wurde), bei evtl. anderen Mängeln am Kabel jedoch auch die objektiven Anforderungen. Aus Abs. 1 ergibt sich zwar prinzipiell ein Gleichlauf, aber eben nur „solange nicht wirksam etwas anderes vereinbart wurde“, siehe Abs. 3. Somit hat man einen Vorrang der subjektiven
Beschaffenheitwie bei § 434 a.F..
okalinkk
23.6.2025, 11:44:08
@[olfis ](158866) in einer anderen Aufgabe wurde in einem Thread vom Moderator gesagt,
dass 434III 1 sich nur auf die
negative Beschaffenheitsvereinbarungbezieht. Somit liegt nur diesbezüglich ein Vorrang der subjektiven vor der objektiven
Beschaffenheitvor.
ehemalige:r Nutzer:in
10.11.2022, 08:44:13
Könnte man auch die Funktionalität dafür heranziehen? Es erfüllt seine Funktion für den Zweck der A schließlich nicht

Nora Mommsen
10.11.2022, 11:10:43
Hallo Spyce, vorliegend ist für A die Kompatibilität beeinträchtigt, da sich das Kabel nicht mit ihrem Auto verbinden lässt. Unter Funktionalität ist die Fähigkeit einer Sache zu verstehen, ihre Funktionen ihrem Zweck entspr. zu erfüllen z.B. die Leistung eines Motors, die Akkulaufzeit. Das Kabel ist aber an sich geeignet Autos ausreichend zu laden, nur eben nicht das Auto der A. Hier ist es wichtig, sich von den aus der Gesetzesbegründung abgeleiteten Definitionen leiten zu lassen. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Sternensilber
30.5.2025, 16:07:49
Hallo, ich bin grundsätzlich sehr zufrieden mit den Definitionen, die hier bei Jurafuchs geboten werden. Aber ich persönlich finde die Definitionen von Kompatibilität und Interoperabilität zu komplex und dadurch sehr schwer verständlich.
Verenaa
2.6.2025, 16:14:19
Hallo, ja die Definitionen sind komplex aber sie sind in § 327e Abs. 2 BGB genau so definiert. Deine Kritik müsste sich also an den Gesetzgeber richten ;) Jurafuchs hat diese nur übernommen, da sie ja auch nicht auswendig gelernt werden müssen

Sebastian Schmitt
12.6.2025, 11:56:44
Hallo @[Sternensilber](224315), ich kann mich @[Verenaa](302610) nur anschließen! Wie können die Definition an dieser Stelle leider nicht weiter vereinfachen, sondern müssen uns an die ausdrücklichen Vorgaben des (EU-)Gesetzgebers halten (s Art 2 der Warenkauf-RiLi [RL (EU) 2019/771]). § 327e II 3 BGB ist dann für die Kompatibilität eine gute Hilfestellung, weil die dort enthaltene Definition sich zwar wegen des anderen Anwendungsbereichs nicht Wort für Wort, aber sehr wohl dem Sinn nach auf die Kompatibilität in § 434 II 2 BGB übertragen lässt. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

daniel1
11.6.2025, 16:30:13
Hallo, sind die Definitionen aus § 327e II S. 2-4 auf § 434 anwendbar? Nach § 327 I 1 sind die Vorschriften des Untertitels (Verbraucherverträge über digitale Produkte) nur auf Verbraucherverträge anzuwenden, welche die Bereitstellung digitaler Inhalte oder digitaler Dienstleistungen durch den Unternehmer gegen Zahlung eines Preises zum Gegenstand haben. Wäre in unserem Fall hier mit dem Ladekabel ein solches digitales Produkt überhaupt gegeben? Und wenn nicht, kann man dann die Definition problemlos übernehmen? Danke und liebe Grüße!

Sebastian Schmitt
12.6.2025, 12:16:43
Hallo @[daniel1](293916), wenn Du § 327 II 3 BGB genau liest, wirst Du feststellen, dass wir dessen Definition nicht Wort für Wort in unsere Aufgabe übernommen haben (deswegen steht bei uns auch nur "vgl. § 327e Abs. 2 S. 3 BGB"). Unsere Definition stammt vielmehr aus Art 2 Nr 8 der dem § 434 II 2 BGB zugrunde liegenden Warenkauf-RiLi (EU) 2019/771. Einfach Wort für Wort übertragen können wie die Definition in § 327 II 3 BGB auf unseren Fall schon aus den von Dir genannten Gründen nicht. Du wirst aber sehen, dass unsere Definition aus der RiLi und die Definition in § 327 II 3 BGB sich sehr ähnlich sind und inhaltlich in dieselbe Richtung zielen (nochmal: deswegen unser "vgl."). Ob man vor diesem Hintergrund sagt, dass die Begriffe in § 434 II 2 BGB und § 327e II 2-4 BGB "grundsätzlich im Gleichklang auszulegen" sind (so zB MüKo/Maultzsch, 9. Aufl 2024, § 434 Rn 26) oder eher zur Vorsicht mahnt, weil "eine autonome, an der Warenkauf-RL orientierte Auslegung von § 434 Abs 3 S 2 BGB erforderlich" sei (so Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB, Neubearb 2023, § 434 Rn 52), dürfte deswegen iE kaum zu Unterschieden führen. ME sind die Definitionen in § 327 II BGB jedenfalls eine gute Stütze, weil man dann die Definitionen der Begriffe in § 434 II 2 BGB nicht alle komplett auswendig lernen muss. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team
okalinkk
23.6.2025, 12:08:57
Ich habe Schwierigkeiten die Interoperabilität von der Kompatibilität abzugrenzen. Ich weiss, dass Erstere die Verbindung zu anderen Geräten erfasst, die üblicherweise nicht mit dem Gerät genutzt werden. Ganz so klar ist mir die Abgrenzung aber nicht. Gibt es hierfür ein paar eindeutigere Beispiele?
Robert
2.7.2025, 11:23:42
Im Sachverhalt dieser Aufgabe habt ihr es geschafft, in einem Begriff sowohl die Rechtschreibung als auch die Zeichensetzung falsch zu verwenden. Bislang steht im Sachverhalt: „Dienst e-Auto“. Substantive werden im Deutschen groß geschrieben, also „E-Auto“. Zwei zusammengehörende Substantive werden durch einen Bindestrich verbunden, weil sie sonst kontextlos nebeneinander stehen, was die deutsche Grammatik nicht zulässt. Richtigerweise müsste es also ein „Dienst-E-Auto“ sein. Weil das aber dank der zwei Bindestriche sehr hässlich ist, schlage ich die auch stilistisch bessere Variante „dienstliches Elektroauto“ vor.