Zivilrecht

Kaufrecht

Sach- und Rechtsmängel

Kompatibilität, § 434 Abs. 2 S. 2 BGB

Kompatibilität, § 434 Abs. 2 S. 2 BGB

5. Juli 2025

21 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Neues Kaufrecht 2022

Anwältin A möchte von V ein Ladekabel für ihr Dienst e-Auto kaufen. V sichert zu, dass das Kabel auch für das Automodell der A geeignet ist. Daraufhin willigt A in den Kauf ein. Es stellt sich heraus, dass das Ladekabel nicht für As Automodell geeignet ist, das Kabel nämlich nicht in den entsprechenden Anschluss passt. Bei anderen Automodellen funktioniert das Kabel problemlos.

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Einordnung des Falls

Kompatibilität, § 434 Abs. 2 S. 2 BGB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Eine Sache ist mangelhaft, wenn sie bei Gefahrübergang von der „vereinbarten Beschaffenheit“ abweicht (§§ 434 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB).

Ja!

Eine Kaufsache muss den subjektiven Anforderungen entsprechen (§ 434 Abs. 1 BGB). Hierzu gehört die vereinbarte Beschaffenheit (§ 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB). Eine Beschaffenheitsvereinbarung liegt insbesondere vor, wenn der Verkäufer bei Vertragsschluss die Eigenschaften der verkauften Sache in einer bestimmten Weise umschreibt. Dabei stellt das neue Recht klar, dass zu der Beschaffenheit insbesondere Art, Menge, Qualität, Funktionalität, Kompatibilität, Interoperabilität und sonstige Merkmale gehören (§ 434 Abs. 2 S. 2 BGB). § 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB n.F. entspricht dem bis zum 31.12.2021 geltenden § 434 Abs. 1 S. 1 BGB a.F.
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2. Dass das Ladekabel für das Automodell der A geeignet ist, stellt eine „Beschaffenheit“ des Kabels dar (§ 434 Abs. 2 S. 1 BGB).

Genau, so ist das!

Zur Beschaffenheit gehört auch die Kompatibilität (§ 434 Abs. 2 S. 2 BGB. Kompatibilität ist die Fähigkeit der Sache, mit der Hardware oder Software zu funktionieren, mit der Sachen derselben Art in der Regel benutzt werden, ohne dass die Sachen, die Hardware oder die Software verändert werden müssen (vgl. § 327e Abs. 2 S. 3 BGB). V hat zugesichert, dass das Kabel zum Automodell der A passen wird. A und V haben somit eine subjektive Beschaffenheitsvereinbarung bezüglich der Kompatibilität des Kabels abgeschlossen. Die Kompatibilität konnte auch schon nach der alten Rechtslage als Teil der Beschaffenheit vereinbart werden. Nun ist dies explizit normiert.

3. Da das Kabel bei anderen Automodellen problemlos lädt, ist es frei von Sachmängeln.

Nein, das trifft nicht zu!

Um frei von Sachmängeln zu sein, muss eine Kaufsache bei Gefahrübergang den subjektiven Anforderungen, den objektiven Anforderungen und den Montageanforderungen genügen (§ 434 Abs. 1 BGB). Fehlt bei Gefahrübergang eine dieser Voraussetzungen, liegt ein Mangel vor. Das Kabel ist nicht kompatibel mit As Auto und entspricht damit nicht den subjektiven Anforderungen. Irrelevant ist insofern, ob es den objektiven Anforderungen genügt und bei anderen Automodellen passt.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

KEK

Kekskrümel

11.6.2022, 23:07:43

Hallo. Prüfe ich in der Klausur grundsätzlich alle drei Voraussetzungen? Oder nur die subjektive, wenn diese schon verneint (wie hier) oder nur die objektive (wenn diese entsprechend nicht vorliegt)? Danke und viele Grüße.

OLF

olfis

14.6.2022, 10:57:39

Bzgl. des Kabels würdest du nur die subjektiven Anforderungen prüfen (eben weil hier diesbezüglich subjektiv etwas vereinbart wurde), bei evtl. anderen Mängeln am Kabel jedoch auch die objektiven Anforderungen. Aus Abs. 1 ergibt sich zwar prinzipiell ein Gleichlauf, aber eben nur „solange nicht wirksam etwas anderes vereinbart wurde“, siehe Abs. 3. Somit hat man einen Vorrang der subjektiven

Beschaffenheit

wie bei § 434 a.F..

OKA

okalinkk

23.6.2025, 11:44:08

@[olfis ](158866) in einer anderen Aufgabe wurde in einem Thread vom Moderator gesagt,

dass 434

III 1 sich nur auf die

negative Beschaffenheitsvereinbarung

bezieht. Somit liegt nur diesbezüglich ein Vorrang der subjektiven vor der objektiven

Beschaffenheit

vor.

ENU

ehemalige:r Nutzer:in

10.11.2022, 08:44:13

Könnte man auch die Funktionalität dafür heranziehen? Es erfüllt seine Funktion für den Zweck der A schließlich nicht

Nora Mommsen

Nora Mommsen

10.11.2022, 11:10:43

Hallo Spyce, vorliegend ist für A die Kompatibilität beeinträchtigt, da sich das Kabel nicht mit ihrem Auto verbinden lässt. Unter Funktionalität ist die Fähigkeit einer Sache zu verstehen, ihre Funktionen ihrem Zweck entspr. zu erfüllen z.B. die Leistung eines Motors, die Akkulaufzeit. Das Kabel ist aber an sich geeignet Autos ausreichend zu laden, nur eben nicht das Auto der A. Hier ist es wichtig, sich von den aus der Gesetzesbegründung abgeleiteten Definitionen leiten zu lassen. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

STE

Sternensilber

30.5.2025, 16:07:49

Hallo, ich bin grundsätzlich sehr zufrieden mit den Definitionen, die hier bei Jurafuchs geboten werden. Aber ich persönlich finde die Definitionen von Kompatibilität und Interoperabilität zu komplex und dadurch sehr schwer verständlich.

VERE

Verenaa

2.6.2025, 16:14:19

Hallo, ja die Definitionen sind komplex aber sie sind in § 327e Abs. 2 BGB genau so definiert. Deine Kritik müsste sich also an den Gesetzgeber richten ;) Jurafuchs hat diese nur übernommen, da sie ja auch nicht auswendig gelernt werden müssen

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

12.6.2025, 11:56:44

Hallo @[Sternensilber](224315), ich kann mich @[Verenaa](302610) nur anschließen! Wie können die Definition an dieser Stelle leider nicht weiter vereinfachen, sondern müssen uns an die ausdrücklichen Vorgaben des (EU-)Gesetzgebers halten (s Art 2 der Warenkauf-RiLi [RL (EU) 2019/771]). § 327e II 3 BGB ist dann für die Kompatibilität eine gute Hilfestellung, weil die dort enthaltene Definition sich zwar wegen des anderen Anwendungsbereichs nicht Wort für Wort, aber sehr wohl dem Sinn nach auf die Kompatibilität in § 434 II 2 BGB übertragen lässt. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

daniel1

daniel1

11.6.2025, 16:30:13

Hallo, sind die Definitionen aus § 327e II S. 2-4 auf § 434 anwendbar? Nach § 327 I 1 sind die Vorschriften des Untertitels (Verbraucherverträge über digitale Produkte) nur auf Verbraucherverträge anzuwenden, welche die Bereitstellung digitaler Inhalte oder digitaler Dienstleistungen durch den Unternehmer gegen Zahlung eines Preises zum Gegenstand haben. Wäre in unserem Fall hier mit dem Ladekabel ein solches digitales Produkt überhaupt gegeben? Und wenn nicht, kann man dann die Definition problemlos übernehmen? Danke und liebe Grüße!

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

12.6.2025, 12:16:43

Hallo @[daniel1](293916), wenn Du § 327 II 3 BGB genau liest, wirst Du feststellen, dass wir dessen Definition nicht Wort für Wort in unsere Aufgabe übernommen haben (deswegen steht bei uns auch nur "vgl. § 327e Abs. 2 S. 3 BGB"). Unsere Definition stammt vielmehr aus Art 2 Nr 8 der dem § 434 II 2 BGB zugrunde liegenden Warenkauf-RiLi (EU) 2019/771. Einfach Wort für Wort übertragen können wie die Definition in § 327 II 3 BGB auf unseren Fall schon aus den von Dir genannten Gründen nicht. Du wirst aber sehen, dass unsere Definition aus der RiLi und die Definition in § 327 II 3 BGB sich sehr ähnlich sind und inhaltlich in dieselbe Richtung zielen (nochmal: deswegen unser "vgl."). Ob man vor diesem Hintergrund sagt, dass die Begriffe in § 434 II 2 BGB und § 327e II 2-4 BGB "grundsätzlich im Gleichklang auszulegen" sind (so zB MüKo/Maultzsch, 9. Aufl 2024, § 434 Rn 26) oder eher zur Vorsicht mahnt, weil "eine autonome, an der Warenkauf-RL orientierte Auslegung von § 434 Abs 3 S 2 BGB erforderlich" sei (so Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB, Neubearb 2023, § 434 Rn 52), dürfte deswegen iE kaum zu Unterschieden führen. ME sind die Definitionen in § 327 II BGB jedenfalls eine gute Stütze, weil man dann die Definitionen der Begriffe in § 434 II 2 BGB nicht alle komplett auswendig lernen muss. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

OKA

okalinkk

23.6.2025, 12:08:57

Ich habe Schwierigkeiten die Interoperabilität von der Kompatibilität abzugrenzen. Ich weiss, dass Erstere die Verbindung zu anderen Geräten erfasst, die üblicherweise nicht mit dem Gerät genutzt werden. Ganz so klar ist mir die Abgrenzung aber nicht. Gibt es hierfür ein paar eindeutigere Beispiele?

ROBE

Robert

2.7.2025, 11:23:42

Im Sachverhalt dieser Aufgabe habt ihr es geschafft, in einem Begriff sowohl die Rechtschreibung als auch die Zeichensetzung falsch zu verwenden. Bislang steht im Sachverhalt: „Dienst e-Auto“. Substantive werden im Deutschen groß geschrieben, also „E-Auto“. Zwei zusammengehörende Substantive werden durch einen Bindestrich verbunden, weil sie sonst kontextlos nebeneinander stehen, was die deutsche Grammatik nicht zulässt. Richtigerweise müsste es also ein „Dienst-E-Auto“ sein. Weil das aber dank der zwei Bindestriche sehr hässlich ist, schlage ich die auch stilistisch bessere Variante „dienstliches Elektroauto“ vor.


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