Zivilrecht

Kaufrecht

Sach- und Rechtsmängel

Anforderungen an die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung – Sachmangel gemäß § 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB

Anforderungen an die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung – Sachmangel gemäß § 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB

10. Dezember 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
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Neues Kaufrecht 2022

K produziert Vogelfutter. Sie kauft bei V eine Abfüllmaschine. In der Auftragsbestätigung gibt V entsprechend der vorangegangenen Verhandlungen an, die Maschine schaffe "bis zu 40 Tüten/Minute". K möchte 20 Tüten/Minute abfüllen. Nach Lieferung stellt K fest, dass die Maschine nicht mal das schafft. Zum Verpacken nach industriellen Maßstäben ist sie aber grundsätzlich geeignet.

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Einordnung des Falls

Anforderungen an die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung – Sachmangel gemäß § 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB

Dieser Fall lief bereits im 1./2. Juristischen Staatsexamen in folgenden Kampagnen
Examenstreffer 2020

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Verpackungsmaschine hat einen Sachmangel, da sie von der vereinbarten Beschaffenheit" abweicht (§ 434 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Eine Beschaffenheitsvereinbarung liegt insbesondere vor, wenn der Verkäufer bei Vertragsschluss die Eigenschaften der verkauften Sache in bestimmter Weise umschreibt. Die Annahme einer konkludenten Beschaffenheitsvereinbarung kommt dabei nicht "im Zweifel", sondern nur in eindeutigen Fällen in Betracht. Der Verkäufer muss dafür zu erkennen geben, für alle Folgen des Fehlens dieser Eigenschaft einzustehen. BGH: Die schlichte Angabe einer maximalen Verarbeitungsgeschwindigkeit in der Auftragsbestätigung genüge nicht, um einen entsprechenden Rechtsbindungswillen der B mit der gebotenen Eindeutigkeit annehmen zu können (RdNr. 22f.).§ 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB n.F. entspricht dem bis zum 31.12.2021 geltenden § 434 Abs. 1 S. 1 BGB a.F.
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2. Ein Sachmangel kann sich subsidiär auch daraus ergeben, dass sich die Kaufsache nicht für die „nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung“ eignet (§ 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB).

Ja, in der Tat!

Vertraglich vorausgesetzt ist die nicht vereinbarte, aber beiderseits unterstellte konkrete Verwendung der Kaufsache, die von der gewöhnlichen Verwendung abweichen kann. § 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB n.F. entspricht dem bis zum 31.12.2021 geltenden § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB a.F.

3. Die Verpackungsmaschine hat einen Sachmangel, da sie sich nicht für die „nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung“ eignet (§ 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB).

Nein!

BGH: Die „nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung“ ziele nicht auf konkrete Eigenschaften ab, die der Käufer sich vorstelle, sondern darauf, ob die Sache für die dem Verkäufer erkennbare Nutzungsart (Einsatzzweck) durch den Käufer geeignet sei. Vertraglich vorausgesetzte Verwendung einer Verpackungsmaschine könne nur die Verpackung von Vogelfutter in Beuteln sein, nicht das Nicht-Erreichen einer bestimmten Produktionsgeschwindigkeit (RdNr. 34). Die Eignung nach industriellen Maßstäben sei grundsätzlich zu bejahen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Aram

Aram

25.2.2020, 19:39:00

Hä warum ist das kein Sachmangel wenn im Kaufvertrag steht dass die Abfüllmaschine bis zu 40 Tüten pro min abfüllen kann ? Bitte um Hilfe. Danke

Christian Leupold-Wendling

Christian Leupold-Wendling

26.2.2020, 22:42:46

Gute Frage! Das steht nicht im Vertrag (dann entspräche die Maschine tatsächlich nicht der vertraglich vereinbarten

Beschaffenheit

). V hat nur in der Auftragsbestätigung eine maximale Versrbeitungsgeschwindigkeit angegeben. Das hat dem BGH nicht als

Beschaffenheitsvereinbarung

genügt.

GEL

gelöscht

18.4.2020, 08:55:52

Vor allem steht in der AB ja auch nicht, dass die Maschine immer 40 Tüten/min schafft, sondern "bis zu". Mit anderen Worten: jede andere Zahl <40 Tüten/min ist, wahrscheinlich in Abhängigkeit einiger Faktoren, auch möglich. Ich gebe aber zu - für den normalen Menschen ist sowas einfach schwer verständlich und es stellt sich vielleicht ein gewisses Ungerechtigkeitsempfinden ein.

Amelie

Amelie

9.7.2020, 23:57:40

Kann man hier eigentlich auch als Begründung noch den Para. 434 I 3 heranziehen? Da steht ja „Zu der

Beschaffenheit

nach Satz 2 Nr. 2 gehören auch Eigenschaften, die der Käufer nach den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers[...]bei der Kennzeichnung über bestimmte Eigenschaften der Sache erwarten kann, es sei denn, [...] dass sie die Kaufentscheidung nicht beeinflussen konnte.” Hier ist meines Erachtens nach der Kommentar in der Auftragsbestätigung eine Äußerung. Dann könnte man den Mangel ablehnen, weil die Kaufentscheidung davor stattfand (die Auftragsbestätigung kam ja nach dem Angebot - also der Willenserklärung (der Entscheidung) zum Kauf). Oder wie sieht das mit Normen aus, die auf andere verweisen?

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

10.7.2020, 08:45:40

Hallo Amelie, danke für die berechtigte Frage. Sehr guter Gedanke, dass du auf den letzten Halbsatz abzielst, also darauf, dass die Äußerung in der Auftragsbestätigung nicht den Vertragsschluss beeinflussen konnte! Bitte beachte aber, dass § 434 I 3 BGB nur "öffentliche" Äußerungen (z.B. in der Werbung) umfasst. Öffentlich bedeutet, dass die die Äußerung auch durch unbeteiligte wahrnehmbar sein muss und sich nicht von vorneherein an einen feststehenden Personenkreis richtet (Palandt-Weidenkaff, 74. Aufl., § 434, Rn. 34). Das trifft auf die an die Käuferin adressierte Auftragsbestätigung nicht zu. Aber schöner Gedanke!

Amelie

Amelie

10.7.2020, 08:49:40

Ok, vielen Dank!

Ferdinand

Ferdinand

2.7.2021, 10:10:45

Streng genommen, ist der Sachmangel nach § 434 I 2 Nr. 1 nicht subsidiär zum Begriff des Sachmangels nach Satz 1. Grundsätzlich ist denkbar, dass eine andere

Beschaffenheit

vereinbart wird, als nach dem Vertrag vorausgesetzt wird. Auch wenn der Wortlaut des Satz 2 dies suggeriert, nimmt die hM keinen automatischen Vorrang der „vereinbarten

Beschaffenheit

“ an. Was vorgeht, ist durch Auslegung des Vertrages zu ermitteln. Dabei soll maßgeblich sein, welche der Parteien aus der intendierten Verwendung die erforderliche

Beschaffenheit

abgeleitet hat (so etwa Faust in Hau/Poseck, BeckOK BGB).

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

2.7.2021, 17:06:37

Hallo Ferdinand, vielen Dank für diesen Hinweis. Du hast Recht, dass Faust (BeckOK-BGB, 58. Ed., 01.05.2021, § 434 Rn. 50) im Falle eines Konflikts zwischen

Beschaffenheitsvereinbarung

und vertraglich vorausgesetzter Verwendung der

Beschaffenheitsvereinbarung

nicht automatisch den Vorrang einräumen will, sondern hier eine Auslegung des Parteiwillens vornimmt. Als herrschende Auffassung würde ich dies indes nicht bezeichnen. Der Palandt (Palandt/Weidenkaff, BGB, § 434 Rn. 7) spricht zB explizit davon, dass hier die beiden übrigen Mängel subsidiär zur

Beschaffenheitsvereinbarung

sind. Ähnlich heißt es im MüKo (MüKo-BGB, 8. A. 2019, § 434 Rn. 20), dass in der Regel die

Beschaffenheitsvereinbarung

vorrangig ist und nur in Ausnahmefällen einmal dem vertraglich geschuldeten Zweck der Vorrang einzuräumen ist. Auch in Prüfungen habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Prüfer einen sehr großen Wert darauf gelegt haben, dass man die verschiedenen Stufen sauber nacheinander abprüft. Vergegenwärtigt man sich, dass

§ 434 BGB

der Grundsatz des sog. "subjektiven Mangelbegriffs" zugrunde liegt, dann halte ich es auch für überzeugender jedenfalls im Grundsatz der

Beschaffenheitsvereinbarung

den Vorrang einzuräumen. Denn anders als bei dem Vertragszweck hat man sich in diesem Fall ja eindeutig auf bestimmte Spezifikationen der zu verkaufenden Sache geeinigt, an denen man sich deshalb festhalten lassen sollte. Sicher gibt es Grenzfälle, in denen die

Beschaffenheitsvereinbarung

letztlich primär dazu dient, den vertraglich vereinbarten Zweck zu gewährleisten. Die Regel dürfte dies indes nicht sein. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Ferdinand

Ferdinand

2.7.2021, 17:39:01

Hallo Lukas, Vielen Dank für deine ausführliche Antwort. Offenbar war eine Einschätzung, es handele sich um die herrschende Auffassung etwas vorschnell. Ich hatte das so im Kopf und beim Nachschlagen im BeckOK BGB ohne Hinweis auf andere Meinungen so gelesen, daher die Annahme. Natürlich besteht grundsätzlich ein Rangverhältnis zwischen den Varianten des § 434 I, das ergibt sich ja aus Wortlaut und Systematik. Ich finde es hat aber durchaus etwas für sich, wenn man in machen Fällen der vertraglich vorausgesetzten Verwendung Vorrang vor der vertraglichen

Beschaffenheitsvereinbarung

einräumt. Etwa in Fällen, in denen der Käufer einen geplanten Verwendungszweck schildert, der Verkäufer dann ein konkretes Produkt aussucht und dessen

Beschaffenheit

im Vertrag festhält (bspw. auch Westermann im MüKo, Rn. 20; . Berger (in Jauernig, BGB, § 434, Rn. 12) nennt folgendes Beispiel: Die Traghöhe eines Krans entspricht der Vereinbarung, nicht aber die für den vertraglichen Verwendungszweck erforderliche Tragkraft. Aber es ist natürlich klar, dass das nur in „krassen“ Ausnahmefällen jemals virulent werden kann, von daher ist es vielleicht gar nicht so wichtig. Die Stimmen, die ein „fixes“ Rangverhältnis vorsehen, sind jedenfalls in der Mehrheit (Prütting/Wegen/Weinreich; NK-BGB; Palandt).

ABI

Abi

21.2.2023, 18:28:23

Aus meiner Sicht ist das eine Fehleinschätzung des BGH. Die Angabe „bis zu 40 Tüten“ ist zwar

auslegungsbedürftig

. Jeder verständige Dritte erwartet aber, dass die Maschine annähernd soviele Tüten schafft. Und wenn schon die Angabe in der Auftragsbestätigung steht, die regelmäßig von Seiten des Verkäufers ausgestellt wird, dann stellt das auch eine

Beschaffenheitsvereinbarung

dar. Ausnahmsweise wäre die Vereinbarung keine

Beschaffenheitsvereinbarung

, wenn es so ausdrücklich vereinbart wird. Insbesondere stellt die Schnelligkeit einer Maschine ein Qualitätsmerkmal dar, wie zum Beispiel bei einem Auto die PS-Zahl. Im BGH sitzen eben nur Juristen…

Nora Mommsen

Nora Mommsen

21.2.2023, 18:36:45

Hallo Abi, da bin ich bei dir - die Einschätzung des BGH ist nicht unbedingt zwingend an dieser Stelle. Für die Examina und natürlich auch die Praxis später bleibt es leider dennoch nicht aus, diese Ansicht zu beherrschen. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

DO

Dominic

15.7.2023, 00:52:15

Erfolgte die Angabe des Verkäufers nicht zeitlich nach Vertragsschluss? Kommt dann trotzdem noch die Vereinbarung einer

Beschaffenheit

oder eine bestimmte gemeinsam vorausgesetzte Verwendung in Betracht?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

18.7.2023, 13:26:44

Hallo Dominic, in der Tat ist der Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses maßgeblich für die Bestimmung der

Beschaffenheit

/vorausgesetzten Verwendung. wir haben den Sachverhalt an der Stelle noch einmal weiter präzisiert. Die Auftragsbestätigung gab in diesem Fall lediglich noch einmal die bereits im Zuge der Kaufvertragsverhandlungen besprochenen Punkte wieder und gab keine darüber hinausgehenden Infos wieder. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

EVA

evanici

28.8.2023, 19:05:53

Mich irritiert die Angabe, dass laut Sachverhalt die "Laufleistung" Bestandteil vorhergehender Verhandlungen zwischen den Parteien war. Warum sieht man darin dann gerade keine

Beschaffenheitsvereinbarung

?

VALA

Vanilla Latte

27.9.2023, 21:10:31

Das verwirrt mich auch. Vorangegangene Verhandlungen sehe ich als Abrede und somit

vereinbarte Beschaffenheit

.

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

8.9.2024, 11:42:48

Hallo @[evanici](214760), hallo @[Vanilla Latte](217055), ich kann gut verstehen, dass Ihr hier irritiert seid. Wenn doch schon von der Verkäuferseite stolz angepriesen wird, dass die Verpackungsmaschine „bis zu X Tüten/Minute“ schafft, warum muss sich der Verkäufer anschließend nicht daran festhalten lassen? Der BGH hat an eine Vereinbarung nach § 434 I 2 Nr 1 BGB aF/§ 434 II 1 Nr 1 BGB nF stets hohe Anforderungen gestellt und wollte sie nicht vorschnell annehmen. Seiner Auffassung sei in der Bezeichnung „bis zu [...]“ nicht zu erkennen, dass der Verkäufer rechtsverbindlich Gewähr für eine bestimmte Mindestgeschwindigkeit übernehmen wollte (Rn 28 des Urteils). Das Argument mit der MINDESTgeschwindigkeit hat mE durchaus etwas für sich, schließlich heißt es seitens des Verkäufers ja nur „BIS ZU [...]“ und bei entsprechendem Interesse hätte die Käuferin konkrete(re) Zusicherungen verlangen können. Andererseits war die Abweichung im Originalfall wohl erheblich, die Anlage hat laut der Klägerin nur knapp die Hälfte der „bis zu [...]“-Angabe geschafft. Mit entsprechender Begründung kann man das also sicherlich auch anders sehen als der BGH, jedenfalls in einer Prüfungssituation. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

VANE

Vanessa

25.6.2024, 16:37:19

Wenn doch nun vorab klar geschildert wurde, dass es die Maschine 40 Tüten abpacken kann handelt es sich doch hier um eine subjektive Anforderung, die vielleicht sogar der Grund zum kauf dieser exakten Maschine führte. Der Entschluss des BGHs ist hier nicht nachvollziehbar

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

8.9.2024, 11:34:45

Hallo Vanessa, ich kann gut verstehen, dass Du hier irritiert bist. Wenn doch schon von der Verkäuferseite stolz angepriesen wird, dass die Verpackungsmaschine "bis zu X Tüten/Minute" schaffe, warum muss sich der Verkäufer anschließend nicht daran festhalten lassen? Der BGH hat an eine Vereinbarung nach § 434 I 2 Nr 1 BGB aF/§ 434 II 1 Nr 1 BGB stets hohe Anforderungen gestellt und wollte sie nicht vorschnell annehmen. Seiner Auffassung sei in der Bezeichnung "bis zu [...]" nicht zu erkennen, dass der Verkäufer rechtsverbindlich Gewähr für eine bestimmte Mindestgeschwindigkeit übernehmen wollte (Rn 28 des Urteils). Das Argument mit der MINDESTgeschwindigkeit hat mE durchaus etwas für sich, schließlich heißt es seitens des Verkäufers ja nur "BIS ZU [...]" und bei entsprechendem Interesse hätte die Käuferin konkrete(re) Zusicherungen verlangen können. Andererseits war die Abweichung im Originalfall wohl erheblich, die Anlage hat laut der Klägerin nur knapp die Hälfte der "bis zu [...]"-Angabe geschafft. Mit entsprechender Begründung kann man das also sicherlich anders sehen als der BGH, erst recht in einer Prüfungssituation. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team


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