Zivilrecht
Schuldrecht Allgemeiner Teil
Gläubiger- / Schuldnerwechsel
Formbedürftigkeit der Schuldübernahme
Formbedürftigkeit der Schuldübernahme
22. Mai 2025
12 Kommentare
4,7 ★ (13.024 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
K kauft von V formwirksam ein Grundstück für €800.000. Da K kein Geld hat, bittet er seine volljährige Tochter T an seiner Stelle den Kaufpreis zu übernehmen. Dies sagt T mündlich zu. V hatte schon vorher eingewilligt. Als V von T das Geld verlangt, hat sie es sich anders überlegt und will nicht zahlen.
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Einordnung des Falls
Formbedürftigkeit der Schuldübernahme
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. K hat sich verpflichtet an V €800.000 zu zahlen, indem er mit V den Grundstückskaufvertrag abgeschlossen hat.
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Führt der Umstand, dass K kein Geld hat, zu einem Ausschluss seiner Leistungspflicht (§ 275 Abs. 1 BGB)?
Nein, das ist nicht der Fall!
3. V kann von T Zahlung des Kaufpreises verlangen, wenn diese die Kaufpreisschuld übernommen hat.
Ja, in der Tat!
4. Da K und T die Schuldübernahme lediglich mündlich vereinbart haben, ist die Einigung unwirksam.
Nein!
5. Konnte V schon vor Vertragsschluss ihre Zustimmung erklären?
Genau, so ist das!
6. Kann V von T Zahlung des Kaufpreises verlangen?
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
PaulderGroße
30.11.2022, 15:42:43
Der Gläubiger heißt V und nicht B. Überdies kann ich im Sachverhalt keine Genehmigung von V erkennen.

Nora Mommsen
30.11.2022, 15:58:45
Hallo PaulderGroße, danke für den Hinweis. Wir haben den Text nun richtiggestellt :) Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Alexander
11.1.2023, 15:24:53
Es besteht immer noch ein kleiner Fehler in der Subsumtion
Dogu
24.8.2024, 12:31:35
S.o.

Jakob G.
26.9.2024, 20:02:02
Das Schenkungsversprechen ist
schuldrechtlicher, die
Schuldübernahme hingegen dinglicher Natur. Folglich kann es durchaus sein, dass ein Schenkungsvertrag causa für die
Schuldübernahme ist. Jedoch könnte auch der Schenkungsvertrag durch
Schuldübernahme vollzogen werden und die
Formnichtigkeitgeheilt (§ 518 II BGB). Die
Schuldübernahme kann jedoch auch auf anderen Verpflichtungsgeschäften fußen. Insofern wird das Formerfordernis der Schenkung nicht umgangen. BeckOGK/Heinig, 1.3.2024, BGB § 415 Rn. 2: Die
Schuldübernahme nach § 415 ist nach heute ganz überwiegender Auffassung als Verfügung des
Schuldners und des Dritten über die
Schuldanzusehen (sog. Verfügungstheorie). Da die Forderung dem Gläubiger zusteht, verfügen die Parteien als Nichtberechtigte. Es ist daher die Zustimmung des Gläubigers zur Wirksamkeit der
Schuldübernahme
erforderlich. Die Mitteilung der
Schuldübernahme an den Gläubiger stellt eine bloße Wissenserklärung dar und kein Angebot, wie von der früheren Angebotstheorie vertreten (→ Rn. 2.1 f.). Der
Schuldübernahme liegt zumeist ein Kausalgeschäft zwischen
Schuldner und Übernehmer zugrunde.

Jakob G.
26.9.2024, 20:33:41
Für den Verfügungscharakter der
Schuldübernahme spricht insb. § 417 II BGB, der annimmt, der
Schuldübernahme läge ein
Rechtsverhältnis(causa) zugrunde.
benjaminmeister
1.2.2025, 09:36:39
@[Jakob G.](132813) hast du eine Quelle dafür, dass die
Schuldübernahme dinglicher Natur ist? Ich war bisher der Meinung, dass die
Schuldübernahme zwar ein
Verfügungsgeschäftist, aber nicht dinglicher Natur.
nmew
22.1.2025, 11:31:01
warum wird bei der Einwilligung neben § 415 I 1 nicht auf § 185 I abgestellt?

julia_purpose
3.4.2025, 16:55:03
Die
Schuldübernahme ist ja grundsätzlich formlos möglich. Einer besonderes Formerfordernis besteht dann laut der Aufgabe nur, wenn: 1) Das zugrundeliegende
Schuldverhältnis selbst einem Formzwang unterliegt und 2) Der Schutzzweck gebietet, dass auch die
Schuldübernahme davon umfasst ist Hat jemand ein Beispiel für mich, in dem man dieses Erfordernis annehmen würde? Mir fällt keines ein, mit dem ich mir das im Zusammenhang merken könnte. Danke schonmal.
P K
3.4.2025, 19:17:06
Zum Beispiel der Verbraucherdarlehensvertrag. Hier könnte man alles umgehen, indem die Bank das Darlehen an eine Tochtergesellschaft ausreicht und dieses dann von dem eigentlichen Kreditnehmer übernommen wird.

Kathi
16.4.2025, 13:54:01
Die
Schuldübernahme ist demnach ein Vertrag nach § 415 BGB. Zwischen wem kommt der Vertrag aber zustande? Die Einigung gem. Abs. 1 muss zwischen Drittem und
Schuldner stattfinden, der Gläubiger muss das genehmigen. Also besteht der Vertrag dann zwischen Gläubiger und Drittem? Woraus lässt sich das aber ableiten?
Lt. Maverick
5.5.2025, 14:14:44
Nicht ganz. Der
Schuldübernahme zwischen Alt
schuldner und Übernehmer liegt regelmäßig ein Verpflichtungsgeschäft zugrunde, wie sich dem § 417 II BGB entnehmen lässt. Auf Grundlage der Vereinbarung zwischen Alt
schuldner und Übernehmer können im Innenverhältnis bereits vertragliche Pflichten aufleben. Davon zu unterscheiden ist dann die Wirkung der Vereinbarung im Außenverhältnis. Es verhält sich ähnlich wie bei der Abtretung. Bei der Abtretung gebührt dem Gläubiger allein die Forderung, sodass er grundsätzlich frei über diese verfügen kann. Die
Schuldübernahme ist spiegelbildlich zur Abtretung zu betrachten: Die ge
schuldete Forderung gebührt dem Gläubiger, auch hat er ein erhebliches Interesse am
Schuldner (Solvenz, Bonität usw.; das ist ja auch der Rechtsgedanke des
Offenkundigkeitsprinzips in der Stellvertretung). Es ist seine Forderung und zu dieser Forderung gehört eben nicht nur der Bestand und die eigene Rechtsstellung als Inhaber, sondern auch die Person des
Schuldners, die ebenso Inhalt der Forderung ist. Deshalb hat die befreiende
Schuldübernahme Verfügungscharakter, indem unmittelbar auf ein bestehendes Recht (Forderung) durch Inhaltsänderung (
Schuldnerwechsel) eingewirkt wird. Also in dem Vertrag zwischen Alt
schuldner und Übernehmer steckt zugleich eine Verfügung. Der Gläubiger ist Inhaber der Forderung, sodass Alt
schuldner und Übernehmer nicht irgendwelche Änderungen vereinbaren können, die dem Gläubiger gegenüber wirksam werden. Sie sind Nichtberechtigte, sodass ihre Vereinbarung als Verfügung im Außenverhältnis ohne Mitwirkung des Gläubigers keine Wirksamkeit entfaltet. Hier kommt das Abstraktionsprinzip (§ 417 II BGB) gewissermaßen zum Tragen: Die Vereinbarung kann zwar für sich selbst gesehen wirksam sein, z.B. kann der Alt
schuldner trotzdem vom Übernehmer die Befreiung der Verbindlichkeit verlangen (§ 415 III BGB), dies wirkt sich aber nicht unmittelbar auf das bestehende Recht (Forderung) aus, denn der Gläubiger hat weiterhin eine Forderung gegen den Alt
schuldner. Im Außenverhältnis wäre diese Inhaltsänderung dem Gläubiger gegenüber nicht wirksam, soweit er dem nicht zugestimmt hatte und damit eine Berechtigung vorlag. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass im Fall des § 415 BGB, nach der sog. Verfügungstheorie, der Vertrag zwischen Alt
schuldner und Übernehmer besteht. Dieser Vertrag ist auch wirksam zwischen den
Beteiligten (
Relativität der Schuldverhältnisse). Die mit dem Vertrag verbundene Verfügung (
Schuldnerwechsel als Inhaltsänderung) kann aber nur dann Rechtswirkungen gegenüber dem Gläubiger entfalten, wenn er zustimmt (§
185 BGB).