Formbedürftigkeit der Schuldübernahme

22. Mai 2025

12 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K kauft von V formwirksam ein Grundstück für €800.000. Da K kein Geld hat, bittet er seine volljährige Tochter T an seiner Stelle den Kaufpreis zu übernehmen. Dies sagt T mündlich zu. V hatte schon vorher eingewilligt. Als V von T das Geld verlangt, hat sie es sich anders überlegt und will nicht zahlen.

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Einordnung des Falls

Formbedürftigkeit der Schuldübernahme

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. K hat sich verpflichtet an V €800.000 zu zahlen, indem er mit V den Grundstückskaufvertrag abgeschlossen hat.

Ja!

Mit Abschluss eines Kaufvertrages verpflichtet sich der Käufer an den Verkäufer den Kaufpreis zu zahlen (§ 433 Abs. 2 BGB).K und V haben einen Kaufvertrag geschlossen und dabei auch die notwendige Form gewahrt (notarielle Beurkundung, § 311b Abs. 1 BGB). K war somit verpflichtet, V den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen.
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2. Führt der Umstand, dass K kein Geld hat, zu einem Ausschluss seiner Leistungspflicht (§ 275 Abs. 1 BGB)?

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Leistungspflicht des Schuldners ist ausgeschlossen, wenn die Leistungserbringung unmöglich geworden ist (§ 275 Abs. 1 BGB). Um die Regelungen des Insolvenzrechts nicht zu unterlaufen, findet die Vorschrift indes auf Geldschulden keine Anwendung.Da die Unmöglichkeit auf Geldschulden keine Anwendung findet, ist K trotz seiner fehlenden Geldmittel zur Leistung verpflichtet.

3. V kann von T Zahlung des Kaufpreises verlangen, wenn diese die Kaufpreisschuld übernommen hat.

Ja, in der Tat!

Bei der (befreienden) Schuldübernahme tritt die Übernehmerin an die Stelle des Altschuldners. Eine Schuldübernahme nach § 415 Abs. 1 BGB liegt vor, wenn der (Alt-)Schuldner und die Übernehmerin einen wirksamen Vertrag hierüber abschließen und der Gläubiger zustimmt. Anders dagegen bei dem gesetzlich nicht geregelten Schuldbeitritt. Hier erhält der Gläubiger lediglich einen weiteren Schuldner, kann aber weiterhin auf den alten zugreifen.

4. Da K und T die Schuldübernahme lediglich mündlich vereinbart haben, ist die Einigung unwirksam.

Nein!

Die Schuldübernahme ist grundsätzlich formlos möglich. Einer besonderen Form bedarf es nur, wenn das zugrundeliegende Schuldverhältnis (1) einem Formzwang unterliegt und (2) der Schutzzweck gebietet, dass auch die Schuldübernahme davon umfasst ist.Der Grundstückskaufvertrag aus dem die übernommene Schuld stammt, ist formbedürftig (§ 311b Abs. 1 BGB). Die Norm erstreckt sich indes nur auf die Verpflichtung zur Übereignung oder dem Erwerb eines Grundstücks. Die Übernahme einer Kaufpreiszahlungspflicht fällt dagegen nicht unter den Schutzzweck und bedarf keiner Form. Somit war die Einigung zwischen K und T auch mündlich wirksam.

5. Konnte V schon vor Vertragsschluss ihre Zustimmung erklären?

Genau, so ist das!

Der Gesetzeswortlaut erfasst zwar nur die nachträgliche Zustimmung durch Genehmigung (§ 185 Abs. 2 BGB). Es ist indes anerkannt, dass auch die vorherige Einwilligung (§ 183 S. 1 BGB) möglich ist. Für eine Differenzierung fehlt ein sachlicher Grund. Insbesondere werden Einwilligung und Genehmigung in § 182 Abs. 1 BGB gleichgestellt.Da V bereits im Vorfeld ihre Zustimmung erteilt hat, wurde der Vertrag zwischen V und T im Moment ihrer Einigung wirksam.

6. Kann V von T Zahlung des Kaufpreises verlangen?

Ja, in der Tat!

Eine Schuldübernahme nach § 415 Abs. 1 BGB liegt vor, wenn der (Alt-)Schuldner und die Übernehmerin einen wirksamen Vertrag hierüber abschließen und der Gläubiger zustimmt. Der Vertrag kann auch konkludent abgeschlossen werden und ist grundsätzlich formfrei. K und T haben sich wirksam über die Übernahme geeinigt. V hat dem zugestimmt nach der h.M. kann der Gläubiger die Übernahme nicht nur nachträglich genehmigen, sondern schon im Vorfeld darin einwilligen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

PAULDE

PaulderGroße

30.11.2022, 15:42:43

Der Gläubiger heißt V und nicht B. Überdies kann ich im Sachverhalt keine Genehmigung von V erkennen.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

30.11.2022, 15:58:45

Hallo PaulderGroße, danke für den Hinweis. Wir haben den Text nun richtiggestellt :) Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Alexander

Alexander

11.1.2023, 15:24:53

Es besteht immer noch ein kleiner Fehler in der Subsumtion

Dogu

Dogu

24.8.2024, 12:31:35

S.o.

Jakob G.

Jakob G.

26.9.2024, 20:02:02

Das Schenkungsversprechen ist

schuld

rechtlicher, die

Schuld

übernahme hingegen dinglicher Natur. Folglich kann es durchaus sein, dass ein Schenkungsvertrag causa für die

Schuld

übernahme ist. Jedoch könnte auch der Schenkungsvertrag durch

Schuld

übernahme vollzogen werden und die

Formnichtigkeit

geheilt (§ 518 II BGB). Die

Schuld

übernahme kann jedoch auch auf anderen Verpflichtungsgeschäften fußen. Insofern wird das Formerfordernis der Schenkung nicht umgangen. BeckOGK/Heinig, 1.3.2024, BGB § 415 Rn. 2: Die

Schuld

übernahme nach § 415 ist nach heute ganz überwiegender Auffassung als Verfügung des

Schuld

ners und des Dritten über die

Schuld

anzusehen (sog. Verfügungstheorie). Da die Forderung dem Gläubiger zusteht, verfügen die Parteien als Nichtberechtigte. Es ist daher die Zustimmung des Gläubigers zur Wirksamkeit der

Schuld

übernahme

erforderlich

. Die Mitteilung der

Schuld

übernahme an den Gläubiger stellt eine bloße Wissenserklärung dar und kein Angebot, wie von der früheren Angebotstheorie vertreten (→ Rn. 2.1 f.). Der

Schuld

übernahme liegt zumeist ein Kausalgeschäft zwischen

Schuld

ner und Übernehmer zugrunde.

Jakob G.

Jakob G.

26.9.2024, 20:33:41

Für den Verfügungscharakter der

Schuld

übernahme spricht insb. § 417 II BGB, der annimmt, der

Schuld

übernahme läge ein

Rechtsverhältnis

(causa) zugrunde.

BEN

benjaminmeister

1.2.2025, 09:36:39

@[Jakob G.](132813) hast du eine Quelle dafür, dass die

Schuld

übernahme dinglicher Natur ist? Ich war bisher der Meinung, dass die

Schuld

übernahme zwar ein

Verfügungsgeschäft

ist, aber nicht dinglicher Natur.

NME

nmew

22.1.2025, 11:31:01

warum wird bei der Einwilligung neben § 415 I 1 nicht auf § 185 I abgestellt?

julia_purpose

julia_purpose

3.4.2025, 16:55:03

Die

Schuld

übernahme ist ja grundsätzlich formlos möglich. Einer besonderes Formerfordernis besteht dann laut der Aufgabe nur, wenn: 1) Das zugrundeliegende

Schuld

verhältnis selbst einem Formzwang unterliegt und 2) Der Schutzzweck gebietet, dass auch die

Schuld

übernahme davon umfasst ist Hat jemand ein Beispiel für mich, in dem man dieses Erfordernis annehmen würde? Mir fällt keines ein, mit dem ich mir das im Zusammenhang merken könnte. Danke schonmal.

PK

P K

3.4.2025, 19:17:06

Zum Beispiel der Verbraucherdarlehensvertrag. Hier könnte man alles umgehen, indem die Bank das Darlehen an eine Tochtergesellschaft ausreicht und dieses dann von dem eigentlichen Kreditnehmer übernommen wird.

Kathi

Kathi

16.4.2025, 13:54:01

Die

Schuld

übernahme ist demnach ein Vertrag nach § 415 BGB. Zwischen wem kommt der Vertrag aber zustande? Die Einigung gem. Abs. 1 muss zwischen Drittem und

Schuld

ner stattfinden, der Gläubiger muss das genehmigen. Also besteht der Vertrag dann zwischen Gläubiger und Drittem? Woraus lässt sich das aber ableiten?

LMA

Lt. Maverick

5.5.2025, 14:14:44

Nicht ganz. Der

Schuld

übernahme zwischen Alt

schuld

ner und Übernehmer liegt regelmäßig ein Verpflichtungsgeschäft zugrunde, wie sich dem § 417 II BGB entnehmen lässt. Auf Grundlage der Vereinbarung zwischen Alt

schuld

ner und Übernehmer können im Innenverhältnis bereits vertragliche Pflichten aufleben. Davon zu unterscheiden ist dann die Wirkung der Vereinbarung im Außenverhältnis. Es verhält sich ähnlich wie bei der Abtretung. Bei der Abtretung gebührt dem Gläubiger allein die Forderung, sodass er grundsätzlich frei über diese verfügen kann. Die

Schuld

übernahme ist spiegelbildlich zur Abtretung zu betrachten: Die ge

schuld

ete Forderung gebührt dem Gläubiger, auch hat er ein erhebliches Interesse am

Schuld

ner (Solvenz, Bonität usw.; das ist ja auch der Rechtsgedanke des

Offenkundigkeitsprinzip

s in der Stellvertretung). Es ist seine Forderung und zu dieser Forderung gehört eben nicht nur der Bestand und die eigene Rechtsstellung als Inhaber, sondern auch die Person des

Schuld

ners, die ebenso Inhalt der Forderung ist. Deshalb hat die befreiende

Schuld

übernahme Verfügungscharakter, indem unmittelbar auf ein bestehendes Recht (Forderung) durch Inhaltsänderung (

Schuld

nerwechsel) eingewirkt wird. Also in dem Vertrag zwischen Alt

schuld

ner und Übernehmer steckt zugleich eine Verfügung. Der Gläubiger ist Inhaber der Forderung, sodass Alt

schuld

ner und Übernehmer nicht irgendwelche Änderungen vereinbaren können, die dem Gläubiger gegenüber wirksam werden. Sie sind Nichtberechtigte, sodass ihre Vereinbarung als Verfügung im Außenverhältnis ohne Mitwirkung des Gläubigers keine Wirksamkeit entfaltet. Hier kommt das Abstraktionsprinzip (§ 417 II BGB) gewissermaßen zum Tragen: Die Vereinbarung kann zwar für sich selbst gesehen wirksam sein, z.B. kann der Alt

schuld

ner trotzdem vom Übernehmer die Befreiung der Verbindlichkeit verlangen (§ 415 III BGB), dies wirkt sich aber nicht unmittelbar auf das bestehende Recht (Forderung) aus, denn der Gläubiger hat weiterhin eine Forderung gegen den Alt

schuld

ner. Im Außenverhältnis wäre diese Inhaltsänderung dem Gläubiger gegenüber nicht wirksam, soweit er dem nicht zugestimmt hatte und damit eine Berechtigung vorlag. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass im Fall des § 415 BGB, nach der sog. Verfügungstheorie, der Vertrag zwischen Alt

schuld

ner und Übernehmer besteht. Dieser Vertrag ist auch wirksam zwischen den

Beteiligte

n (

Relativität der Schuldverhältnisse

). Die mit dem Vertrag verbundene Verfügung (

Schuld

nerwechsel als Inhaltsänderung) kann aber nur dann Rechtswirkungen gegenüber dem Gläubiger entfalten, wenn er zustimmt (§

185 BGB

).


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