Zivilrecht

Schuldrecht Allgemeiner Teil

Widerruf & Verbraucherverträge

Vorzeitiges Erlöschen des Widerrufsrechts (§ 356 Abs. 4 BGB)

Vorzeitiges Erlöschen des Widerrufsrechts (§ 356 Abs. 4 BGB)

19. April 2025

14 Kommentare

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Hausherrin H beauftragt den (mit telefonischer Auftragsannahme werbenden) Fliesenleger F per Telefon, bei ihr neue Fliesen zu verlegen. H verlangt sofortige Leistung und bestätigt, sie wisse, dass sie ihr Widerrufsrecht mit vollständiger Vertragserfüllung verliere. F verlegt die Fliesen. Nach 5 Tagen gefallen H die Fliesen nicht mehr. Sie erklärt den Widerruf.

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Einordnung des Falls

Vorzeitiges Erlöschen des Widerrufsrechts (§ 356 Abs. 4 BGB)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Es handelt sich um einen Fernabsatzvertrag (§ 312c BGB). Deshalb steht H grundsätzlich ein Widerrufsrecht zu.

Genau, so ist das!

Ein Widerrufsrecht besteht gemäß § 312g Abs. 1 BGB bei Verträgen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher, bei denen sich der Verbraucher zu der Zahlung eines Preises verpflichtet (§§ 312 Abs. 1, 310 Abs. 3 BGB) und die unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln im Rahmen eines Fernabsatzsystems geschlossen werden (§ 312c BGB). Verbraucherin H (§ 13 BGB) und Unternehmer F (§ 14 BGB) haben per Telefon kommuniziert, daher ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwendet und der Vertragsschluss ist über das gerade für den Fernabsatz organisierte Dienstleistungssystem des F erfolgt. Es liegt somit ein Fernabsatzvertrag vor, sodass V grundsätzlich ein Widerrufsrecht gem. § 312g Abs. 1 BGB zusteht.
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2. Da die Widerrufsfrist 14 Tage beträgt, ist der Widerruf zumindest innerhalb dieser Frist immer möglich.

Nein, das trifft nicht zu!

Gemäß § 355 Abs. 2 S. 1 BGB beträgt die Widerrufsfrist 14 Tage. Allerdings kann das Widerrufsrecht auch schon vor Fristablauf erlöschen. Bei Außergeschäftsraum- und Fernabsatzverträgen, bei denen der Verbraucher zur Zahlung eines Preises verpflichtet ist, erlischt das Widerrufsrecht gemäß § 356 Abs. 4 Nr. 2 BGB, wenn der Vertrag (1) die Erbringung von Dienstleistungen zum Gegenstand hat, (2) der Unternehmer die Dienstleistung vollständig erbracht hat, (3) der Verbraucher der Dienstleistungserbringung vor Ablauf der Widerrufsfrist ausdrücklich zugestimmt hat, wobei diese Erklärung bei Außergeschäftsraumverträgen auf einem dauerhaften Datenträger übermittelt werden muss, sowie (4) seine Kenntnis davon bestätigt hat, dass er in diesem Fall sein Widerrufsrecht vorzeitig verliert. Die Erlöschensgründe für das Widerrufsrecht für Dienstleistungsverträge sind seit dem 28.05.2022 aus Gründen der Übersichtlichkeit in § 356 Abs. 4 BGB neu gefasst. Lies Dir hier den neuen Gesetzestext durch!

3. Kann § 356 Abs. 4 Nr. 2 BGB auf Werkverträge angewendet werden?

Ja!

Der Begriff der „Dienstleistung“ nach § 356 Abs. 4 Nr. 2 BGB muss im europarechtlichen Sinne weit ausgelegt werden, sodass auch Werkleistungen darunterfallen. Die vollständige Erbringung der Dienstleistung liegt nur, wenn die Leistung mangelfrei erbracht wurde.

4. Da H innerhalb der 14-tägigen Widerrufsfrist den Widerruf gegenüber F erklärt hat, ist dieser fristgerecht und wirksam erfolgt.

Nein, das ist nicht der Fall!

Der Widerruf kann grundsätzlich innerhalb von 14 Tagen erklärt werden (§ 355 Abs. 2 BGB), sofern das Widerrufsrecht nicht bereits vorher erloschen ist (§ 356 Abs. 4 BGB). H stand zunächst ein Widerrufsrecht nach §§ 312g Abs. 1, 312c BGB zu. Bei dem abgeschlossenen Werkvertrag handelt es sich aber um einen Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen vor im Sinne des § 356 Abs. 4 Nr. 2 BGB. F hat durch Verlegung aller Fliesen die „Dienstleistung“ vollständig erbracht hat. H hat in Kenntnis des Verlust des Widerrufsrechts umgehende Leistung verlangt. Zum Zeitpunkt des Widerrufs war ihr Widerrufsrecht nach § 356 Abs. 4 Nr. 2 BGB bereits erloschen.
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