Zivilrecht
Examensrelevante Rechtsprechung ZR
Entscheidungen von 2020
Voraussetzungen und Rechtsfolgen des Widerrufs eines Partnervermittlungsvertrages
Voraussetzungen und Rechtsfolgen des Widerrufs eines Partnervermittlungsvertrages
25. Januar 2025
25 Kommentare
4,8 ★ (30.058 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
P schließt bei K mit dieser einen Partnervermittlungsvertrag. „Hauptleistungspflicht“ ist nach dem Vertragsformular die Erstellung von 21 Partnervorschlägen, verfügbar für 12 Monate. K verlangt umgehende Leistung und zahlt die Vergütung. P erstellt 21 Vorschläge. Nach 5 Tagen hat K 3 davon erhalten und erklärt den Widerruf.
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Einordnung des Falls
Voraussetzungen und Rechtsfolgen des Widerrufs eines Partnervermittlungsvertrages
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Es handelt sich um einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag. Deshalb hat K grundsätzlich ein Widerrufsrecht.
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Da die Widerrufsfrist 14 Tage beträgt, ist der Widerruf zumindest innerhalb dieser Frist immer möglich.
Nein!
3. Der Unternehmer hat seine Dienstleistung erst vollständig erbracht, wenn alle Pflichten erfüllt sind, die für die Erbringung der Hauptleistung erforderlich sind.
Genau, so ist das!
4. Als Hauptleistung ist vorliegend diejenige Leistung anzusehen, die das Vertragsformular als solche bezeichnet.
Nein, das trifft nicht zu!
5. Das „Wesen“ des Vertrags und damit die Hauptleistungspflicht der P liegt darin, dass P die Partnervorschlagsliste erstellt.
Nein!
6. P hat ihre Dienstleistung gemäß § 356 Abs. 4 S. 1 BGB vollständig erbracht.
Nein, das ist nicht der Fall!
7. Der Widerruf der K ist wirksam.
Ja, in der Tat!
8. Infolge des Widerrufs kann K die gezahlte Vergütung zurückverlangen.
Ja!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
egal
20.11.2021, 09:29:52
Sind "AGB", die die Hauptleistungspflicht regeln nicht automatisch schon Individualvereinbarungen? 🤔
Lukas_Mengestu
22.11.2021, 11:11:45
Hallo liebe Nutzer*in, nach der Legaldefinition des § 305 Abs. 1 S. 1 BGB sind allgemeine Geschäftsbedingungen "alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (
Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt". Dabei macht es für das Vorliegen von AGB zunächst keinen Unterschied, welchen Bereich die Vertragsbedingungen regeln. Dass Haupt
leistungspflichten(zB Preise) in der Regel nicht der AGB-Kontrolle unterliegen, folgt dagegen aus § 307 Abs. 3 BGB. Denn eine Kontrolle findet eben nur insoweit statt, wie die Vertragsbedingung von Rechtsvorschriften abweichen bzw. diese ergänzen. Sofern dies bei den Haupt
leistungspflichtenaber nicht der Fall ist, erfolgt auch keine Prüfung anhand der §§ 307 ff. BGB. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Lukas_Mengestu
22.11.2021, 11:15:08
*P.S.: Eine
Individualabredenach § 305b BGB liegt dagegen nur vor, wenn die Parteien eine
Einzelfallabrede geschlossen haben. Dies liegt indes nicht vor, wenn sie sich einfach auf die standardmäßig in den AGB vereinbarten Vertragsbedingungen einigen.
Ella
20.1.2022, 23:29:06
Wieso ist bei der RF des Widerrufs 355 III und nicht 357 I zitiert? Ist 357 I nicht spezieller für die Rückabwicklung von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen?
Lukas_Mengestu
21.1.2022, 09:20:08
Hallo Ella, in der Tat modifiziert § 357 Abs. 1 BGB den § 355 Abs. 1 S. 1 BGB dahingehend, dass hierdurch eine Höchstfrist von 14 Tagen normiert wird. Grundsätzlich bleibt es aber dabei, dass die Leistungen "
unverzüglich" zurückgewährt werden müssen (§ 355 Abs. 3 S. 1 BGB). Die Höchstfrist darf insofern nicht ausgeschöpft werden. Vielmehr ist weiterhin
ohne schuldhaftes Zögerndie Leistung zurückzugewähren (ggfs. also schon deutlich früher). Maßgeblich ist damit primär § 355 Abs. 3 BGB. Spätestens wenn die Höchstfrist abgelaufen ist, liegt aber keine
Unverzüglichkeit mehr vor. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Isabell
9.2.2022, 11:37:05
Mir fehlt ein Hinweis darauf, wo der Vertrag geschlossen wurde.
Lukas_Mengestu
9.2.2022, 12:37:47
Hallo Isabell, das ist etwas versteckt im ersten Satz. Der Vertrag wird "bei K", also bei der Verbraucherin geschlossen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Isabell
9.2.2022, 12:38:50
Wer genau liest und so 😅 Danke für's auf die Sprünge helfen!
queenoflaw
24.10.2022, 14:31:22
Dee Fall war heute in NRW im Examen dran.
Alisa Marie
24.10.2022, 14:46:26
Lief heute auch in Berlin Brandenburg
Ranii
24.10.2022, 16:00:33
Der Fall kam 1:1 in Berlin heute im 1. Examen
LP
3.1.2023, 10:47:30
Ich fand die letzte Frage undeutlich formuliert. Denn es ist ja klar, dass K nur ein Teil des Betrages zurückbekommt. Vielleicht kann man die Frage mit „zum Teil“ ergänzen?
Lukas_Mengestu
3.1.2023, 11:06:46
Hallo LP, vielen Dank für Deinen Hinweis. Hier musst Du aufpassen, dass Du nicht verschiedene Ansprüche vermischt. Infolge des Widerrufs hat K erst einmal einen Anspruch auf die volle Rückzahlung der Vergütung. Im Hinblick auf diesen Anspruch ist es erst einmal irrelevant, dass daneben auch P einen
Wertersatzanspruch hat. In der praktischen Umsetzung wird P aber in der Tat einfach die Aufrechnung mit ihrem
Wertersatzanspruch erklären und dann nur einen Teil der Vergütung zurückgeben. Rechtlich musst Du dies aber sauber trennen. Da es hier erst einmal nur um den entstandenen Anspruch auf Rückzahlung der Vergütung geht, bleiben Erlöschensgründe (Aufrechnung) also bei der Beantwortung der Frage erst einmal außer Betracht. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
antoniasophie
31.1.2023, 22:58:35
Welche Norm wäre es für den Anspruch von P nach aktueller Rechtslage? Inzwischen ist der Wortlaut von § 357 VIII anders
Gnu
4.2.2023, 17:34:57
Jonas91
23.6.2023, 10:30:49
Ich glaube, hier müssten die Normen angepasst werden. Der auf
Wertersatzfür die bis zum Widerruf erbrachten Dienstleistungen gerichtete Anspruch des Unternehmens bei Fernabsatz oder außerhalb von Geschäftsräumen ist, wenn ich das richtig, sehe, nunmehr in 357a Abs. 2 n.F. geregelt.
ehemalige:r Nutzer:in
22.8.2023, 12:47:54
Ja, es müsste § 357a Abs. 2 und § 357a Abs. 2 S. 2 BGB heißen anstatt § 357 Abs. 8 und 357 Abs. 8 S. 4.
Flohm
18.1.2024, 15:55:15
Klasse Fall, leider sind bei mir noch ein paar Fragen offen. 1. Beim
Wertersatzvon P gem. §357a II müsste man Nr. 1-3 doch prüfen oder? Es ist nicht ersichtlich, dass P die K gem. Nr. 3 ordnungsgemäß informiert hat. 2. §356 IV Nr. 1 setzt einen Vertrag voraus, bei dem der Verbraucher nicht zur Zahlung eines Preises verpflichtet ist. Ist aber der Verbraucher nicht immer zur Zahlung eines Preises verpflichtet aufgrund von §§312g, 312 I ? 3. oder gibt es noch andere Widerrufsrechte (außer §§312g, 312 I) mit denen man zu §356 IV gelangt ?
Sebastian Schmitt
2.12.2024, 17:42:34
Hallo @[Flohm](210957), 1.: Die ordnungsgemäße Information nach § 357a II Nr 3 BGB haben wir hier einfach unterstellt, das aber jetzt in Frage 8 noch einmal explizit betont. 2. und 3.: Der Verbraucher kann insbesondere auch mit seinen persönlichen Daten zahlen (§ 312 Ia 1 BGB), das ist dann ein Fall des § 356 IV Nr 1 BGB. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team
Ala
15.3.2024, 10:54:11
Hi, warum ist der Widerruf in dem Fall nicht gem. oben genannter Norm ausgeschlossen?
Timurso
15.3.2024, 13:33:04
Weil diese Norm nur bei der Lieferung von Waren, also beweglicher Sachen, gilt und nicht bei der Erbringung von Dienstleistungen.
Merle_Breckwoldt
19.3.2024, 09:27:31
Hallo ihr beiden, genau! Auch wenn man je nach Vertragsgestaltung in der Übersendung der Partnervorschläge an sich die Lieferung einer beweglichen Sache (§§ 312g II Nr. 1, 241a I BGB) sehen wollte, wäre der Vertrag schwerpunktmäßig eindeutig ein Dienstleistungsvertrag, sodass dennoch nicht unter die Norm subsumiert werden könnte ("Verträge zur Lieferung von Waren"). Beste Grüße, Merle für das Jurafuchs-Team
Merle_Breckwoldt
22.3.2024, 15:23:36
@[Lukas_Mengestu](136780)