Arglosigkeit bei Heimtückemord – Täter tritt Opfer in offen feindseliger Haltung entgegen


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Klassisches Klausurproblem

F möchte sich von T scheiden, nachdem sie ihn 30 Jahre wiederholt gedemütigt hat. Es gibt einen heftigen Streit, bei dem F den T bespuckt. Trotzdem möchte sich T versöhnen. Er betritt nachts über den Balkon das Schlafzimmer der F. F fordert ihn auf, zu verschwinden. Es gibt einen neuen Streit. T entschließt sich, F zu töten und zieht ein Messer. Er nutzt Fs Lage im Bett aus, springt auf den Unterkörper der noch liegenden F und ersticht sie.

Einordnung des Falls

Arglosigkeit bei Heimtückemord – Täter tritt Opfer in offen feindseliger Haltung entgegen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 1 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. F war "arglos", als T sie erstochen hat.

Nein, das trifft nicht zu!

Arglos ist, wer sich bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs (= Zeitpunkt des Versuchs (§ 22 StGB)) keines Angriffs auf sein Leben oder seine körperliche Unversehrtheit versieht. BGH: Gehe der Tötungshandlung eine in offener Feindschaft geführte Auseinandersetzung unmittelbar voraus, entfalle bereits deshalb die Arglosigkeit. In dieser Konstellation sei irrelevant, welche Vorstellungen das Opfer sich im Einzelnen über unmittelbar bevorstehende Auswirkungen dieser Feindseligkeit seines Gegenüber gemacht habe. Diese Grenzziehung sei sinnvoll, um die Frage, ob Mord oder Totschlag gegeben ist, nicht von Vorstellungen des Opfers abhängen zu lassen, das im Falle der Tatvollendung keine Auskunft mehr geben könne (RdNr. 4). F und T streiten sich, bevor T sich entschließt, F zu töten.

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Jakob G.

Jakob G.

18.4.2021, 08:46:09

Das BGH-Urteil spricht von einer "offenen Feindschaft". Die vermag ich in einem "heftigen Streit" wegen einer Scheidung nicht zu erkennen, selbst wenn ich die symbolisierten Flüche miteinbeziehe. Offene Feindschaft setzt für mich bei der Definition von "Angriff auf Leib und/oder Leben" an. Die Zeitspanne zwischen Messer-ziehen und Tötung ist für mich zu kurz, um arg- und wehrlosigkeit entfallen zu lassen.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

20.4.2021, 17:02:55

Hallo Jakob, du hast natürlich Recht, dass so etwas immer stark Einzelfall abhängig ist. Im konkreten Fall ging dem ganzen in der Tat eine 30-jährige Ehe mit wiederholten Demütigungen voraus, was wir nunmehr auch im Sachverhalt ergänzt haben. Es ging also nicht nur um den Zeitraum zwischen Messer ziehen und der Tötung. Im Hinblick auf die von dir entwickelte Definition von "offener Feindschaft" dürftest du den BGH indes etwas zu eng verstehen. Denn einen Angriff auf Leib und/oder Leben hat im zugrunde liegenden Originalfall allenfalls mittelbar stattgefunden (T hat versucht sich das Leben zu nehmen). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

melb1995

melb1995

15.12.2022, 15:11:59

Ich verstehe das Urteil ehrlich gesagt nicht . Im vorherigen Fall wurde trotz mehrmalige Todesdrohungen Arglosigkeit angenommen weil das Opfer dies nicht ernst nahm . Ich denke auch nicht dass in diesem Fall ein großer Unterschied besteht da man doch nicht nur aufgrund eines Streits mit einem Tötungswillen des Anderen rechnen muss ?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

16.12.2022, 14:25:32

Hallo melb1995, danke für deine Frage. In der Tat scheint gerade im Rahmen der Heimtücke jedes Urteil anders zu gewichten. Tatsächlich ist die Frage der Arglosigkeit eine individuelle, bei der der konkrete Sachverhalt und das konkrete Opfer in den Blick genommen werden. Und so kann auch ein Opfer, dem dies zwar angekündigt wurde das es aber für einen Scherz gehalten hat trotzdem arglos sein. Andersrum ist es hier - der Streit war so heftig, dass das Gericht damals die Arglosigkeit in Bezug auf einen Angriff auf Leib oder Leben ablehnte. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

melb1995

melb1995

16.12.2022, 19:11:01

Okay ich verstehe vielen Dank :)

Sophiechen.2002

Sophiechen.2002

7.7.2023, 17:04:58

Ich glaube dazu kommt noch, dass F das Messer ja kurz vorher sehen konnte und T auf sie sprang bevor er sie erstach, da konnte sie ja mit dem Angriff rechnen.

/Q

/qwas

22.1.2024, 17:38:01

Ich denke nicht, dass der Moment ausreicht, weil die Zeit so knapp war, dass T keine Verteidigungsmöglichkeit hatte. In vorherigen Jurafuchs-Fällen wurde so eine Situation jedenfalls noch als heimtükisch angesehen.

Sophiechen.2002

Sophiechen.2002

22.1.2024, 19:44:10

Ja mittlerweile denke ich auch so, der Moment war zu kurz, als dass F hätte reagieren können


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