Zivilrecht
Examensrelevante Rechtsprechung ZR
Entscheidungen von 2018
Vererblichkeit von Facebook-Account
Vererblichkeit von Facebook-Account
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Die 14-jährige T erstellt mit Erlaubnis ihrer Eltern einen Facebook-Account. Ein Jahr später verunglückt T tödlich. Vater V ist Alleinerbe. Er möchte mithilfe der Facebook-Nachrichten der T herausfinden, ob T Suizidabsichten hatte. Der Account ist jedoch im „Gedenkzustand“ und damit gesperrt.
Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Sind Social-Media-Konten vererblich? Mit dieser Frage hatte sich der BGH in dem tragischen Fall einer verunglückten 15-Jährigen zu befassen, deren Eltern anhand ihrer Facebooknachrichten Hinweise auf eventuelle Suizidabsichten suchen wollten. Der BGH positionierte sich klar zugunsten der Erben und entschied, dass auch Social-Media-Konten im Wege der Universalsukzession (§ 1922 BGB) auf die Erben übergehen.
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Erwirbt V als Rechtsnachfolger alle vererbbaren dinglichen und schuldrechtlichen Ansprüche der T (§ 1922 BGB)?
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Ist der Nutzungsvertrag mit Facebook höchstpersönlicher Art? Kann er - wie eine Mitgliedschaft in einem Verein (§ 38 BGB) und eine höchstpersönliche Forderung (§ 399 BGB) – nicht vererbt werden?
Nein, das trifft nicht zu!
3. Ist der Anspruch der T auf Zugang zum Facebook-Account unvererblich wegen des postmortalen Persönlichkeitsrechts der T (Art. 1 Abs. 1 GG)?
Nein!
4. Ist der Anspruch der T auf Zugang zum Facebook-Account unvererblich wegen des Fernmeldegeheimnisses (Art. 10 GG), das T und ihre Kommunikationspartner schützt?
Nein, das ist nicht der Fall!
5. Hat V keinen Anspruch auf Zugriff auf den Facebook-Account der T, weil Facebook wirksam über AGB mit T vereinbart hat, dass nach ihrem Tod der Gedenkzustand aktiviert wird?
Nein, das trifft nicht zu!
6. Konnte T, da sie beschränkt geschäftsfähig ist (§ 106 BGB), nur mit Zustimmung ihrer Eltern einen wirksamen Nutzungsvertrag mit Facebook schließen?
Ja!
7. V hat gegenüber Facebook einen Anspruch auf uneingeschränkten Zugriff auf den Facebookaccount durch seine Stellung als Erbe der T.
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Zavviny
19.9.2020, 15:38:28
Wie ist das jetzt ausgegangen ?
Eigentum verpflichtet 🏔️
21.9.2020, 10:51:49
Hallo Zavviny, danke für die gute Frage. Da Facebook damals (2018) den Eltern keinen Zugang zu dem Konto gewährt hat, sondern ihnen nur bergeweise PDF Dokumente geschickt hat, haben diese sich gegen dieses Verhalten gewährt. Der BGH hat jetz in einem ganz neuen Beschluss (BGH Beschl. v. 27.08.2020, Az. III ZB30/20) festgestellt, dass die Eltern Anspruch auf den Zugang zum Facebook-Konto der Tochter haben, so wie die Tochter das Konto bedienen konnte. Lediglich einen aktiven Zugang (also Statusposts, Kommentare und Privatnachrichten) sind gesperrt. LG :)
Philipp Paasch
13.10.2022, 23:47:40
Was mich an diesem Fall immer wundert ist, warum Facebook das alles gemacht hat. Dadurch rücken sie in der Öffentlichkeit doch in ein sehr schlechtes Licht. Niemand wird sich hier doch auf die Seite von Facebook schlagen.
GingerCharme
2.5.2023, 15:22:15
Das geht oder ging mir tatsächlich ähnlich. Könnte es mir nur so erklären, dass Facebook um jeden Preis Intimssphäre und Datenschutz verkörpern möchte. Unabhängig von der Realität, im Sinne von:"bei uns hat dein Persönlichkeitsschutz oberste Priorität/sind deine Daten "sicher" - selbst nach deinem Versterben". Ist aber nur eine Theorie. Makaber bleibt es mMn in jedem Fall einem Hinterbliebenem mögliche Antworten zu verw
ehren, auf die wohl einzigen Fragen, die ihn rumtreiben nur um vermeintlich die Verstorbene/Dritte/die Kommunikationsfreiheit zu schützen ...
GingerCharme
2.5.2023, 15:23:36
PS: Habe Grade in einem anderen Post gesehen, dass Facebook ja doch die Daten ohnehin gewährte, via bergeweise Pdf's weiß nicht ob es das Ganze dann besser macht oder sogar noch unnötiger 🤔
mona13
12.11.2022, 19:12:04
Was ist die Anspruchsgrundlage von den Eltern?
Lukas_Mengestu
14.11.2022, 11:29:50
Hallo Mona13, der Anspruch ergibt sich unmittelbar aus dem Nutzungsvertrag zwischen T und Facebook, bei dem es sich um einen Vertrag eigener Art (sui generis) handelt. Die Ansprüche aus dem Vertrag sind auf die Eltern im Wege der
Universalsukzession(§ 1922 Abs.1 BGB) übergegangen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
IsiRider
3.5.2023, 11:06:35
Ich finde die Entscheidung irgendwie sperrig. Könnte es noch eine Zusammenfassung mit den wichtigsten Aussagen geben?
Nora Mommsen
3.5.2023, 11:20:06
Hallo IsiRider, danke für die Rückmeldung. Wir haben die Aufgabe um eine Frage ergänzt, die die Rechtslage nochmal abschließend beurteilt. Ich hoffe, dass dies dein Verständnis vom Fall verbessert. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Rechtsanwalt B. Trüger
15.10.2024, 11:15:15
@Eigentum verpflichtet schreibt unter einem anderen Thread „Lediglich einen aktiven Zugang (also Statusposts, Kommentare und Privatnachrichten) sind gesperrt“. Demnach müsste doch die Frage, ob der V einen Anspruch gegen Facebook auf „uneingeschränkten Zugriff“ hat mit „stimmt nicht“ zu bewerten sein. Ich konnte mir nämlich auch nicht vorstellen, dass V über das Konto der T nach belieben verfahren darf und dabei Sachen posten und Kommentieren kann (es wird ja nach außen nicht unbedingt sichtbar, dass der V die Sachen postet solange man nicht weiß, dass die T verstorben ist). Das wäre dann aber für mich eben ein uneingeschränkter Zugriff, oder sehe ich das falsch?