Zivilrecht
Sachenrecht
Arten des Besitzes
Diebin, die im Kaufhaus einen Lippenstift in die Tasche steckt
Diebin, die im Kaufhaus einen Lippenstift in die Tasche steckt
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
B entdeckt in einem Kaufhaus einen roten Lippenstift. Da sie kein Geld mehr hat, steckt sie diesen in einem unbeobachteten Moment in ihre Tasche.
Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Diebin, die im Kaufhaus einen Lippenstift in die Tasche steckt
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 1 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. B hat unmittelbaren Besitz (§ 854 Abs. 1 BGB) an dem Lippenstift erlangt.
Genau, so ist das!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Jumshidul
29.1.2020, 21:18:54
Es stimmt zwar das B die tatsächliche Sachherschaft mit Besitzwillen ausübt, jedoch muss sie auch die Möglichkeit haben diese in einem Räumlichen Verhältnis auszuüben. Solange sie sich im Kaufhaus befindet kann sie den Lippenstift ja kaum benutzen. Daher ist mir nicht ersichtlich warum hier ein un
mittelbarer Besitzgem Paragraph 854 I bejaht wird
Jonas Sauer
1.2.2020, 21:02:50
Es kommt für die Sachherrschaft nicht darauf an, ob B jederzeit die Möglichkeit hat, die Sache bestimmungsgemäß zu gebrauchen. Entscheidend ist, die Möglichkeit jederzeit auf die Sache zuzugreifen. Wenn dann noch der Besitzwille hinzutritt, dann handelt es sich um einen unmittelbaren Besitz, insofern dies der Verkehrsanschauung entspricht.
Jumshidul
1.2.2020, 21:15:10
Selbst dann hätte B solange sie sich im Kaufhaus befindet keine Möglichkeit jederzeit auf die Sache zuzugreifen.
Jonas Sauer
22.6.2020, 12:17:34
Die tatsächliche Möglichkeit besteht jedenfalls. Dass B dadurch womöglich entdeckt würde, ist für die Beziehung zur Sache nicht entscheidend. Entscheidend ist letztlich, wem der Besitz nach der Verkehrsanschauung eher zuzurechnen ist. Hierbei ist auf den individuellen Willen und damit insbesondere auf die
positive Kenntnisder Akteure abzustellen. B weiß um den Aufbewahrungsort und könnte damit eher darauf zugreifen, als der Marktinhaber. Für die gedankliche Abgrenzung kann man sicherlich noch die
Enklaventheoriezur Hilfe nehmen, wonach B jedenfalls Gewahrsam begründet hat, da die Durchsuchung der Tasche durch den Marktinhaber sozial auffällig wäre. Der unmittelbare Besitz und der strafrechtliche Gewahrsam laufen ja in aller Regel gleich.
Anonym
29.3.2022, 23:57:15
Hallo Jonas, Vielen Dank für deinen Kommentar. Ich hätte auch den Enklavengewahrsam gedacht. Ist denn eine derartige strafrechtliche Argumentation in einer Zivilrechtsklausur zulässig (da du hier von "gedanklich" schreibst)? Grüße
Karl
8.6.2023, 13:14:53
Vielleicht hier Abgrenzung Besitz im zivilrechtlichen Sinne zum Gewahrsam im strafrechtlichen!
Karl
8.6.2023, 13:16:09
Vielleicht hier auch Abgrenzung vom Besitz im zivilrechtlichen Sinne zum Gewahrsam im strafrechtlichen!
Lukas_Mengestu
9.6.2023, 10:47:03
Hallo Karl, auch wenn man die beiden Institute begrifflich unterscheiden muss, laufen sie doch weitgehend gleich. So auch hier. Durch das Einstecken des Lippenstifts hat B eine sog.
Gewahrsamsenklavegebildet und damit bereits noch in dem Kaufhaus den Gewahrsam des Inhabers gebrochen und eigenen Gewahrsam begründet. Unterschiede zwischen Besitz und Gewahrsam bestehen vor allem im Hinblick auf den mittelbaren Besitzer und den
Besitzdiener. Der mittelbare Besitzer hat zivilrechtlich ebenfalls zumindest „mittelbaren“ Besitz an der Sache, die ihm gemittelt wird. Für die Annahme eigenen Gewahrsams genügt dies dagegen nicht. Umgekehrt hat der
Besitzdienerzivilrechtlich keine Besitzposition inne, strafrechtlich ist er dagegen durchaus Gewahrsamsinhaber. Hier zeigt sich, dass der Gewahrsam etwas stärker an die tatsächliche Sachherrschaft anknüpft. Ein weiteres Beispiel hierzu ist der sog. "Erbenbesitz" (§ 857 BGB). Auch hierbei handelt es sich lediglich um eine Fiktion, die auf das Strafrecht nicht übertragbar ist, weswegen es hier am Gewahrsam des Erben fehlt (damit scheidet Diebstahl aus, aber Unterschlagung ist noch möglich). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Sempex2
26.2.2024, 12:41:05
Das Schaffen einer
Gewahrsamsenklavebedeutet, dass der Gegenstand vom Täter „so eng in die höchstpersönliche Sphäre und damit in einen Tabubereich gebracht, dass selbst in einer fremden
Gewahrsamssphäreneuer Gewahrsam begründet ist“ (Wittig, in: BeckOK, StGB, Edition 2021, § 242 Rn. 26.1). Typisches Beispiel ist das Einstecken von kleinen, leicht zu verbergenden Gegenständen in einem Supermarkt; hier wird bereits durch das Einstecken des kleinen Gegenstandes – in die
GewahrsamsenklaveKörper bzw. Jackentasche des Täters usw. – die Wegnahme vollendet. Dogmatisch ist das hier der selbe Ansatz oder?