Adressat verstirbt vor Zugang

21. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Vermieter V schickt Mieter M postalisch eine Kündigungserklärung. Bevor die Kündigung zugeht, verstirbt M. Alleiniger Erbe ist E. E lebt im Ausland.

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Einordnung des Falls

Adressat verstirbt vor Zugang

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Kündigung wird wirksam, wenn Postbote P sie in den Briefkasten des M eingeworfen hat und mit Kenntnisnahme nach den gewöhnlichen Umständen zu rechnen ist.

Nein!

Empfangsbedürftige Willenserklärungen werden wirksam mit Zugang (§ 130 Abs. 1 S. 1 BGB). Zugang (Phase 3) liegt bei verkörperten Willenserklärungen vor, wenn die Erklärung so in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass er von ihr Kenntnis nehmen kann und wenn unter normalen Umständen mit der Kenntnisnahme zu rechnen ist. Da hier M vor Zugang der Willenserklärung gestorben ist, kann die Erklärung nicht mehr in den Machtbereich des Empfängers gelangen und daher diesem gegenüber nicht mehr wirksam werden.
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2. Die Kündigung wird wirksam, wenn sie so in den Machtbereich des E gelangt, dass mit Kenntnisnahme nach den gewöhnlichen Umständen zu rechnen ist.

Genau, so ist das!

An die Stelle des verstorbenen Adressaten tritt kraft Universalsukzession (Gesamtrechtsnachfolge) der Erbe (gem. § 1922 BGB). Häufig wird der Erbe die nach dem Tod des Erblassers an dessen letztem Wohnsitz eingehenden Schreiben selbst auffinden oder von Dritten übergeben bekommen. Das Risiko einer nicht ordnungsgemäßen Weiterleitung an den Erben trägt jedoch der Erklärende. Er muss bei wichtigen Willenserklärungen notfalls den Zugang beim Erben prüfen und ggf. die Willenserklärung erneut absenden, diesmal in den Machtbereich des Erben.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

PIE

Pierre

6.11.2019, 12:14:41

Die Antwort auf die erste Frage ist falsch. Dass der Empfänger stirbt, ändert nichts daran, das an seine Stelle der Erbe tritt ja dann auch Empfänger ist, für den dieselben Zugangsregeln gelten.

m.adele.ine

m.adele.ine

7.11.2019, 14:45:42

Danke! Und ich dachte schon beim ersten Lesen der Antwort, ich wäre vollkommen durcheinander! :)

Christian Leupold-Wendling

Christian Leupold-Wendling

13.11.2019, 10:53:17

@Pierre @m.adele.ine: Danke für die Anmerkungen. Korrekt: Für den Erben gelten die selben Zugangsregeln. Aber der Machtbereich des M ist nicht gleich dem Machtbereich des E. Oder anders formuliert: Wenn der Brief im Briefkasten des M liegt, liegt er nicht im Machtbereich des E. Er geht E also dadurch nicht zu. Wir haben den Sachverhalt noch ein wenig abgewandelt, so dass dies noch klarer werden dürfte (E lebt jetzt im Ausland). Ist das hilfreich?

UN

Unterfertigter

25.3.2024, 12:34:18

Das Haus als Teil des Erbes zählt doch zum Machtbereich?

JuJu13406

JuJu13406

3.7.2024, 15:16:06

Hat jemand auf die Anmerkung von Unterfertigter eine Antwort? Ich bin ebenfalls davon ausgegangen, dass der Briefkasten des M mit dem Tod des M zum Machtbereich des Erben E wird und die Erklärung damit zu dem Zeitpunkt wirksam wird, zu dem unter gewöhnlichen Umständen mit einer Leerung des Briefkastens (jetzt eben durch E) gerechnet werden kann. Da würde sich dann die weiterführende Frage stellen, ob man auch beim Erben sagen könnte, dass unter gewöhnlichen Umständen ein Mal am Tag der Briefkasten geleert wird oder, ob auf die gewöhnliche Kenntnisnahme durch einen Erben abzustellen wäre (z.B. am Tag, an dem der Erbe die Schlüssel zu dem Haus und Briefkasten erhält).

MI

Miriam

3.7.2024, 19:49:05

Ich sehe das ähnlich und finde die Lösung eher inkonsequent. Ich hätte geschätzt dass entweder 1. der Erbe direkt an die Stelle des Verstorbenen tritt und der Zugang zum gleichen Zeitpunkt erfolgt wie gewohnt (was mir aber unwahrscheinlich erscheint weil im tatsächlichen Leben dieser Prozess ja etwas Zeit beansprucht) 2. hätte ich angenommen, dass die Kündigung neu an den E gerichtet werden muss, ähnlich wie beim vorherigen Fall bei der Geistesabwesenden und dem Vertreter weil zwar der E an die Stelle des M tritt aber der V ja hier auch keine Kenntnis vom E hat und dementsprechend die Kündigung nicht an diesen gerichtet hat und sie nicht in dessen Machtbereich getreten ist. Ist das in der Klausur aus eurer Sicht evtl. argumentierbar oder muss man hier bei der genannten Meinung bleiben?

CO

cornelius.spans

3.11.2024, 19:54:13

Bitte die Fragen noch beantworten!

HAN

Hanna

14.2.2020, 12:10:12

Mich würde interessieren, ob die Kündigung so wie bei einem Geschäftsünfähigen explizit an den Erben adressiert werden muss. Ist es für den Zugang an den Erben in seinem Machtbereich ausreichend, dass der Adressat M bleibt?

GEL

gelöscht

27.3.2020, 07:08:14

Müsste sie meines Erachtens nach nicht, da die Erben oder der Erbe, in diesem Falle E, im Wege der

Universalsukzession

(§ 1922 BGB) in alle Rechte und Verpflichtungen des Erlassers eintreten. Daher muss die Kündigung nicht neu adressiert werden.

NME

nmew

12.10.2024, 13:28:17

wenn der Erbe wie im Vertiefungstext in der Wohnung des Verstorbenen den Kündigungsbrief findet und liest, hat er die Kündigung ja tatsächlich zur Kenntnis genommen. Ist die Kündigung dann dem Erben wirksam zugegangen ? schließlich ist die tatsächliche Kenntnisnahme ja vorrangig. danke!

LELEE

Leo Lee

20.10.2024, 11:51:21

Hallo Nicholas, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Diese ganzen Ausführungen bzgl. der normalen Umstände etc. sind dann wichtig (vor allem in Klausuren), wenn - wie in den meisten Fällen - der Empfänger NICHT bzw. noch nicht tatsächlich Kenntnis genommen hat. Wenn der Adressat hingegen tatsächlich Kenntnis nimmt (etwa durchs Lesen), dann liegt IMMER Zugang vor. Tatsächliche Kenntnis schlägt immer diesen abstrakten Zugangsbegriff (mit den normalen Umständen etc.). Also du hast völlig Recht! Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-BGB 9. Auflage, Einsele § 130 Rn. 16 sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

Justinian

Justinian

29.10.2024, 17:54:07

„Immer“ ist in diesem Kontext falsch, da im Fall der Abgabe einer Erklärung gegenüber der betreuten Person (geschäftsunfähig)(anstatt des Betreuers) die tatsächliche Kenntnisnahme des Betreuers nicht den Zugang ersetzt. Sollte ich dahingehend falsch liegen, berichtige mich bitte :D

schwemmely

schwemmely

30.10.2024, 09:58:36

stimmt, da greift aber dann auch nicht

§ 130 BGB

sondern primär § 131 (Abs. 1) BGB @[Justinian](188802) :D


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