Zivilrecht
BGB Allgemeiner Teil
Tatbestand der Willenserklärung
Trierer Weinversteigerung (fehlendes Erklärungsbewusstsein)
Trierer Weinversteigerung (fehlendes Erklärungsbewusstsein)
9. Mai 2023
44 Kommentare
4,7 ★ (239.135 mal geöffnet in Jurafuchs)
Prüfungsschema
Welche subjektiven und objektiven Elemente unterscheidet man beim Tatbestand einer Willenserklärung?
- Subjektiver (innerer) Tatbestand
- Handlungswille
- Erklärungsbewusstsein
- Geschäftswille
- Objektiver (äußerer) Tatbestand
- Objektive Erklärung
- Rechtsbindungswille
Wie prüfst Du die Anfechtung einer Willenserklärung (§§ 119 ff., 142 BGB)?
- Zulässigkeit der Anfechtung / Kein Ausschluss
- Anfechtungserklärung (§ 143 BGB)
- Anfechtungsfrist (§§ 121, 124 BGB)
- Kausalität des Anfechtungsgrundes
- Rechtsfolge: Nichtigkeit ex tunc (§ 142 BGB)
- Anfechtungsgrund (§§ 119, 120, 123 BGB)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
W besucht eine Weinauktion in Trier. Auktionator A ruft: „Wer bietet 9.000 €?“ In diesem Moment entdeckt W seinen Freund F und winkt ihm. A erteilt W daraufhin den Zuschlag für die Flasche Château Margaux, die Eigentümerin E gehört.
Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Bei der „Trierer Weinversteigerung“ handelt es sich um einen fiktiven juristischen Lehrbuchfall, in dem das Problem des fehlenden Erklärungsbewusstseins bei Abgabe einer Willenserklärung behandelt wird. Der Fall geht auf Hermann Isay zurück, der den Fall in seinem Buch „Die Willenserklärung im Tatbestande des Rechtsgeschäfts“ in die Diskussion eingebracht hat: Der ortsunkundige W besucht eine Weinversteigerung in Trier und winkt seinem befreundeten F zu. Daraufhin erteilt der Auktionator W den Zuschlag für den aktuell aufgerufenen Posten Wein der E zum aufgerufenen Preis. Es stellt sich die Frage, ob zwischen W und E ein wirksamer Kaufvertrag über den Wein zustande gekommen ist. Nach der herrschenden Meinung genügt bereits das potenzielle Erklärungsbewusstsein, sodass die Willenserklärung wirksam, aber anfechtbar ist.
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Kommt bei einer Versteigerung der Vertrag durch den Zuschlag zustande?
Ja!
2. Hatte W Handlungswillen?
Genau, so ist das!
3. Hatte W den Willen und das Bewusstsein, durch das Heben seiner Hand eine rechtsverbindliche Erklärung abzugeben (Erklärungsbewusstsein)?
Nein, das trifft nicht zu!
4. Hat W nach der Willenstheorie eine Willenserklärung abgegeben?
Nein!
5. Hat W nach Rspr. und h.L. eine Willenserklärung abgegeben?
Genau, so ist das!
6. Ist mit dem Zuschlag (§ 156 S. 1 BGB) des A zwischen W und E ein Kaufvertrag (§ 433 BGB) über die Flasche Wein zum Preis von €9.000 zustande gekommen?
Ja, in der Tat!
7. Kann W nach h.M. seine Willenserklärung analog § 119 Abs. 1 Alt. 2 BGB anfechten?
Ja!
Fundstellen
Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!