Zivilrechtsklassiker: Trierer Weinversteigerung – Jurafuchs


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Jurafuchs Illustration zur Trierer Weinversteigerung: Bei einer Auktion winkt ein Teilnehmer seinem Freund, ohne zu wissen, dass das Handheben als Gebot wahrgenommen wird
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Klassisches Klausurproblem

W besucht eine Weinauktion in Trier. Auktionator A ruft: „Wer bietet 9.000 €?“ In diesem Moment entdeckt W seinen Freund F und winkt ihm. A erteilt W daraufhin den Zuschlag für die Flasche Château Margaux, die Eigentümerin E gehört.

Einordnung des Falls

Bei der „Trierer Weinversteigerung“ handelt es sich um einen fiktiven juristischen Lehrbuchfall, in dem das Problem des fehlenden Erklärungsbewusstseins bei Abgabe einer Willenserklärung behandelt wird. Der Fall geht auf Hermann Isay zurück, der den Fall in seinem Buch „Die Willenserklärung im Tatbestande des Rechtsgeschäfts“ in die Diskussion eingebracht hat: Der ortsunkundige W besucht eine Weinversteigerung in Trier und winkt seinem befreundeten F zu. Daraufhin erteilt der Auktionator W den Zuschlag für den aktuell aufgerufenen Posten Wein der E zum aufgerufenen Preis. Es stellt sich die Frage, ob zwischen W und E ein wirksamer Kaufvertrag über den Wein zustande gekommen ist. Nach der herrschenden Meinung genügt bereits das potenzielle Erklärungsbewusstsein, sodass die Willenserklärung wirksam, aber anfechtbar ist.

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Kommt bei einer Versteigerung der Vertrag durch den Zuschlag zustande?

Ja!

Eine Versteigerung ist ein besonderer Fall des Vertragsschlusses, der in § 156 S. 1 BGB geregelt ist. Das Gebot des Bieters ist ein Antrag, der Zuschlag des Auktionators im Namen des Einlieferers (§ 164 Abs. 1 S. 1 BGB) eine Annahme. Die Durchführung der Versteigerung ist bloße invitatio ad offerendum. Der Zahlungsanspruch der E gegen W aus Kaufvertrag (§ 433 Abs. 2 BGB) setzt voraus, dass E und W einen Kaufvertrag geschlossen haben. Dies erfordert zwei übereinstimmende Willenserklärungen. W müsste auf der Auktion einen Antrag (d.h. eine Willenserklärung) abgegeben haben.

2. Hatte W Handlungswillen?

Genau, so ist das!

Handlungswille meint den bewussten Willensakt, der auf die Vornahme eines äußeren Verhaltens gerichtet ist. Der Handlungswille ist Entstehungsvoraussetzung der Willenserklärung. Er fehlt, wenn jemand eine Erklärung im Schlaf, in Hypnose oder Narkose oder unter einer unmittelbar auf ihn einwirkenden körperlichen Gewalt (willensbrechende Gewalt, sog. „vis absoluta“) vornimmt. W hat bewusst seine Hand gehoben, um dem F zuzuwinken. Zu welchem Zweck dies erfolgte, ist hierbei unerheblich.

3. Hatte W den Willen und das Bewusstsein, durch das Heben seiner Hand eine rechtsverbindliche Erklärung abzugeben (Erklärungsbewusstsein)?

Nein, das trifft nicht zu!

Das Erklärungsbewusstsein ist der Wille, durch sein Handeln eine irgendwie rechtsgeschäftlich relevante Erklärung abzugeben.W wollte F winken (soziale Geste). Ihm war nicht bewusst, dass sein Verhalten am Versteigerungsort als rechtserhebliche Erklärung (Kaufangebot) aufgefasst wird. In Rspr. und Lehre ist umstritten, welche Folgen ein fehlendes Erklärungsbewusstsein für das Vorliegen einer Willenserklärung hat. Der Streit geht darum, inwieweit der wirkliche Wille des Erklärenden maßgeblich sein soll bzw. inwieweit der Rechtsverkehr geschützt werden muss.

4. Hat W nach der Willenstheorie eine Willenserklärung abgegeben?

Nein!

Nach der Willenstheorie soll der wirkliche Wille des Erklärenden entscheidend sein. Hat der Erklärende kein Erklärungsbewusstsein, soll die Willenserklärung nichtig sein. Als Begründung dient ein Erst-recht-Schluss aus der Regelung zur Scherzerklärung: Nach § 118 BGB ist sogar eine bewusst nicht gewollte Erklärung nichtig. Die gelte erst recht bei fehlendem Erklärungsbewusstsein. Die h.M. findet den Vergleich unpassend. Im Fall des § 118 BGB wolle der Erklärende bewusst keine Bindung und erwarte, dies werde vom Verkehr erkannt. Er wolle die Nichtigkeit gerade. Bei fehlendem Erklärungsbewusstsein könnte es hingegen sein, dass er die Erklärung gegen sich gelten lassen möchte.Nach der Willenstheorie hat W keine Willenserklärung abgegeben, da das Erklärungsbewusstsein fehlt.

5. Hat W nach Rspr. und h.L. eine Willenserklärung abgegeben?

Genau, so ist das!

Nach h.M. liegt trotz fehlenden Erklärungsbewusstseins eine zurechenbare Willenserklärung vor, wenn der Erklärende hätte erkennen können, dass seine Äußerung nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte als Willenserklärung aufgefasst werden durfte, und der Erklärungsempfänger sie auch tatsächlich so verstanden hat (sog. potenzielles Erklärungsbewusstsein). Hierfür spricht vor allem der Schutz des Rechtsverkehrs. Zudem bleibe es auf diese Weise dem Erklärenden überlassen, ob er das Erklärte anfechten oder gegen sich gelten lassen will.W hätte erkennen können, dass seine Handbewegung als Willenserklärung aufgefasst werden kann. A hat sie auch so verstanden. Damit liegt ein für den inneren Tatbestand der Willenserklärung nach h.M. ausreichendes potenzielles Erklärungsbewusstsein des W vor.

6. Ist mit dem Zuschlag (§ 156 S. 1 BGB) des A zwischen W und E ein Kaufvertrag (§ 433 BGB) über die Flasche Wein zum Preis von €9.000 zustande gekommen?

Ja, in der Tat!

Sowohl der innere als auch der äußere Tatbestand einer Willenserklärung des W, gerichtet auf den Antrag, einen Kaufvertrag über die Flasche Wein zu schließen, sind erfüllt. A hat den Antrag durch Zuschlag angenommen (§ 156 S. 1 BGB). Diese Annahmeerklärung wirkt unmittelbar für und gegen E (§ 164 Abs. 1 S. 1 BGB).

7. Kann W nach h.M. seine Willenserklärung analog § 119 Abs. 1 Alt. 2 BGB anfechten?

Ja!

§ 119 Abs. 1 BGB in direkter Anwendung scheidet aus, weil ein Irrtum i.S.d. Vorschrift ein Erklärungsbewusstsein voraussetzt. Mit der analogen Anwendung des § 119 Abs. 1 BGB modifiziert die h.M. die Erklärungstheorie zugunsten der Willenstheorie zu einer Kompromisslösung. Ficht W die Erklärung an (§§ 119 Abs. 1 Alt. 2 analog, 121, 142 BGB), beseitigt er den Vertrag, muss E aber den Vertrauensschaden (§ 122 Abs. 1 BGB) ersetzen. Nach a.A. ist seine Willenserklärung mangels Erklärungsbewusstseins nichtig. E als Empfänger steht u.U. ein Anspruch auf Vertrauensschadensersatz (§ 122 Abs. 1 BGB analog) oder aus „c.i.c.“ (§§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB) zu. Dieser berühmte Fall der Trierer Weinversteigerung entstammt nicht der Rechtsprechung, sondern ist ein Lehrbuchklassiker. Die Grundsätze zur Willenserklärung ohne Erklärungsbewusstsein hat der BGH aber in BGHZ 91, 324 anerkannt.

Prüfungsschema

Welche subjektiven und objektiven Elemente unterscheidet man beim Tatbestand einer Willenserklärung?

  1. Subjektiver (innerer) Tatbestand
    1. Subjektiver Handlungswille
    2. Erklärungsbewusstsein
    3. Subjektiver Geschäftswille
  2. Objektiver (äußerer) Tatbestand
    1. Objektiver Handlungswille
    2. Rechtsbindungswille
    3. Objektiver Geschäftswille

Wie prüfst Du die Anfechtung einer Willenserklärung (§§ 119ff. BGB)?

  1. Zulässigkeit der Anfechtung
  2. Anfechtungserklärung gegenüber dem richtigen Anfechtungsgegner (§ 143 BGB)
  3. Ablauf der Anfechtungsfrist (§§ 121, 124 BGB)
  4. Kein Ausschluss der Anfechtbarkeit
  5. Kausalität des Anfechtungsgrundes
  6. Rechtsfolge: Nichtigkeit ex tun
  7. Anfechtungsgrund (§§ 119, 120, 123 BGB)

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MAS

MasterK

29.9.2020, 09:03:14

Zum Argument gegen Vegleichs mit 118 BGB (erst-Recht-Schluss), es sei keine Vergleichbare Situation, da der Erklärende möglicherweise die Erklärung gegen sich gelten lassen möchte? Warum sollte das der Fall sein? Fehlendes Erklärungsbewusstsein zeichnet sich doch gerade dadurch aus, nicht rechtserheblich zu handeln, d. h. auch nichts gegen sich gelten zu lassen?

SVE

Sven

29.9.2020, 22:14:31

Es kann durchaus sein, dass derjenigen Person, die kein Erklärungsbewusstsein hat, der Vertragsschluss durchaus gelegen kommt und er nicht prinzipiell etwas gegen den Vertragsschluss hat - auch, wenn das ein her schwaches Argument ist. M.E. liegt das Problem eher darin begründet, dass § 118 BGB dogmatisch einen absoluten Fremdkörper innerhalb der Vorschriften in diesem Bereich darstellt, da nur auf den wirklichen Willen und nicht auf die Erkennbarkeit für den Geschäftsverkehr abgestellt wird. Diese Vorschrift sollte daher nicht über ihren unmittelbaren Anwendungsbereich hinweg ausgedehnt werden.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

28.4.2021, 17:42:18

Hallo Sven, hallo MasterK, in der Tat ist dieser Schluss nicht zwingend, weshalb die Frage lange Zeit sehr kontrovers diskutiert wurde (bzw. teilweise immer noch wird). Letztlich ist es aber das Argument mit dem der BGH sich erstmals eindeutig positioniert und gegen die Willenstheorie entschieden hat (BGH, NJW 1984, 2279 - I.1.b) ). Dabei ging er vordergründig von der Vorstellung aus, dass die Konstellationen mit fehlendem Erklärungsbewusstsein den Irrtumsfällen (fehlender Geschäftswillen) näher stehen, weswegen die Wahlmöglichkeit offen bleiben soll. Geht man von der Nichtigkeit aus, so würde diese Wahlmöglichkeit versperrt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Nico

Nico

17.3.2021, 23:37:07

Wäre die Haftung auf den Vertrauensschaden (wenn man der h.M.) dann nicht auch über § 122 BGB ANALOG, da die Anfechtung ja auch in analoger Weise stattfand oder dann doch wieder in direkter Anwendung?

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

17.3.2021, 23:49:34

Hallo NiC, willkommen bei Jurafuchs und danke für deine gute Frage. Soweit ich das gerade überblicke, wendet die hM (die

potentielles Erklärungsbewusstsein

für eine Willenserklärung ausreichen lässt und die Anfechtung analog § 119 Abs. 1 Alt. 2 BGB erlaubt) den § 122 BGB direkt an. Die mM (Willenstheorie) nimmt dagegen keine Willenserklärung an, aber lässt den ohne Erklärungsbewusstsein Handelnden dennoch analog § 122 BGB haften. Hoffe das hilft dir weiter! Für das Jurafuchs-Team Eigentum verpflichtet

OBAC

Oliver Bachmann

27.4.2021, 14:53:10

Auch wenn kein Erklärungsbewußtsein vorliegt kann man in jedem Fall von einer Erklärungsfahrlässigkeit sprechen, da der Erklärende bei Würdigung der Umstände hätte erkennen müssen, dass das Handheben in einer Auktion eine rechtserhebliche Handlung darstellt

Tigerwitsch

Tigerwitsch

28.4.2021, 01:20:27

Genau :) Diese „Erklärungsfahrlässigkeit“ meint im Wesentlichen das in der Aufgabe aufgeführte potentielle Erklärungsbewusstsein. Hierzu hat der BGH, U. v. 07.06.1984 - AZ.: IX ZR 66/83 anschaulich ausgeführt: „Trotz fehlenden Erklärungsbewußtseins (Rechtsbindungswillens, Geschäftswillens) liegt eine Willenserklärung vor, wenn der Erklärende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden können, daß seine Außerung nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte als Willenserklärung aufgefaßt werden durfte, und wenn der Empfänger sie auch tatsächlich so verstanden hat.“

DO

Dominik

25.8.2022, 00:53:36

Liegt pot. EB auch bei einem Erstbesuch vor? In „Die Fälle BGB 5. Auflage“ Fall Nr. 2, wird ebendieser Fall mit der Abwandlung, dass der Erklärende zum ersten Mal eine Versteigerung besucht und nicht mit den dortigen Gefplogenheiten vertraut ist, behandelt. Hier kommen die Verfasser zu dem Schluss, dass in diesem Fall dem Erklärenden kein

potentielles Erklärungsbewusstsein

zugesprochen werden kann, da er die Gepflogenheiten nicht kannte. Ich selbst kam in meinem Gutachten jedoch zu dem Schluss, dass trotzdem ein

potentielles Erklärungsbewusstsein

vorlag, da er sich vor dem Besuch einer Versteigerung über die dortigen Gepflogenheiten hätte informieren können und auch müssen. Wie seht ihr das nun?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

25.8.2022, 14:19:58

Hallo Dominik, spannende Frage. Grundsätzlich liegt eine zurechenbare Erklärung aufgrund potentiellen Erklärungsbewusstseins vor, wenn der Erklärende hätte erkennen können, dass sein Verhalten als rechtserhebliche Willenserklärung aufgefasst werden würde. Dies ist im Rahmen einer Auktion gerade bei so markanten Gesten wie dem Handheben anzunehmen. Insbesondere da das Konstrukt des potentiellen Erklärungsbewusstseins dem Schutz des Rechtsverkehrs dient, ist nicht darauf abzustellen was die Person tatsächlich erkannt hat sondern hätte erkennen können. Der ausreichende Schutz des Erklärenden wird über § 119 ff. BGB gewährleistet. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Pilea

Pilea

29.12.2022, 11:56:29

Warum muss § 119 I analog angewendet werden und nicht direkt? Und: in diesem und dem Fall davor verdecken die Buttons die Sprechblasen.

Sambajamba10

Sambajamba10

29.12.2022, 18:52:28

§ 119 I Alt. 2 erklärt ja einen Erklärungsirrtum, für den es wichtig ist, dass subjektiver Wille und objektiv Erklärtes auseinander fallen. Bei dem Fall der

Trierer Weinversteigerung

ist es aber gerade so, dass darum gestritten wird, ob das Erklärungsbewusstsein ein zwingender Bestandteil einer Willenserklärung ist. Die Theorie des potentiellen Erklärungsbewusstsein, die auch der BGH vertritt, verneint dies. Daher muss der W den Vertragsschluss gegen sich gelten lassen. Da man den W aber nicht hilflos ausliefern möchte, kann er seine Erklärung wegen eines Erklärungsirrtums § 119 I Alt. 2 analog anfechten. Also nochmal easy erklärt: Der Gesetzgeber ging davon aus, dass man seine Erklärung nur bei bewusster Erklärung wegen eines Irrtums anfechten kann. Der W hat aber nichts bewusst erklärt. Daher kann er "nur" analog anfechten. Ich hoffe, man versteht meinen Gedankengang.

Pilea

Pilea

2.1.2023, 22:00:15

Ich danke dir für die ausführliche Antwort. Ich kann den Gedankengang verstehen, aber es trifft nicht genau meinen Knoten im Kopf. Welches Tatbestandsmerkmal des §119 wird analog angewendet? Ist ein versehentliches "die Hand heben" nicht genauso zu behandeln wie ein "vergreifen"? Wenn die hM sagt, dass bei potentiellen Erklärungsbewusstsein eine Willenserklärung vorliegt, warum ist der §119 nicht direkt anwendbar? Er spricht doch genau von einer Willenserklärung. (ich weiß, dass es analog angewendet wird, ich verstehe nur nicht, warum 😅)

Sambajamba10

Sambajamba10

3.1.2023, 07:48:42

Zuerst einmal zeigen die verschiedenen Standpunkte (Willenstheorie, Erklärungstheorie, Theorie des potentiellen Erklärungsbewusstsein), dass die Frage an sich, ob eine wirksame WE vorliegt, gar nicht so einfach bejaht werden kann. Und hierin liegt auch schon der Unterschied. Der Gesetzgeber hat in § 119 I eben Willensmängel bei bewussten WE normiert. Der Fall des fehlenden Erklärungsbewusstsein lässt sich nicht am Wortlaut festmachen, wurde folglich nicht geregelt. Somit liegt eine planwidrige Regelungslücke vor. Die hM geht hierbei von einer WE aus, das ist richtig, aber diese ist ja eben nicht bewusst, sondern "potentiell bewusst" abgegeben worden. Die einen wollten also rechtsgeschäftlich tätig werden, die anderen waren sich nicht einmal bewusst, das sie gerade tätig werden (wollten es also eher nicht). Daher ist eine direkte Anwendung von § 119 I hier nicht gegeben. Dem Erklärungsempfänger ist es aber gleichgültig, ob der Erklärende gar keine WE abgeben wollte oder nur einem Willensmangel unterlag, wenn er bereits auf die Gültigkeit der WE vertraut hat. Demnach liegt eine vergleichbare Interessenlage vor. Der Wortlaut ist also zu klein gefasst und wird per Analogie erweitert. Und bezüglich des TBM: Es ist eigentlich egal, weil er einerseits wusste, was er macht, aber nicht, was er damit macht. Andererseits wollte er eine Erklärung dieses Inhalts gar nicht abgeben. Also kann man den ganzen § 119 I analog verwenden.

Pilea

Pilea

22.2.2023, 14:35:27

Vielen Dank, jetzt hab ich es endlich verstanden! Ich sehe, dass das auch in die letzte Slide aufgenommen wurde ☺️👍

Allegra.B

Allegra.B

16.3.2023, 10:53:28

Bitte in jedem Thema die Rubrik: Probleme einführen. Das ist super!

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

16.3.2023, 11:15:54

Vielen Dank, Allegra! Das ist auf jeden Fall der Plan. Wir testen das Modul derzeit noch, werden es dann aber Stück für Stück auf alle Gebiete ausrollen :-) Beste Grüße, Lukas

SI

silasowicz

3.8.2023, 17:39:04

Verstehe ich es richtig, dass die Willenstheorie dann zu dem Ergebnis der a.A. kommt?

EB

Elias Von der Brelie

5.8.2023, 12:14:17

Die Willenstheorie geht so wie ich das verstanden habe nach dem tatsächlichen Willen. Sprich hier würde das bedeuten, dass es gar nicht erst zu einem Vertrag kommen würde.

LELEE

Leo Lee

10.8.2023, 17:56:52

Hallo silasowicz, die Willenstheorie ist im Grunde die a.A., also dass ein Erklärungsbewusstsein notwendig ist, damit eine WE abgegeben wird. Mithin würde es hier daran fehlen - wie Elias zu Recht anmerkt - und kein Vertrag zustande kommen :). Liebe Grüße - für das Jurafuchsteam - Leo

LAW

Law_yal_life

18.9.2023, 13:53:09

Also eine Ansicht sagt KEINE WE_ Vergleich zu § 118 BGB KRITIK_aber da wolle er bewusst keine WE abgeben hier aber anders ggf. könnte er eine WE gegen sich gelten lassen? Andere Ansicht_ Verkehr erforderlich Sorgfalt missachtet, hätte erkennen können? und daher (-)? Hab ich das richtig erfasst?

LELEE

Leo Lee

15.10.2023, 14:30:23

Hallo Prädikatkandidat, genauso ist es! Die eine Ansicht zieht 118 analog bzw. erst recht ran. Die Kritik äußert bedenken, dass hier die Fälle nicht vergleichbar seien :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

LAW

Law_yal_life

18.9.2023, 13:55:26

Warum wenden wir § 119 BGB analog an? Also weil er nicht komplett schutzlos stehen soll? Ist das der einzige Fall im BGB? wEIL EIGEntlich gilt doch ganz streng PACTA SUNT SERVANDA?

Francesca

Francesca

23.9.2023, 15:10:04

§ 119 I 2. Alt BGB: „Wer […] eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, kann die Erklärung anfechten […]“

LELEE

Leo Lee

15.10.2023, 14:25:46

Hallo Prädikatkandidat, § 119 wird hier analog angewandt aus dem folgenden Grund: Unmittelbar betrifft die Norm nur den Fall, wo jemand nicht mal eine rechtserhebliche Erklärung abgeben wollte (Verschreiben, Versprechen, Verklicken…). Hier darf er diese „Versehentlichkeit“ anfechten und den Vertrag zu Fall bringen. In diesem Fall ist es so, dass der Erklärende ebenfalls keine rechtserhebliche Erklärung abgibt und dies auch nicht wollte, allerdings hätte er ERKENNEN KÖNNEN anhand der Umstände (er befindet sich eben in einer Auktion, wo Hände heben ein Angebot darstellt), dass er sehr wohl was Rechtserhebliches erklärt. Deshalb wird 119 analog angewandt :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

LAW

Law_yal_life

18.9.2023, 13:55:54

Kann mir jemand nochmal die beiden Ansichten kurz und knapp erklären?

WASAB

wasabi

3.1.2024, 14:03:07

bitte diese Person vom mehrmaligen Posten unter jeder einzelnen Frage abhalten - das ist ja schrecklich

LAW

Law_yal_life

18.9.2023, 13:56:18

Was ist mit § 118 I erst Recht Schluss gemeint?

LELEE

Leo Lee

15.10.2023, 14:25:05

Hallo Prädikatkandidat, mit dem erst Recht Schluss ist folgendes gemeint: 118 besagt, dass eine „Scherzerklärung“, die bewusst abgegeben wird von dem „Scherzkeks“, unwirksam ist. Das bedeutet – nach der Ansicht – jedoch, dass wenn er nicht mal bewusst scherzhaft, sondern ÜBERHAUPT keine Willenserklärung abgeben wollte, 118 (analog) erst recht gelten muss. Denn ein bewusster Scherz ist „mehr“ als ein nicht vorhandener Erklärungswille. Mithin müsse 118 (analog) erst recht für diesen Fall gelten :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

LAW

Law_yal_life

18.9.2023, 13:56:59

Wie genau leite ich dieses Problem im Gutachten sein? Formulierungstipps`?

LELEE

Leo Lee

15.10.2023, 14:18:19

Hallo Prädikatkandidat, im Gutachten würdest du diese Problem wie folgt thematisieren: A. Anspruch entstanden I. EInigung 1. Angebot  hier würdest du dich fragen, ob eine WE (Angebot) vorliegt. Sodann würdest du darauf eingehen, ob überhaupt Erklärungsbewusstsein vorlag. Hier würdest du dann das Problem erörtern :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

LAW

Law_yal_life

18.9.2023, 14:00:40

eine Ansicht sagt also_ WE schon gar nicht wirksam wegen § 118 BGB analog? Weil X die WE nie abgeben wollte, daher fehlt es an der willentlichkeit der WE und das diese Rechtswirksam werden soll? Daher ggf. CIC AS oder 122 BGB steht dem Vertrauenden zu Andere Ansicht sagt also, dass WE entsteht wegen Vertrauensschutz Dritter, aber X steht ein AF Recht zu. Aber da meine Frage-- wo nach den anfechten? Inhaltsirrtum? Erklärungsisrrtum? Wahrscheinlich letztes oder? Aber im Endeffekt hier auch Vertrauensschaden zu ersetzen? HAB ICH DAS ALLES RICHTIOG VERTANDEN?

LELEE

Leo Lee

15.10.2023, 14:18:00

Hallo Prädikatkandidat, genauso ist es! Zu deiner Frage: Die Anfechtung erfolgt nach § 119 I Alt. 2 BGB analog, also nach einer analogen Anwendung des Erklärungsirrtums. Rechtsfolge hiervon wäre der Ersatz des Schadens nach § 122 BGB analog, wiederum mit Begrenzung durch den positiven Schaden :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

DUA

Dua

2.7.2024, 13:49:31

Ist es wirklich richtig, dass bei fehlendem Erklärungsbewusstsein eine Willenserklärung vorliegen kann? Anknüpfungspunkt ist ja der objektive Rechtsbindungswille, also gerade nicht das subjektive Merkmal. Das spricht doch eher dafür, dass aus Verkehrsschutzgründen eine Willenserklärung fingiert wird und gerade nicht besteht


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