Unverbindliche Information über Verkauf (Erklärungsbewusstsein)


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Klassisches Klausurproblem

Autosammler O schickt dem A einen Brief. Der Brief enthält ein Dokument für A zum Unterschreiben. A glaubt, das Dokument beinhalte eine unverbindliche Absichtserklärung, dass A seinen eigenen Oldtimer nun verkaufen wolle. Er unterschreibt. Tatsächlich handelt es sich um einen Antrag zum Verkauf des Oldtimers für €50.000.

Einordnung des Falls

Unverbindliche Information über Verkauf (Erklärungsbewusstsein)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. A hatte beim Unterschreiben den Willen und das Bewusstsein, zu handeln (Handlungswille).

Ja!

Handlungswille meint den bewussten Willensakt, der auf die Vornahme eines äußeren Verhaltens gerichtet ist. Er fehlt, wenn jemand eine Erklärung im Schlaf, in Hypnose oder Narkose oder unter einer unmittelbar auf ihn einwirkenden körperlichen Gewalt (willensbrechende Gewalt, sog. „vis absoluta“) vornimmt.A hat willentlich und bewusst seine Unterschrift unter den Brief gesetzt.

2. A hatte beim Unterschreiben den Willen und das Bewusstsein, irgendein Rechtsgeschäft vorzunehmen (Erklärungsbewusstsein).

Nein, das ist nicht der Fall!

Das Erklärungsbewusstsein ist der Wille, überhaupt am rechtsgeschäftlichen Verkehr teilzunehmen und durch sein Handeln eine irgendwie rechtsgeschäftlich relevante Erklärung abzugeben.A hat in dem Willen und Bewusstsein unterschrieben, der Brief beinhalte eine unverbindliche Absichtserklärung, dass er sein Auto verkaufen wolle. Ihm war nicht bewusst, eine rechtserhebliche Erklärung anzufertigen. Damit hatte er kein aktuelles Erklärungsbewusstsein.

3. A hatte potenzielles Erklärungsbewusstsein.

Ja, in der Tat!

Rspr. und h.L. nehmen trotz fehlenden Erklärungsbewusstseins eine Willenserklärung an, wenn der Erklärende hätte erkennen können, dass seine Äußerung nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte als Willenserklärung aufgefasst werden durfte, und der Empfänger sie auch tatsächlich so verstanden hat.Vorausgesetzt, der Empfänger wird den ihm zugegangenen Brief als Antrag verstehen, liegt hier somit eine auf Kaufvertragsabschluss gerichtete Willenserklärung des A vor. Dies hätte A vermeiden können, wenn er sich vergewissert hätte, welchen Brief er unterschreibt.A könnte die Willenserklärung aber nach h.M. analog § 119 Abs. 1 Alt. 2 BGB anfechten.

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SAL

Salwa

21.11.2019, 18:42:43

Der Fall ist eindeutig. O hat den Antrag geschrieben und diesen dem A zum Unterschreiben als Anlage an den Brief beigefügt. Somit unterschreibt A das Angebot des O, d.h. er hat seine Annahme erklärt. KV ist zustandegekommen :)

Vulpes

Vulpes

10.3.2021, 14:44:52

Hallo Salwa, der Vertrag ist zwar zustande gekommen, aber aufgrund des nur - potentiellen - Erklärungsbewusstsein anfechtbar. Wenn A seine Willenserklärung gem. § 119 Abs. 1 Var. 1 BGB (Inhaltsirrtum) anficht ist der Kaufvertrag gem. § 142 Abs. 1 BGB von Anfang an nichtig. So eindeutig ist das hier also garnicht finde ich. 🙂

Knowledge with Jan

Knowledge with Jan

2.12.2021, 00:07:07

Gemäß § 119 I 1 Var.1 BGB analog, da

potentielles Erklärungsbewusstsein

des A

I

I

15.1.2023, 13:22:45

Ich hätte mir an dieser Stelle mehr Informationen zur unverbindlichen Absichtserklärung gewünscht. Danke :)

LAW

Law_yal_life

22.9.2023, 21:03:06

Also wir nehmen § 119 I Alt. 2 BGB analog, weil es hier auch um den Irrtum einer Erklärung geht? Aber hier nicht der Grundfall aus folgendem Grund passt?: Beim Erklärungsirrum geht es darum, dass jemand etwas rechtlich bewusst abgibt, aber nicht das konkrete Geschäft wollte. Er irrt sich über das Zeichen selbst? --- Und hier (beim Trier Weinversteiergungsfall) will er gar nicht rechtlich erhebliches abgeben? Wird aber aufgrund vom Potentiel. EB gebunden und kann sich dann wegen "ich wusste nicht das ich rechtlich erheblich ein Geschäft schließe" anfechten? Bin etwas verwirrt. Bitte um Aufklärung!

LELEE

Leo Lee

23.9.2023, 16:42:25

Hallo Prädikatkandidat, du hast das verstanden! Beim normalen Erklärungsirrtum geht es darum, dass es die Erklärung überhaupt nicht abgeben wollte (er verschreibt/verklickt/verspricht sich). Beim vorliegenden Fall geht es darum, dass er immer noch nichts rechtserhebliches abgeben wollte, allerdings hätte erkennen können, dass er dies gerade tut, wenn er sorgfältiger gewesen wäre. D.h. er wird durch dieses pot. Erklärungsbewusstsein erstmal "bestraft", indem seine WE trotzdem wirksam ist und er sodann vertraglich zunächst gebunden wird. Er kann sich dann insofern "freikaufen", als er dann 119 I Alt. 2 analog anficht und dabei § 122 analog oder eben über CIC der anderen Partei ggf. Schäden ersetzt. Du liegt also völlig richtig mit deiner Einschätzung. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre von MüKo-BGB 9. Auflage, Armbruster Vor § 116 Rn. 27 sehr empfehlen :). Liebe Grüße - für das Jurafuchsteam - Leo


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