Öffentliches Recht

VwGO

Fortsetzungsfeststellungsklage

Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses (Grundfall)

Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses (Grundfall)

21. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

Amt B verweigert R grundlos eine Gaststättenerlaubnis. R erhebt Verpflichtungsklage auf deren Erlass. Bevor das Gericht entscheidet, erteilt B die Erlaubnis. R will durch Bs Verhalten verursachte Einnahmeausfälle von B ersetzt bekommen, und plant, B auf Schadensersatz zu verklagen.

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Einordnung des Falls

Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses (Grundfall)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. R wendet sich gegen einen erledigten Verwaltungsakt.

Nein, das trifft nicht zu!

Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist statthaft, wenn sich der Kläger mit der Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt richtet, der sich nach Klageerhebung erledigt hat (§ 113 Abs. 1 S. 4 VwGO). Neben der direkten Anwendung von § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO gibt es nach h.M. weitere Anwendungsfälle. Die Fortsetzungsfestellungsklage ist auch statthaft, wenn der Kläger den Erlass eines Verwaltungsakts begehrt hat und die Verpflichtungsklage sich erledigt hat (§ 113 Abs. 1 S. 4 VwGO analog). B wendet sich gegen das Unterlassen der Behörde, die Gaststättenerlaubnis (= Verwaltungsakt) zu erlassen. Weil B die Erlaubnis inzwischen erlassen hat, ist die Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft.
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2. R ist klagebefugt. Darüber hinaus muss sie ein berechtigtes Interesse geltend machen können festzustellen, dass Bs Untätigkeit rechtswidrig war.

Ja!

Die Klagebefugnis setzt voraus, dass der Kläger durch den Verwaltungsakt oder die Untätigkeit der Behörde möglicherweise in seinen subjektiven Rechten verletzt wurde. Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist nur zulässig, wenn zusätzlich zur Klagebefugnis ein berechtigtes Interesse des Klägers an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts besteht (= Fortsetzungsfeststellungsinteresse), § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO a.E. Dadurch, dass B der R die Erlaubnis für die Gaststätte versagt hat, könnte R in ihren Rechten aus Art. 12 GG und dem GastG verletzt sein. Dies ist nicht von vornherein ausgeschlossen. R ist klagebefugt nach § 42 Abs. 2 VwGO analog.

3. R hat ein berechtigtes Interesse i.S.d. § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO a.E., weil Wiederholungsgefahr besteht.

Nein, das ist nicht der Fall!

Ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Untätigkeit der Behörde besteht dann, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Verwaltung in Zukunft ähnlich handeln bzw. nicht handeln wird. Die Behörde hat die eingeforderte Erlaubnis noch während des Prozesses erteilt. Es ist nicht ersichtlich, dass sie der R zukünftig erneut eine Erlaubnis versagen wird. Wenn keinerlei Aussagen zu zukünftig geplanten oder zu erwartenden Handlungen im Sachverhalt stehen, ist eine Wiederholungsgefahr i.d.R. fernliegend. Dichte nichts zu den Informationen im Sachverhalt hinzu!

4. R hat ein berechtigtes Interesse i.S.d. § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO, wenn er die gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit hoheitlichen Handelns einem späteren Amtshaftungsprozess zugrunde legen möchte.

Ja, in der Tat!

War ein behördliches Handeln rechtswidrig und wurde dadurch ein Vermögensschaden verursacht, kann der Geschädigte versuchen, den Vermögensschaden im Rahmen eines Amtshaftungsprozesses gegen den verantwortlichen Hoheitsträger geltend zu machen (sog. "Präjudizinteresse"). Ein Amtshaftungsanspruch (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 S. 1 GG) setzt u.a. eine Amtspflichtverletzung voraus, die in rechtswidrigem Verwaltungshandelns liegen kann. Da Amtshaftungsprozesse vor den Zivilgerichten geführt werden (Art. 34 S. 3 GG), lässt sich das Schadensersatzbegehren nicht vor dem Verwaltungsgericht fortführen. Aber die verwaltungsgerichtliche Feststellung, dass ein Verwaltungshandeln rechtswidrig war, kann für den Amtshaftungsprozess dienlich sein.

5. Ein berechtigtes Interesse zur Vorbereitung einer Entschädigungsklage kommt nur in Betracht, wenn sich das Verpflichtungsbegehren nach Erhebung der Klage erledigt hat.

Ja!

Bei der Fallgruppe des sog. "Präjudizinteresses"muss folgendes beachtet werden: Das Feststellungsinteresse ist nur gegeben, wenn sich der Verwaltungsakt oder die Untätigkeit der Behörde nach Erhebung der Klage erledigt hat. Der Kläger soll die „Früchte“ des Verwaltungsprozess für die Klage vor dem Zivilgericht nutzen können. Tritt Erledigung bereits ein, bevor der Kläger vor dem Verwaltungsgericht Klage erhoben hat, besteht hingegen kein anerkennenswertes Interesse des Klägers, zwei Prozesse zu führen – also den vorbereitenden Verwaltungsprozess und den nachfolgenden Zivilprozess. Vielmehr kann der Kläger sofort vor dem Zivilgericht klagen. Das Verwaltungshandeln wird dann (inzident) in diesem Prozess geprüft.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

TAME

Tamer

24.11.2021, 21:28:53

Setzt die Bejahung des Präjudizinteresses nicht auch immer voraus, dass der spätere Zivilprozess hinreichend wahrscheinlich und nicht evident aussichtslos ist? (Ist natürlich für den vorliegenden Sachverhalt unproblematisch) LG, Tamer

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

25.11.2021, 10:45:36

Hallo Tamer, in der Tat geht das BVerwG in ständiger Rechtsprechung aus, dass bei offensichtlicher Aussichtslosigkeit kein Präjudizinteresse vorliegt vgl. BVerwG NJW 1986, 1

826

). Dabei liegt offensichtliche Aussichtslosigkeit aber nur vor, wenn "ohne eine ins einzelne gehende Prüfung erkennbar ist, dass der behauptete Schadens- oder Entschädigungsanspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt bestehen kann". Es bedarf insoweit noch nicht einmal einer summarischen Prüfung, sondern die Aussichtslosigkeit muss einen förmlich anspringen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

AG

Alexandra G

2.7.2022, 21:57:08

Frage: R wendet sich gegen einen erledigten VA. Und die Antwort: "Stimmt nicht" ist korrekt. Da hat sich mE ein Fehler eingeschlichen.

PH

Philippe

2.7.2022, 23:21:46

Er wendet sich nicht gegen ein VA, sondern will ein VA, der erst nach Klageerhebung erteilt wird. Hier liegt eine Verpflichtungs- und keine Anfechtungssituation vor.


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