Öffentliches Recht

VwGO

Fortsetzungsfeststellungsklage

(Tiefgreifender) Grundrechtseingriff? (Grundfall)

(Tiefgreifender) Grundrechtseingriff? (Grundfall)

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
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Klassisches Klausurproblem

Neonazi N wird verdächtigt, einen Anschlag auf eine Synagoge zu planen. Die Polizei durchsucht deswegen Ns Schlafzimmer. N tobt vor Wut und möchte feststellen lassen, dass die Durchsuchung ein massiver Grundrechtseingriff war.

Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

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Einordnung des Falls

(Tiefgreifender) Grundrechtseingriff? (Grundfall)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Durchsuchung hat sich noch nicht erledigt. Statthaft ist die Anfechtungsklage.

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Maßnahme einer polizeilichen Durchsuchung ist ein Verwaltungsakt, der sofort vollzogen wird. Der Verwaltungsakt hat sich damit erledigt, wenn die Polizei die Durchsuchung beendet hat. Statthaft ist dann nicht mehr die Anfechtungsklage, sondern die Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 S. 4 VwGO analog). Die Durchsuchung von Ns Wohnung hat sich erledigt. Statthaft ist die Fortsetzungsfeststellungsklage, gerichtet auf die Feststellung, dass die Durchsuchung rechtswidrig war.
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2. N müsste ein berechtigtes Interesse an der nachträglichen Feststellung haben. Teilweise wird dieses bereits dann bejaht, wenn ein Grundrechtseingriff vorliegt.

Ja, in der Tat!

Zum Teil wird das berechtigte Interesse an der nachträglichen Feststellung (§ 113 Abs. 1 S. 4 VwGO a.E.) bereits dann angenommen, wenn ein Verwaltungsakt ein Grundrecht verletzt. Dem ist entgegenzuhalten, dass durch einen Verwaltungsakt fast immer ein Grundrecht berührt ist, sei es auch "nur" Art. 2 Abs. 1 GG. Demnach würde das eingrenzende Kriterium des berechtigten Interesses praktisch leer laufen. Aus diesem Grund reicht eine Grundrechtsverletzung allein nicht aus, um ein berechtigtes Interesse im Sinne der Fortsetzungsfeststellungsklage zu bejahen.

3. Ein berechtigtes Interesse liegt unumstritten dann vor, wenn es sich um einen tiefgreifenden Grundrechtseingriff handelt.

Nein!

Ob ein besonders schwerwiegender, tiefgreifender Grundrechtseingriff ein berechtigtes Interesse im Sinne von § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO begründet, ohne dass weitere Voraussetzungen hinzukommen müssen, ist umstritten. Eine Ansicht in der Literatur nimmt dies an. Das BVerwG lehnt diese Ansicht ausdrücklich ab. Auch nach der st. Rspr. des BVerfG ist nur dann ein Feststellungsinteresse anzunehmen, wenn es sich die Maßnahme, die den Eingriff in das Grundrecht begründet hat, typischerweise schnell erledigt. Ein schwerwiegender Grundrechtseingriff als solcher reicht danach nicht aus.

4. Für die Auffassung des BVerwG spricht, dass es kein Bedürfnis für die eigenständige Fallgruppe "schwerwiegender Grundrechtseingriff" gibt.

Genau, so ist das!

Das BVerwG lehnt die Auffassung, nach der bereits ein schwerwiegender Eingriff in Grundrechte ein berechtigtes Interesse im Sinne von § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO begründen soll, ausdrücklich ab. Dafür spricht, dass es für diese Fallgruppe neben den anderen, allgemein anerkannten Fallgruppen, kein Bedürfnis gibt. Sind nicht zugleich die Voraussetzungen einer anderen Fallgruppe erfüllt, ist nicht ersichtlich, weshalb der vom erledigten schwerwiegenden Grundrechtseingriff nicht mehr nachteilig Betroffene ein anzuerkennendes Fortsetzungsfeststellungsinteresse besitzen soll.

5. Im Fall des N mangelt es an dem erforderlichen berechtigten Interesse an der nachträglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit der Wohnungsdurchsuchung.

Nein, das trifft nicht zu!

Ein berechtigtes Interesse im Sinne von § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO liegt grundsätzlich vor allem vor, wenn eine der Standard-Fallgruppen einschlägig sind. Dazu gehören vor allem die Wiederholungsgefahr, das Präjudizinteresse sowie das Rehabilitationsinteresse und die Fälle der kurzfristigen Erledigung. Bei der Durchsuchung handelt es sich um einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff (Art. 13 Abs. 1 GG). Die Durchsuchung ist aber auch ein Maßnahme, die sich kurzfristig erledigt. Auf den Streit, ob ein schwerwiegender Eingriff allein ausreicht, kommt es deswegen nicht an. N hat ein berechtigtes Interesse an der Feststellung.
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