Öffentliches Recht

VwGO

Fortsetzungsfeststellungsklage

Verfahrensfehlerhafte, aber nicht aufhebbare Verwaltungsakte

Verfahrensfehlerhafte, aber nicht aufhebbare Verwaltungsakte

21. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
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Klassisches Klausurproblem

Die zuständige Behörde B erlässt gegen A einen materiell rechtmäßigen Baustopp. Dem Bescheid fehlt die Begründung. B hat sich ausführlich mit den Gründen des Baustopps auseinandergesetzt, die Begründung nur versehentlich nicht beigefügt. A möchte feststellen lassen, dass der Baustopp rechtswidrig ist.

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Einordnung des Falls

Verfahrensfehlerhafte, aber nicht aufhebbare Verwaltungsakte

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. B hat den Baustopp ohne Begründung erlassen. Statthaft ist die Anfechtungsklage gerichtet auf die Aufhebung des Baustopps.

Nein, das trifft nicht zu!

Ist ein formell fehlerhaft ergangener Verwaltungsakt nicht nach § 44 VwVfG nichtig, hat der Betroffene keinen Anspruch auf Aufhebung des Verwaltungsakts, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung der Verfahrens- oder Formvorschriften die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst haben (§ 46 VwVfG). Allein der Umstand, dass ein Verwaltungsakt formell rechtswidrig ist, reicht also noch nicht aus, um dessen Aufhebung zu erreichen. Hier hat sich B mit dem Sachverhalt auseinandergesetzt und eine begründete Entscheidung getroffen. B hat lediglich versäumt, die Begründung dem Bescheid beizufügen. Dies hat die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst. Die Aufhebung des Baustopps wegen der fehlenden Begründung scheidet aus.
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2. Eine gerichtliche Aufhebung des Baustopps scheidet aus. In Betracht kommt nur ein Antrag nach § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO analog auf Feststellung der (formellen) Rechtswidrigkeit des Baustopps.

Ja!

Hat der Adressat eines belastenden Verwaltungsakts ausnahmsweise keinen Anspruch auf dessen Aufhebung, kann das Gericht zumindest die Rechtswidrigkeit des bestehen bleibenden Verwaltungsakts feststellen. Das Interesse eines Klägers an der Feststellung einer Rechtsverletzung kann nämlich auch bzw. gerade dann bestehen, wenn das Gericht den Verwaltungsakt aus materiellrechtlichen oder prozessualen Gründen nicht aufheben kann. Die Rechtsschutzgarantie aus Art. 19 Abs. 4 GG gebietet in diesen Fällen die analoge Anwendung von § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO. Statthaft ist ein Antrag des A auf Feststellung der (formellen) Rechtswidrigkeit des Baustopps (§ 113 Abs. 1 S. 4 VwGO analog).

3. A ist klagebefugt. Darüber hinaus muss sie ein berechtigtes Interesse geltend machen können festzustellen, dass der Bescheid formell rechtswidrig ergangen ist.

Genau, so ist das!

Die Klagebefugnis setzt voraus, dass der Kläger durch den Verwaltungsakt oder die Untätigkeit der Behörde möglicherweise in seinen subjektiven Rechten verletzt wurde. Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist nur zulässig, wenn zusätzlich zur Klagebefugnis ein berechtigtes Interesse des Klägers an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts besteht (= Fortsetzungsfeststellungsinteresse), § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO a.E. Der Baustopp (= belastender Verwaltungsakt) könnte A in ihren Rechten aus Art. 14 Abs. 1 GG verletzen. Darüberhinaus muss sie ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der (formellen) Rechtswidrigkeit des Baustopps geltend machen.

4. Das berechtigte Interesse an der Feststellung des Formfehlers besteht darin, dass Form- und Verfahrensfehler ansonsten nicht gerügt werden könnten.

Ja, in der Tat!

Nicht aufhebbar trotz subjektiver Rechtsverletzung sind oftmals verfahrensfehlerhafte Verwaltungsakte. Hier muss die Möglichkeit bestehen, ihre Rechtswidrigkeit feststellen zu lassen. Ansonsten führten Vorschriften wie § 46 VwVfG dazu, dass Verfahrensrechtsverletzungen, die regelmäßig mit einer Grundrechtsverletzung einhergehen, nicht gerügt werden könnten. Gerade unter dem Aspekt des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs 4 GG) und der betroffenen materiellen Grundrechte muss die Fortsetzungsfeststellungsklage in diesen Fällen möglich sein. As berechtigte Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Baustopps besteht wegen der ansonsten fehlenden Möglichkeiten, die rechtsverletzenden Verfahrensfehler zu rügen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

OFAC

omnimodo facturus

8.9.2022, 08:40:03

Etwas kaufen kann er sich von dieser Feststellung aber nicht, oder?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

8.9.2022, 10:06:33

Hallo omnimodo facturus, da in der vorliegenden Konstellation die Aufhebung ausscheidet (nur deswegen ist ja die

Feststellungsklage

möglich) hat er tatsächlich "nichts" davon. Dennoch dient das Verfahren natürlich der rechtsstaatlichen Kontrolle von Verwaltungshandeln. Könnte er es nicht überprüfen lassen, bliebe ihm kein Rechtsschutz gegen einen rechtswidrigen, wenn auch nicht aufhebbaren VA. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

frausummer

frausummer

8.12.2022, 15:24:17

Könntet ihr vielleicht noch kurz erklären, was wir aus der Voraussetzung der Erledigung machen? Der Formfehler macht den VA zwar nicht anfechtbar, aber dadurch ist er doch noch nicht erledigt, oder?

Der BGBoss

Der BGBoss

14.1.2023, 11:34:11

Die zweite Frage passt m.E. Nicht zur Antwort. In der Frage geht es um die Statthaftigkeir der Anfechtungsklage. Die Begründung verneint diese mit mangelnder

begründetheit

der Anfechtungsklage. Das ist falsch.

Der BGBoss

Der BGBoss

14.1.2023, 11:34:35

Die Klageart ist sehr wohl zutreffend, sie hat nur keinen Erfolg

MaxCarl

MaxCarl

15.2.2023, 21:31:51

Verstehe nicht, wieso die Anfechtungsklage nicht statthaft ist. A will ja offensichtlich gegen den Baustopp vorgehen. Warum hat sich der VA erledigt frag ich mich?

SE.

se.si.sc

16.2.2023, 14:00:46

Auch ich kann nicht nachvollziehen, warum die Anfechtungsklage hier nicht statthaft sein soll. A will offensichtlich gegen den Baustop und damit gegen einen VA vorgehen - und das reicht i.R.d. 42 I, 2. Var. VwGO völlig aus. Dass A lediglich einen formellen Mangel rügen kann, der wegen 46 VwVfG evtl. i.E. schon gar nicht zu einer Aufhebung nach § 113 I 1 VwGO führen kann, scheint nach h.M. überhaupt keine Frage der Zulässigkeit, sondern vielmehr der

Begründetheit

(Kopp/Schenke, § 42 Rn. 179) zu sein. Eine a.A. dürfte wie so oft vertretbar sein, wobei sich dann anstelle der

Statthaftigkeit

wohl noch eher die

Klagebefugnis

nach § 42 II VwGO oder das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis anbieten würden. Gegen eine Ablehnung der

Klagebefugnis

spricht allerdings, dass es hier allein um die Möglichkeit einer Rechtsgutsverletzung geht - und ob das tatsächlich der Fall ist, prüfen wir eben erst bei der (hier: formellen)

Rechtmäßigkeit

i.R.d.

Begründetheit

.

NI

Nilson2503

19.9.2023, 14:24:56

Mir erscheint die Vorgehensweise hier auch äußerst fraglich. Hier werden Fragen der

Begründetheit

auf nicht mehr nachvollziehbare Weise bereits in die

Statthaftigkeit

also iRd Zulässigkeit Vorverlagert. Vielleicht kann das Jura-Fuchs Team hier Abhilfe schaffen?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

27.5.2024, 18:44:02

Hallo in die Runde, es kommt im vorliegenden Fall nicht auf die Erledigung des VAs an, weshalb die Fortsetzungs

feststellungsklage

statthaft ist. Vorliegend war der VA materiell rechtmäßig und die

Behörde

hatte auch eine rechtmäßige Begründung. Sie haben bloß vergessen, den VA mit dieser schriftlich zu versehen. Hier kommt dann § 46 VwVfG ins Spiel, nach dem eine "Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden kann, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die FORM (...) zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat." Genau das ist vorliegend einschlägig, womit die Anfechtungsklage, die auf die Aufhebung eines VAs gerichtet ist, nicht in Betracht mehr kommt. Jedoch muss der A eine Möglichkeit gegeben werden, auch einen Formfehler einklagen zu können, wegen der Rechtsschutzgarantie aus Art. 19 Abs. 4 GG. Deswegen kommt man zu einer analogen Anwendung des § 113 I S.4 VwGO. Beste Grüße, Nora - Für das Jurafuchs-Team

BAY

bayilm

11.8.2024, 20:56:40

@[

Nora Mommsen

](178057) Theoretisch würde man die formelle

Rechtmäßigkeit

des VA doch erst in der Begrundetheit prüfen. Dort würde man doch dann erst einbringen, dass diese formelle Fehler nicht ausreicht damit der VA rechtswidrig ist und ergo eine Anfechtungsklage unbegründet wäre. Nach diesem Lösungsweg würde man dann aber, die Prüfung der formellen

Rechtmäßigkeit

in die Zulässigkeit ziehen. Und bei sowas drängt sich mir ein Störgefühl auf. Es wäre doch deutlich strukturierter erstmal die Anfechtungsklage dann durchzuprüfen und diese dann an mangels Begrundetheit scheitern zu lassen. Und dann die FFK durchzuprüfen, wo man dann größtenteils auf die Prüfung der Anfechtungsklage verweist. Sofern jemand anderes eine elegantere Lösung dafür hätte, bin ich aber ganz Ohr.

MIC

Michael

4.10.2024, 16:17:33

@[bayilm](190202) sehe ich genau so. Man müsste die Anfechtungsklage durchprüfen und dann zu dem Ergebnis kommen, dass die Klage zulässig jedoch unbegründet ist. Das die Begründung fehlt darf erst in der

Begründetheit

geprüft werden. Danach kann man höchstens sagen, dass dem Kläger über die FFK eine Rechtsschutzmöglichkeit gegenüber formellen Fehlern in solchen Fällen eingeräumt werden muss. Ich frage mich dann nur, ob es nicht problematisch ist davor eine Klageart im Ergebnis als zulässig zu befinden und danach eine andere Klageart ebenso als zulässig anzunehmen. Vielleicht rührt der Lösungsweg daher.

YO

yolojura

20.5.2024, 01:22:10

Hallo, ich verstehe nicht ganz, inwiefern sich der Baustopp-VA hier erledigt haben soll. Zweck eines Baustopps ist doch gerade die zeitliche Unterbrechung des Baus, sodass die Regelungswirkung des Baustopps weiterhin andauert und nicht entfallen ist.

Maximilian Puschmann

Maximilian Puschmann

20.5.2024, 11:57:21

Hallo yolojura, es kommt im vorliegenden Fall nicht auf die Erledigung des VAs an, weshalb die Fortsetzungs

feststellungsklage

statthaft ist. Vorliegend war der VA materiell rechtmäßig und die

Behörde

hatte auch eine rechtmäßige Begründung. Sie haben bloß vergessen, den VA mit dieser schriftlich zu versehen. Hier kommt dann § 46 VwVfG ins Spiel, nach dem eine "Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden kann, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die FORM (...) zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat."  Genau das ist vorliegend einschlägig, womit die Anfechtungsklage, die auf die Aufhebung eines VAs gerichtet ist, nicht in Betracht mehr kommt. Jedoch muss der A eine Möglichkeit gegeben werden, auch einen Formfehler einklagen zu können, wegen der Rechtsschutzgarantie aus Art. 19 Abs. 4 GG. Deswegen kommt man zu einer analogen Anwendung des § 113 I S.4 VwGO. Beste Grüße  Max - Für das Jurafuchs-Team

DE

Doris Eventualis

18.6.2024, 18:34:41

Aber die Antwort auf die Frage, ob er sich erledigt hat, war ja dennoch wenn ich mich nicht täusche, mit JA zu beantworten. Und was ich von hier verstehe ist, dass er sich eben nicht erledigt hat oder?


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